Die Formel 1 ist die Königsklasse des Motorsports, Überholen darf dort nicht zu einfach sein, so in etwa lautet das Urteil vieler Puristen über den verstellbaren Heckflügel DRS. "Hilfe beim Überholen durch einen Knopfdruck des Rennleiters, das ist doch grundsätzlich der falsche Weg", meinte nun etwa Niki Lauda laut Salzburger Nachrichten. FIA-Rennleiter Charlie Whiting sieht die Sache allerdings ein wenig anders, denn aus seiner Sicht ist von außen nicht immer so einfach zu sagen, ob jetzt wirklich DRS für ein Überholmanöver verantwortlich war oder nicht.

Als Beispiel dafür dienen ihm etwa die Türkei und Belgien, wo die Fahrer schon lange vor dem Ende der DRS-Zone an ihren Konkurrenten vorbei waren, weswegen die einhellige Meinung vorherrschte, das System habe es zu einfach gemacht. Gegenüber der BBC betonte Whiting nun, dass der Geschwindigkeits-Unterschied der miteinander kämpfenden Autos beim Kurvenausgang vor der DRS-Zone eine viel größere Rolle gespielt hatte und legte dafür auch ein Datenblatt vom Belgien Grand Prix vor.

Das Delta machts

"Das zeigt sehr deutlich, dass wenn das Geschwindigkeits-Delta [der Unterschied] zwischen den beiden Autos am Anfang der Zone niedrig ist, Überholen nicht einfach ist. Aber wenn ein Auto ein wenig schneller durch Eau Rouge kommt, dann gab es manchmal ein Geschwindigkeits-Delta von 18km/h. Das wird dann zu einem Überholmanöver führen, egal ob man DRS hat oder nicht", betonte Whiting. Anhand der vorliegenden Daten konnte er sogar belegen, dass der Verfolger weit näher als die zur DRS-Aktivierung nötige Sekunde am Vordermann dran sein muss, um zu überholen, wenn beide Autos gleich schnell aus der Kurve kommen.

Zum Überholen muss man schon vor der DRS-Zone dicht genug dran sein, Foto: Sutton
Zum Überholen muss man schon vor der DRS-Zone dicht genug dran sein, Foto: Sutton

"Eine Sekunde reicht für die Aktivierung, aber das wird einem nicht helfen. Man muss auf 0,4 Sekunden dran sein, um in der Bremszone auf gleiche Höhe ziehen zu können", erklärte er. Vor allem zu Saisonbeginn trug der starke Reifenabbau dann noch mehr dazu bei, dass Überholen gar zu einfach wirkte, weil Autos mit unterschiedlich alter Bereifung einfach sehr unterschiedlich schnell waren. Für Whiting steht jedenfalls fest, DRS hat die Kunst des Überholens nicht entwertet, auf Strecken, wo es schon früher mehr Überholmanöver gab, seien die Chancen nun nur etwas gestiegen.

Lässt sich anpassen

Da die Formel 1 seit Jahren nach einem Weg gesucht hat, um wieder mehr Überholen zu haben, ist DRS zudem ein relativ einfaches und noch dazu leicht steuerbares Mittel dafür. So sieht das auch McLaren-Technikdirektor Paddy Lowe. "Das Tolle daran ist, wir können jetzt endlich von dieser Debatte weg, dass wir die aerodynamischen Charakteristika des Autos ändern müssen, um das Überholen zu verbessern. Wir haben etwas viel Besseres, Billigeres, Einfacheres und Effektiveres gefunden, das sich von Rennen zu Rennen anpassen lässt", sagte er.

Anpassen will Whiting die DRS-Zonen auch gleich im ersten Rennen 2012, denn es soll in Australien zwei Zonen geben, nachdem es im Vorjahr nur eine gab. Auch dann wird es wieder Kritik geben, vor allem weil die Tatsache bleibt, dass dem Hintermann ein Vorteil eingeräumt wird, den der Vordermann nicht hat, wodurch das reine Verteidigungs-Können weniger wert wird. "Bis zu einem gewissen Grad muss man das Angenehme auch mit dem Unangenehmen hinnehmen", meinte Whiting.