Eigentlich ist Teamorder in der DTM 2022 per Reglement verboten. Vor dem diesjährigen Saisonfinale in Hockenheim (07.-09. Oktober) gehen jedoch Sorgen um im Fahrerlager: Halten sich auch alle Beteiligten an das Verbot? Die Meisterschafts-Situation mit Fahrern fünf unterschiedlicher Marken auf den vorderen Plätzen der Tabelle bietet große Spannung, aber auch großes Sprengstoff-Potenzial.

Das letztjährige Saisonfinale am Norisring wurde von der teamübergreifenden - und per Reglement erlaubten - Mercedes-Stallregie sowie den diskutablen Crashes zwischen Kelvin van der Linde und Liam Lawson überschattet. DTM-Boss Gerhard Berger sprach mit einigen Tagen Abstand gar von einem Schaden für die DTM.

Die abermalige Rückkehr des Teamorder-Verbots ins Regelbuch folgte als Konsequenz, um ein klares Zeichen zu setzen. "Wir haben im Reglement alle Vorkehrungen getroffen, dass sich so etwas nicht wiederholt", versicherte Berger, der wegen einer Corona-Infektion auf die Reise nach Hockenheim verzichten muss, in dieser Woche gegenüber der Bild-Zeitung.

Mit dem Meisterschafts-Zweiten Lucas Auer (Winward-Mercedes) hat Mercedes-AMG auch dieses Jahr ein heißes Eisen im Feuer - und stellt mit sieben weiteren Mercedes-AMG GT3 die Hoheit im Starterfeld der 27 Autos von sechs unterschiedlichen Marken.

Der Mercedes-DTM-Verantwortliche und Rennfahrer Thomas Jäger stellte im Vorfeld des Titel-Showdowns klar: "Wir als Hersteller mischen uns nicht in den Teamfunk oder was auch immer ein. Jeder Fahrer muss 100 Prozent geben, so steht es in den Regeln geschrieben. Letztendlich ist uns wichtig, dass alle Fahrer fair miteinander umgehen. Wir werden nicht in Strategien oder Sonstiges eingreifen, das ist sicher."

DTM-Tabelle 2022 nach 14/16 Rennen (Top-5)

Pos.FahrerTeamPunkte
1Sheldon van der LindeSchubert-BMW130
2Lucas AuerWinward-Mercedes119
3Rene RastAbt-Audi118
4Thomas PreiningBernhard-Porsche116
5Mirko BortolottiGRT-Lamborghini114

Bei einem Verstoß gegen das Stallregie-Verbot droht die DTM-Dachorganisation ITR mit drakonischen Strafen bis hin zu einem Ausschluss aus der Meisterschaft. In der Vergangenheit sollten hohe Geldstrafen abschreckend wirken. Untersuchen können Renndirektor und Sportkommissare allerdings nur, was sie auch mitbekommen. In der Vergangenheit wurden Absprachen bei den Herstellern oft im Vorfeld hinter verschlossenen Türen getroffen - oder sogar in Verträge reingeschrieben...

Für einige DTM-Szenekenner wäre es keine Überraschung, wenn Teamorder am Hockenheim-Wochenende zum Thema wird. Ein Verantwortlicher eines ehemaligen DTM-Teams, der namentlich nicht genannt werden möchte, sagte knallhart: "Die Regeln, um Teamorder zu verhindern, sind lediglich ein verzweifelter Versuch der Einschüchterung, aber ernst gemeint ein schlechter Witz. Wenn aktuelle Teamchefs oder Teammanager behaupten oder glauben, nach den letztjährigen Vorfällen würden sich diese am kommenden Wochenende nicht wiederholen, sind sie entweder naiv oder haben keine Ahnung von dem Geschäft!"

Bereits in Spa gab es erste Andeutungen, dass besserplatzierte Fahrer in der Meisterschaft ein wenig Schützenhilfe von Markenkollegen erhielten. Beweisen lässt sich das freilich nicht. Rennleiter Scot Elkins auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com: "Die Annahme, dass das Überholen von Fahrern, die zufällig Team- oder Markenkollegen sind, auf der Rennstrecke während eines Rennens mit einer Teamorder zusammenhängt, ist äußerst spekulativ."

Laut ITR-Angaben gilt die Teamorder-Regelung auch teamintern, sprich: Selbst der Teamchef darf keine Anweisungen an seine Fahrer für Teamorder geben. Dabei gilt die Annahme, dass die Fahrer selbst frei entscheiden dürfen, ob sie andere Piloten gegebenenfalls unterstützen. Nur: Im Reglement ist das so nicht eindeutig formuliert. Das lässt Spielraum für Diskussionen und/oder Proteste. DTM-Boss Berger hofft auf Fingerspitzengefühl der Rennleitung.

Die Titelanwärter hoffen bei den letzten beiden Rennen des Jahres auf Fair Play. Rene Rast, der vor seinem Audi-Abschied nach dem vierten Titel im fünften vollen DTM-Jahr greift: "Teamorder ist nicht erlaubt. Ich hoffe, wir sehen nicht zu viele Autos, die vorbeigelassen werden von Herstellern. Aber die Regeln sind klar, deshalb mache ich mir keine Sorgen."

Der inoffizielle Halbzeitmeister Mirko Bortolotti, der seine Titelchancen beim DTM-Debüt von GRT-Lamborghini als Gesamt-Fünfter wahrt, ergänzte: "Ich hoffe, es werden ab dem Qualifying harte Fights. Auch da können schon Spielchen gespielt werden. Ich hoffe auf einen fairen Wettbewerb von Samstag bis Sonntag. Die Regeln sind klar, Teamorder ist nicht erlaub und am Ende sind wir Einzelkämpfer. Schauen wir, wie es in der Realität läuft. Ich habe volles Vertrauen, dass es für die Fans eine tolle Show wird."

Im Sportlichen Reglement der DTM 2022 heißt es konkret:

Der Begriff "Team Order" beschreibt eine Anweisung eines Bewerbers, Sponsors, Lieferanten, einer juristischen Person oder einer verbundenen juristischen Person, einschließlich eines Herstellers (einer Marke), eines Importeurs oder ihres Vertreters, an einen Teilnehmer und/oder Fahrer - ungeachtet ihrer Fähigkeiten und möglicherweise gegen ihren Wunsch zu gewinnen - eine bestimmte Aktion auszuführen, die das Qualifying- oder Rennergebnis beeinträchtigen kann.

Bewerbern und/oder Fahrern ist es nicht gestattet, einer mündlichen, vertraglichen oder anderweitig auferlegten Team Order Folge zu leisten. Vertragliche Vereinbarungen mit Bewerbern oder mit Fahrern oder zwischen Bewerbern und Fahrern dürfen die Verpflichtung von Bewerbern und/oder Fahrern nicht vorsehen, Team Order zu befolgen.

Bewerber und/oder Fahrer müssen mit 100 % ihrer Fähigkeiten fahren, mit dem Ziel, ihre bestmögliche Endposition bei der Veranstaltung zu erreichen. Jeder Verstoß wird den Sportkommissaren gemeldet und Strafen bis hin zum Ausschluss von der Meisterschaft können für alle Beteiligten verhängt werden.