Das Sonntagsrennen der DTM auf dem Sachsenring hatte einiges an Spektakel zu bieten. In Erinnerung bleiben dürfte besonders die schwere Kollision zwischen DTM-Debütant Jordan Pepper (GRT-Lamborghini) und Marco Wittmann im Schubert-BMW, die zur Rennhalbzeit durch eine Berührung zwischen Pepper und Wittmann-Teamkollege Rene Rast ausgelöst worden war. Rast hatte im Kampf um Position elf rechts am Heck Peppers GT3-Lamborghini getroffen, woraufhin der Südamerikaner unkontrolliert in Vordermann Wittmann gerauscht war. Alle Piloten überstanden den Zwischenfall körperlich unversehrt.

Für Pepper und Wittmann war das Rennen gelaufen, Rast konnte weiterfahren und wurde Zehnter (P9 nach Strafe gegen Ayhancan Güven aufgrund einer Kollision mit Luca Engstler). Ob der dreifache DTM-Champion diesen Rang jedoch auch würde behalten dürfen, stand nach Rennende stundenlang nicht fest. Denn die Rennleitung untersuchte den Vorfall, kam jedoch zu dem Schluss, dass kein Fahrer alleinig oder hauptsächlich für die Verursachung der Kollision verantwortlich zu machen war. Folglich beurteilten die Sportkommissare die Aktion als Rennunfall.

Wittmann für Schubser ermahnt

Die Stewards hielten keine Bestrafung für angebracht. Im Fahrerlager gingen die Meinungen über den Kontakt auseinander. "Ich hatte wirklich überhaupt nicht den Eindruck, dass Rene attackieren würde und war überrascht, als ich von hinten getroffen wurde", sagte Jordan Pepper nach Rennende zu Motorsport-Magazin.com. "Ich habe komplett die Kontrolle über das Auto verloren." Insgesamt hielt Pepper fest: "Ich bin einfach ein bisschen frustriert, weil du, wenn du gegen Rennfahrer von so einem hohen Kaliber fährst, erwartest, dass sie mehr Respekt für andere haben. Aber es wirkt ein bisschen so, als würden Leute im Mittelfeld entscheiden, dass sie Autoscooter fahren."

Zunächst musste sich Pepper nach dem Unfall jedoch mit Wittmann auseinandersetzen. Als beide aufeinandertrafen, kam es zu einem Schubser vonseiten des sichtlich angefressenen Wittmann gegenüber Pepper. Für diese wurde Wittmann von den Stewards mit einer Ermahnung bedacht. Pepper reagierte mit Verständnis: "Ich fühle mich einfach schlecht dafür, dass ich Marco aus dem Rennen genommen habe, denn es war überhaupt nicht sein Fehler. Er war natürlich mir gegenüber ziemlich angepisst, aber hat sich direkt entschuldigt, was ich in der Hitze des Gefechts zu schätzen weiß."

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Marco Wittmann entschuldigte sich bei Pepper, Foto: BMW M Motorsport

Pepper verteidigt Mittelfinger gegen Rast: Niemand hat gesehen, was er gemacht hat

Doch auch Pepper selbst ließ sich nach dem Unfall zu einer Aktion hinreißen, für die er von der Rennleitung ermahnt wurde. Der 28-Jährige zeigte Rast den Mittelfinger und applaudierte sarkastisch. Rast erhielt in dieser Saison bereits zum zweiten Mal während des Rennens diese Geste von einem Konkurrenten. Das erste Mal geschah dies beim Saisonauftakt in Oschersleben nach einem Kontakt mit Thierry Vermeulen, der damals wie Pepper eine Ermahnung erhielt.

"Niemand hat gesehen, was er (Rast; d. Red.) im Auto gemacht hat", verteidigte Pepper sein Verhalten. "Meine Geste war in Reaktion darauf, was er gemacht hat, also ist alles gut. Das sind Dinge, die in der Hitze des Moments passieren. Wir haben gesprochen, er hat sich entschuldigt. Ich muss ihm großen Respekt dafür zollen. Das Manöver war so weit entfernt, dass es in einer Traumwelt nie passieren würde, aber ich weiß es zu schätzen, dass Rene mich zumindest zur Seite gezogen und sich entschuldigt hat."

Rast kritisiert Pepper: Haben in der DTM Regeln

Tatsächlich entschuldigte sich Rast in einer ersten Reaktion bei beiden ausgefallenen Piloten. Während der Anhörung bei den Stewards verteidigte sich der BMW -Werksfahrer jedoch und blieb bei seinem Vorwurf von 'Moving under Braking'. "Wir haben in der DTM Regeln. Wenn du einmal auf der Bremse bist, darfst du nicht deine Linie ändern. Das ist bei Jordan passiert, er ist nach innen reingezogen", erklärte Rast gegenüber Motorsport-Magazin.com.

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Rene Rast zeigte sich mit Peppers Fahrweise nicht einverstanden, Foto: LAT Images

"Das ist natürlich auch sein erstes DTM-Wochenende. Er kennt die Regel wahrscheinlich nicht", so Rast weiter. "Ich habe mich vor dem Bremspunkt nach rechts festgelegt und mit dem ABS bist du Passagier, du wartest, dass du zum Stehen kommst. Und er hat eingelenkt, hat mir die Lücke zugemacht und dann gab es natürlich den Kontakt."

Schubert-BMW -Teamchef Torsten Schubert zeigte wie die Rennleitung Verständnis für Rasts Sichtweise. "Für mich war es eine blöde Kettenreaktion. Pepper zieht ein bisschen rüber, Rene versucht seine Linie zu fahren, stößt ihn hinten an und dann kam noch das Unglück mit Marco", so Schubert am Sachsenring zu Motorsport-Magazin.com. Zugleich merkte Schubert an: "Klar, trifft die Hauptschuld irgendwie den, der hinten drauf fährt. Das ist so. In dem Moment ist Rene derjenige." Dennoch hielt Schubert fest: "Wenn Pepper die Linie gehalten hätte und nicht rüber gezogen wäre, wäre er (Rast; d. Red.) auch nicht dahin gekommen."

Wittmann kontra Rast: Kein 'Moving under Braking' von Pepper

Deutliche Kritik äußerte im Interview mit Motorsport-Magazin.com hingegen kurz nach dem Rennende ausgerechnet Wittmann an seinem Teamkollegen. "Ich war natürlich zunächst extrem sauer auf Jordan. Ich habe mich bei ihm entschuldigt, weil ich die TV-Bilder gesehen habe und bei ihm ganz klar keine Schuld liegt. Für mich hat er normal gebremst, normal eingelenkt. Das war auch kein 'Moving under Braking'", stand Wittmann in Kontrast zu Rast und Schubert.

Statt Kritik an Pepper zu üben, hielt Wittmann fest: "Für mich liegt die Schuld ganz klar bei Rene. Ich bin am Ende der Leitragende und das Opfer." Besonders bitter, da Wittmann zu diesem Zeitpunkt auf dem Vormarsch war, nachdem er als letzter Fahrer seinen Pflicht-Boxenstopp absolviert hatte. "Wir hätten heute vielleicht sogar von Platz 19 aus an den Top-5 kratzen können. Das ist ärgerlich, weil für mich sind die Punkte weg", haderte Wittmann.

In diesem Kontext beerdigte der zweifache DTM-Champion auch seine letzten Chancen auf einen dritten DTM-Titel 2024. Mit 89 Punkten liegt Wittmann nun ganze 81 Zähler hinter dem Meisterschaftsführenden Kelvin van der Linde - bei noch 112 zu holenden Punkten kaum aufzuholen. "Der Zug da vorne ist komplett abgefahren. Es war vorher schon schwierig, aber dann natürlich mit solchen Sachen, kann man nur noch um die goldene Ananas fahren", hielt Wittmann fest.

Rast hadert mit BMW: Ganz anderes Auto als gestern

Während Wittmann zumindest mit der Performance seines Boliden zufrieden war, konnte Rast dies nicht behaupten. Der Routinier verlor im Schlussspurt zunehmend den Anschluss an den Rest der Top-10 und zeigte sich unzufrieden mit seinem BMW M4 GT3. Mögliche aus der Kollision resultierende Schäden wollte Rast dafür aber nicht verantwortlich machen. "Ich glaube, durch den Kontakt war kein großer Schaden, aber ich habe ab der ersten Runde schon gestrauchelt", meinte Rast. "Wir haben ein kleines Problem mit dem Auto, schon seit dem Qualifying. Da müssen wir mal reinschauen, weil im Rennen hatten wir leider auch keine Pace."

Rene Rast im Schubert-BMW bei der DTM am Nürburgring
Rast kämpfte am Sachsenring mit seinem BMW M4 GT3, Foto: ADAC Motorsport

Ein starker Kontrast zum Samstags-Lauf, in dem Rast von Startplatz 20 auf Rang sieben vorgefahren war und dabei nach einem späten Boxenstopp zahlreiche Überholmanöver im Schlussspurt setzen konnte. "Es war ein ganz anderes Auto und mit Sicherheit nicht da, wo wir hin müssen", haderte Rast, der schon am Nürburgring seine Meisterschaftschancen ad acta gelegt hatte. Der 37-Jährige hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt 57 Zähler Rückstand auf Kelvin van der Linde.

Jordan Pepper nach DTM-Debüt: Ich muss zurückkehren

Mit Meisterschaftschancen musste sich Jordan Pepper bei seinem DTM-Gastspiel ohnehin nicht beschäftigen. Unabhängig davon machte der Lamborghini-Werksfahrer bei seinem Debüt in der Rennserie als Ersatz für Stammfahrer Christian Engelhart aber einen positiven Eindruck. In beiden Qualifyings reihte sich Pepper in den Top-10 ein und beendete den Samstagslauf auf P10.

Nach seinem ersten Wochenende in der DTM hat Pepper Blut geleckt - und schielt auf ein Stammcockpit für 2025. "Ich hoffe, dass sich für nächstes Jahr eine Tür öffnet", stellte er klar. "Es war eine tolle erste Erfahrung, aber das (der Unfall; d. Red.) ist nicht die Art und Weise, wie ich es enden lassen möchte. Ich muss also definitiv für mehr zurückkehren!"