Es sollte nicht sein: Emil-Frey-Ferrari-Pilot Thierry Vermeulen verlor nach einer Penalty-Lap-Strafe rund eine Viertelstunde vor dem Ablaufen der Rennzeit seinen sichergeglaubten Sieg bei der DTM auf dem Sachsenring - es wäre sein erster in der Traditionsserie gewesen. Stattdessen blieb für den Niederländer nur Rang drei und damit zumindest der erste Podestplatz in seinem 28. DTM-Rennen.

Verantwortlich für diesen Umstand war jedoch nicht Vermeulen selbst, sondern sein Team, genauer gesagt ein Mitglied der Boxencrew. Denn kurz vor dem Boxenstopp wurde der linke Hinterreifen, den Vermeulen neu montiert bekam, nicht entsprechend des Regelwerks dauerhaft in den Händen festgehalten, sondern von einem Mechaniker auf den Boden gelegt. Die daraus resultierende Penalty Lap katapultierte Vermeulen aus dem Kampf um den sichern Sieg. Zwar übte der 22-Jährige bis ins Ziel noch Druck auf seinen Vordermann Kelvin van der Linde auf P2 aus, kam jedoch nicht mehr vorbei.

Ratlosigkeit bei Emil Frey: Boxencrew würde am liebsten im Boden versinken

"Wir gewinnen zusammen und verlieren zusammen. Wir müssen einfach daraus lernen", stellte sich Vermeulen nach Rennende hinter sein Team. Zugleich merkte der Sohn des Managers von Formel-1-Weltmeister Max Verstappen, Raymond Vermeulen, an: "Da die Pace ziemlich dominant war und es ziemlich gut aussah nach dem Boxenstopp, bin ich besonders nach einem Rennen wie diesem nicht hier, um auf P3 zu stehen."

Doch wie konnte es überhaupt zu dem rennentscheidenden Fehler kommen? Nach Rennende dominierte bei Emil Frey Racing vor allem eines: Ratlosigkeit. "Ich weiß nicht, ob die (Boxencrew; d. Red.) zuvor irritiert waren oder sowas. Und dann sind sie nachher rausgekommen und der Mechaniker hat die Hand für einen kurzen Moment vom Rad genommen, um die Brille oder sowas zu richten", berichtete Technikdirektor Jürg Flach im exklusiven Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Thierry Vermeulen (Emil Frey Racing)
Bei Emil-Frey-Ferrari dominierte nach der Boxenstopp-Panne Ratlosigkeit, Foto: DTM

"Aber er weiß genau, dass immer eine Hand unten am Rad sein muss. Er weiß es genau und kann es sich nicht erklären, warum es geschehen ist", so Flach weiter. "Es ist wirklich ein Fehler. Es ist so ärgerlich. Die Boxencrew würde natürlich am liebsten im Boden versinken." Neben der Frustration über den Fehler äußerte Flach sein Mitgefühl für Vermeulen. "Das tut mir extrem leid für Thierry. Es wäre sein Rennen gewesen, es wäre sein Sieg gewesen."

Safety-Car kostet Vermeulen Platz zwei

Vor der Strafe hatte Vermeulen das Rennen vom Start weg kontrolliert. Zwischenzeitlich distanzierte er seinen Verfolger Luca Stolz (HRT-Mercedes) auf mehr als drei Sekunden und hatte zur Rennmitte ein Polster von rund 1,9 Sekunden. Auf den Drittplatzierten van der Linde hatte Vermeulen gar mehr als 13 Sekunden Vorsprung, nachdem dieser vor den Pflicht-Boxenstopps lange Zeit von Luca Engstler im GRT-Lamborghini aufgehalten worden war.

Selbst mit der Strafe wäre Vermeulen so Rang zwei sicher gewesen. Doch in Folge der Kollision zwischen Rene Rast, Jordan Pepper und Marco Wittmann wurde das Feld durch das ausgerufene Safety-Car wieder zusammengeführt. Auch nach dem Restart konnte sich Vermeulen zwar schnell wieder von Stolz um mehr als eine Sekunde absetzen und begann nach dem Urteil der Rennleitung zusätzlich zu pushen, doch das reichte letztlich deutlich nicht, um die Führung zu behalten.

Stolz: Wäre niemals an Vermeulen vorbeigefahren

Dass ohne die Strafe der Sieg Vermeulens so gut wie ausgemacht war, daran herrschte im Fahrerlager am Sachsenring im Nachgang des Rennens kaum ein Zweifel - auch nicht bei Luca Stolz, der den Sieg erbte. "Realistisch gesehen hätte ich die Lücke vielleicht noch mal ganz am Ende zugefahren und hätte auf einen Fehler gehofft, aber wir wären niemals vorbeigefahren", gab der HRT-Mercedes-Pilot gegenüber Motorsport-Magazin.com zu.

"Ich dachte eigentlich ich bin schon schnell, weil ich die Rundenzeit von gestern kannte. Aber dann habe ich gedacht: 'Hui, der fährt aber doch noch drei, vier Zehntel weg'", so Stolz weiter. "Dann war ich sehr überrascht und habe gehofft, dass eventuell seine Reifen ein bisschen eingehen. Was dann auch ein bisschen so aussah, weil ich kam ab Runde sieben oder sowas näher. Aber ich glaube, er hat einfach ein bisschen mehr gemanagt, weil er gesehen hat: 'Okay, ich bin heute dominant, ich habe das im Griff.'"

Emil-Frey-Ferrari verpasst historischen Doppelsieg

Trotz der starken Performance verpasste es Emil-Frey-Ferrari am Sachsenring letztendlich denkbar knapp, zum ersten Mal seit dem eigenen DTM-Einstieg im Vorjahr beide Rennen an einem Wochenende zu gewinnen, nachdem Jack Aitken den Samstagslauf für sich entschieden hatte. Der Brite kämpfte nach Start von Position vier mit seinem Ferrari 296 GT3, der nach seinem Sieg am Vortag mit zusätzlichen 20 Kilogramm Erfolgsballast beladen war. "Das sind 2,5 bis 3 Zehntel pro Runde, was das im Hinblick auf die Pace ausmacht. Das spürst du schon", rechnete Technikchef Flach vor. Schlussendlich blieb Aitken im Ziel Rang sechs.

Podium am Samstag: Mirko Bortolotti, Sieger Jack Aitken und Maro Engel
Der Sieg von Jack Aitken am Samstag blieb der einzige Triumph von Emil Frey Racing am Sachsenring, Foto: DTM

Verpasster Doppelsieg hin oder her: Mit der grundsätzlich starken Performance am Sachsenring zeigte sich Jürg Flach zufrieden und lobte in diesem Atemzug auch die Leistung von Vermeulen am Sonntag. "Seine Leistung heute war wirklich hervorragend. Das Auto war extrem gut, auch im Hinblick auf die Pace, obwohl es so heiß war", äußerte sich Flach anerkennend. "Wir haben gewusst, dass er auch das Potenzial hat, weil er die Strecke mag und sie ihm liegt. Und das hat man heute auch gesehen.

Jürg Flach: Mit Performance nicht gerechnet

Ein Spaziergang sei das Wochenende aber nicht gewesen, so der Schweizer weiter. "Gestern Morgen war ich nicht so überzeugt, dass wir wirklich vorne mit dabei sind, weil im FP2 haben wir neue Reifen montiert, bei denen der Unterschied zu den gebrauchten Reifen relativ gering war", berichtete Flach. "Ich war ein bisschen nervös, dass wir im Qualifying nicht den nötigen Sprung machen können." Doch das Wochenende hatte eine positive Überraschung für Emil-Frey-Ferrari parat. "Die 1:17.288, die Jack gestern (im Qualifying; d. Red.) gefahren ist, war wirklich erstaunlich. Damit habe ich nicht gerechnet", machte Flach aus seinem Erstaunen keinen Hehl.

In der Team-Wertung der DTM belegt Emil Frey Racing nach 10 von 16 Saisonrennen mit 170 Punkten den sechsten Platz mit 101 Zählern Rückstand auf den führenden Rennstall Schubert-BMW. In der Fahrer-Rangliste rangiert Jack Aitken, der als einziger Fahrer bereits drei Rennen in dieser Saison gewinnen konnte, verbesserte sich in der Tabelle vom neunten auf den vierten Rang und hat nur noch 50 Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Kelvin van der Linde, Thierry Vermeulen belegt P15 (60 Punkte).