Da war sie wieder - die DTM, wie wir sie seit den ersten drei Saisonläufen kennen. Schon der Blick auf das Podest verriet mehr als tausend Worte: Auf Rang zwei fand Pole-Inhaber Mattias Ekström nach der dominanten Audi-Vorstellung im Qualifying auf seiner Linken Paul Di Resta und Mika Häkkinen vor, die von den Rängen zwölf und 15 aus ins Rennen gegangen waren. Hatte sich das Rennen in Italien doch als wahrer Circus Maximus präsentiert...

Maximale Fehlerquote - minimale Überholchancen

So hatten es die beiden ersten Drittel des Mugello-Rennens in sich: Mit Jamie Green, Vanina Ickx, Alexandros Margaritis, Mathias Lauda und Martin Tomczyk war die Liste der Piloten lang, die sich entweder spontan ins Abseits beförderten oder zumindest Vorarbeit leisteten. "Wenn man so dicht hinter einem Auto herfährt kann man den Scheitelpunkt der Kurven nicht sehen. In der zweiten Kurve bin ich zu stark über den Kerb gefahren und habe einen Poller erwischt", berichtet Green, der sich ebenso wie Margaritis mit einem Ausritt die Radaufhängung beschädigte. Doch während der Brite seine C-Klasse noch unspektakulär abstellen konnte, traf es den Griechen härter: Für ihn führte der Aufhängungsbruch zu einem Einschlag in die Reifenstapel, der - wie 2007 in fast jedem Rennen Tradition - das Safety-Car auf den Plan rief.

Mathias Lauda verbuchte einen der neun Ausfälle, Foto: Sutton
Mathias Lauda verbuchte einen der neun Ausfälle, Foto: Sutton

Umso unspektakulärer verlief das letzte Renndrittel: Während Mattias Ekström trotz eines Audi A4, der der aktuellen Mercedes C-Klasse auch im Rennen bis zu eine Sekunde pro Runde abnahm, keine ernsthaften Überholversuche gegen Mika Häkkinen starten konnte, kam Tom Kristensen zwar an Markus Winkelhock im zwei Jahre älteren Audi vorbei. An den vor ihm fahrenden Jahreswagen, in denen Daniel La Rosa, Alexandre Prémat und Mike Rockenfeller beachtliche fahrerische Leistungen zeigten, biss sich der Däne allerdings die Zähne aus - und verzweifelte an dem wenig überholfreundlichen Kurs. "Wenn man in Mugello schneller ist, kann man trotzdem nicht unbedingt überholen", bilanzierte Kristensen, der sich mit Rang acht begnügen musste.

Maximale Transparenz

Nicht ganz zu Unrecht war der DTM während der ersten Saisonhälfte eine schwindende Transparenz für den Zuschauer vorgeworfen worden. Unterschiedlichste Strategien ließen während der Rennen nur selten den Blick auf ein boxenstoppbereinigtes Klassement zu. Die gestrige Siegstrategie war hingegen leicht erklärt. Als einziger war Mika Häkkinen bereits vor der Safety-Car-Phase zu seinem zweiten Pflichtstopp angetreten - und konnte das gesamte Feld hinter sich lassen, als dieses während der Gelbphase geschlossen in die Boxengasse einbog. "Ich war schon ein wenig durcheinander, als alle in die Box fuhren. Ich habe einfach das Gaspedal durchgedrückt und schon war ich an allen vorbei", schildert Mika Häkkinen den entscheidenden Moment, der ihn von Startplatz 15 bis zum Sieg führte.

Häkkinens Siegstrategie war leicht erklärt, Foto: Sutton
Häkkinens Siegstrategie war leicht erklärt, Foto: Sutton

Lediglich für den Finnen war die Rennstrategie auch diesmal das Erfolgsgeheimnis, hatten sich die Taktiken des restlichen Feldes doch schon während der ersten Boxenstoppphase geähnelt. Innerhalb weniger Runden war das Feld zum ersten Boxenbesuch angetreten, nachdem die in Mugello extrem beanspruchten Pneus keine andere Wahl gelassen hatten. So bestätigte sich die ohnehin nicht mehr angezweifelte Erkenntnis, dass die ansonsten so konstanten Reifen der neuen Generation maßgeblich zu den Strategiespielen der DTM beitragen - und so die beiden Pflichtboxenstopps in die Kritik bringen. Kritik musste auch so manches Mitglied der Boxencrews einstecken, nachdem Fehler beim Boxenstopp zuletzt verdächtig selten geworden waren...

Der Boxenzirkus

Mit 600 Metern war der Circus Maximus im alten Rom zwar deutlich länger als die Boxengasse von Mugello - das Boxenspektakel während der zweiten Safety-Car-Phase übertraf jedoch locker den Spannungsgehalt antiker Wagenrennen. Hatte die Audi-Truppe mit einem unbefestigten rechten Vorderrad bei Kristensen das Fehlerfestival schon vorher eröffnet, so vollzog sich die Fortsetzung Schlag auf Schlag: Nachdem das Feld vom Safety-Car zusammengeführt und die Boxengasse eröffnet worden war, stürmten 15 DTM-Boliden gleichzeitig zum Reifenwechsel. Wer bis hierhin im Duell mit seinem direkten Teamkollegen die Oberhand behalten hatte, wurde belohnt - wer ihm dagegen schon auf der Strecke hinterherfuhr, sah sich doppelt bestraft:

Auch Tom Kristensens Boxencrew unterlief ein folgenreicher Fehler, Foto: Sutton
Auch Tom Kristensens Boxencrew unterlief ein folgenreicher Fehler, Foto: Sutton

So musste sich auch Martin Tomczyk hinter Ekström anstellen, zusehen, wie die teamintern an erster Stelle abgefertigte Konkurrenz vorbeizog - und wie eine klemmende Tankkanne letzte Siegträume zunichte machte. Auch in HWA-Reihen machte sich die Hektik bemerkbar, als bei Bernd Schneider ein Rad nur unzureichend befestigt wurde. "Den Jungs, die in diesem Jahr konstant die schnellsten Boxenstopps gemacht haben, sind heute Fehler passiert. Vielleicht war es den Jungs auch einfach zu heiß...", resümierte Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich, für dessen Mannschaft die Fehler in der Boxengasse den Todesstoß im Kampf um ein gutes Teamergebnis darstellten.

Minimale Ausbeute

Mit Blick auf die zuletzt wiederholt unfreiwillig in die Schlagzeilen geratenen Safety-Car-Phasen gelobt man in der DTM Besserung: Schon in Zandvoort soll erstmals ein so genannter "Spotter" zum Einsatz kommen, der auf dem Racetower über das Geschehen in der Boxengasse sowie die Schaltung der Ein- und Ausfahrtsampeln wacht. Auch ohne Spotter war die Pace-Car-Phase schon im Mugello reibungslos über die Bühne gegangen - und fand in Martin Tomczyk dennoch ihren Kritiker: "Das Safety-Car fuhr so langsam, dass ich mir die neuen Reifen nicht wirklich aufwärmen konnte." Zwar hatten hiermit auch Tomczyks Kollegen zu kämpfen - bei dem Bayern machte sich die mangelnde Reifentemperatur allerdings besonders krass bemerkbar: "Die Vorderachse hat sehr guten Grip produziert, dann jedoch bin ich beim Hinausbeschleunigen mit der Hinterachse weggerutscht."

Mattias Ekström durfte sich als heimlicher Sieger sehen, Foto: Sutton
Mattias Ekström durfte sich als heimlicher Sieger sehen, Foto: Sutton

Allzu große Vorwürfe brauchte sich Tomczyk nach seinem Rückfall von Tabellenrang drei auf sechs dennoch nicht zu machen, wäre er doch nach dem missglückten zweiten Stopp ohnehin nicht mehr über eine minimale Punkteausbeute hinausgekommen. Von einer solchen konnte Schneider als zweites Boxenstoppopfer nur träumen - sah jedoch andere Gründe für seinen enttäuschenden elften Platz: "Timo Scheider ist mir am Start vor der dritten Kurve volle Kanne ins Auto gefahren, damit war das Rennen eigentlich schon vorbei", schildert der amtierende Champion. Der so verhängnisvolle Rammstoß hinderte Schneider interessanterweise nicht daran, in Runde 18 die schnellste Rennrunde eines Mercedes-Piloten zu fahren...

Schwedischer Zirkusdirektor

"Mattias Ekström kann zufrieden sein. Er führt mit sechseinhalb Punkten die Meisterschaft an, das ist ein komfortabler Vorsprung in der DTM", musste Mercedes-Sportchef Norbert Haug bei allem Jubel um den finnischen Überraschungserfolg eingestehen. Mit Bernd Schneider, Bruno Spengler und Mika Häkkinen hat Haug in der Meisterschaft zwar gleich drei Eisen im Feuer, die sich innerhalb von nur 5,5 Zählern in der Punktetabelle bewegen. Doch trotz der beachtlichen Stuttgarter Ausbeute von nunmehr fünf Siegen sprechen die Aussichten zurzeit für den schwedischen Tabellenführer: So stehen die Chancen gut, dass Ekström seinen Vorsprung in Zandvoort ausbauen kann - mit 20 Kilogramm Gewichtsvorteil auf einem Kurs, der dem Schweden sowie seiner Audi-Mannschaft traditionell entgegen kommt...