Wenigstens gab es am Ende noch etwas Positives zu vermelden: Fernando Alonso fuhr am vierten Tag die Bestzeit beim Test in Jerez de la Frontera. Eine Runde für die Galerie, die Fans und die Marketingabteilung. Denn die Performance an allen anderen Tagen war Wasser auf die Mühlen von Schwarzmalern, die Ferrari bereits ins Mittelfeld abdriften sehen.

Der Bestzeit von 1:18.8 stehen Zeiten im 1:20er-Bereich an allen anderen Testtagen gegenüber, am ersten Testtag gar nur eine 1:22.8, die vermutlich der Spritladung und Setupsuche geschuldet gewesen ist. Natürlich ist das Auswerten der Zeiten ein Lesen im Kaffeesatz, da niemand in die Tanks schauen konnte, doch auch die Stimmen bei Ferrari klingen nicht glücklich.

Unglückliche Ferrari-Stimmen

Pat Fry, technischer Direktor bei der Scuderia, erklärte am Donnerstag: "Der Spielraum für Verbesserungen ist groß. Die Zuverlässigkeit stimmt, die Performance ist zwar okay, aber wir können noch einige Dinge hier und da verbessern." Das ganze aus dem PR-Deutsch in verständliche Worte übersetzt: "Wir haben ein signifikantes Performance-Problem."

Auch ein weiterer Satz des Engländers sollte Anlass zur Sorge sein: "Wir können mit der Charakteristika der Kurven spielen, mit den verschiedenen Dingen am Kurveneingang und -ausgang." Diese mühsam verschlüsselten PR-Worte dürften so viel wie "wir können das Auto entweder auf den Kurveneingang oder –ausgang abstimmen, nicht aber auf beides." Wenn dem so sein sollte, hat Ferrari wirklich ein Problem. Schließlich gab er sich doch noch ehrlich: "Ich bin absolut nicht glücklich, wo wir im Moment stehen."

Auto erst zu 20 Prozent verstanden

Fernando Alonso gelang am letzten Tag eine Tagesbestzeit, Foto: Sutton
Fernando Alonso gelang am letzten Tag eine Tagesbestzeit, Foto: Sutton

Um die höchst empfindliche italienische Presse zu beruhigen, ließ Luca Colajanni am Freitag verlauten: "Wir haben bereits gesagt, dass wir nicht auf die Stoppuhr schauen. Es geht bei unserer Arbeit darum, Fortschritte zu erzielen und nicht um Rundenzeiten." Gerade vor dem Hintergrund dieses Zitats bleibt es fraglich, warum Ferrari doch noch eine Showbestzeit fuhr. Es musste wohl ein Zeichen der Hoffnung her, eine Aufmunterung für die Mitarbeiter, denen harte Zeiten bevorstehen könnten.

Mit der "roten Hexe", wie der F2012 aufgrund seiner ungewöhnlichen Formgebung von der Presse getauft wurde, ist zwar das Problem des Anwärmens der Reifen aus dem Vorjahr gelöst worden, doch die Komplexität des Autos macht dem Team zu schaffen: "Wir verstehen das Auto erst zu 20 Prozent", sagte Alonso nach den ersten vier Testtagen. Auch das lässt Raum für Spekulationen.

Optimisten werden sagen, dass Ferrari bei hundertprozentigem Verständnis des Autos vorne mitfahren wird, Pessimisten werden der Scuderia prophezeien, den komplexen F2012 eine halbe Saison lang nicht zu durchschauen. Und zu wie viel Prozent die Konkurrenz ihre Fahrzeuge, die teilweise deutlich schneller als der Ferrari gefahren sind, versteht, steht ebenfalls auf einem anderen Blatt.

Radikale Änderung noch vor dem Saisonstart?

Anlass zur Hoffnung könnte in Italien auch die Unfertigkeit des Ferraris geben. Im Fahrerlager machen Gerüchte die Runde, dass der F2012 bis zum Barcelona-Test noch einmal gründlich überarbeitet werde, James Allan geht in seinem Formel-1-Blog sogar davon aus, dass der Ferrari ein ganz neues Konzept erhalten werde. Auch Lewis Hamilton glaubt: "Ferrari hat bisher noch gar nichts gezeigt."

Hamilton sollte wissen, wovon er spricht, schließlich fuhr er im vergangenen Jahr den im Test hoffnungslos unterlegenen McLaren-Mercedes. Beim Saisonauftakt in Melbourne waren die Chrompfeile plötzlich zweite Kraft hinter Red Bull. Allerdings musste McLaren dort nur einen Bereich – den Auspuff – verbessern, während es bei Ferrari nicht eine große, sondern viele kleine Baustellen gibt. Doch das McLaren-Beispiel zeigt: Noch müssen die Roten nicht die weiße Fahne schwenken.