Rumms! Der bei Philipp Eng herrschende Frust nach dem frühzeitigen Ausfall im Sonntagsrennen der DTM auf dem Nürburgring war durchs Fahrerlager hindurch nicht nur spür- sondern auch hörbar. Nachdem der Österreicher seinen BMW M4 GT3 in der Garage von Schubert Motorsport hatte abstellen müssen, verlor er kurzzeitig die sonst übliche Beherrschung. Mit einem kräftigen Knall schepperte Eng beim Aussteigen die Fahrertür seines Autos zu und stürmte wutentbrannt davon.

"Ich habe gesagt, dass ich die Tür bezahle, wenn sie kaputt ist. Das war nicht der professionellste Ausstieg aus dem Rennen", hatte sich der sonst so besonnene 32-Jährige wieder einigermaßen am ProSieben-Mikro gefangen. Fügte aber unverblümt hinzu: "Das waren einfach ehrliche Emotionen. Das war einfach - darf man das so sagen - Scheiße."

Philipp Eng: Opfer der neuen DTM-Regel

Eng ist keiner, der nach Ausreden sucht. Und in dieser Situation hätte er sowieso keine benötigt - der langjährige BMW-Werksfahrer wurde in der Eifel schlichtweg ein absolutes Opfer des Reglements. Der Frust war verständlich, schließlich hatte nach seinem besten Qualifying mit Platz fünf und einem Blitzstart bis auf die zweite Position vieles auf seinen ersten Podestplatz in der laufenden DTM-Saison hingedeutet.

Eng hatte in diesem für ihn kurzen Rennen nur zwei Probleme: zum einen die neue Regel, dass Pflicht-Boxenstopps zwar während einer Safety-Car-Phase absolviert werden dürfen, jedes Team pro Runde aber nur ein Auto am Boxenplatz abfertigen kann. Zum anderen ausgerechnet Pole-Setter und Teamkollege Sheldon van der Linde direkt vor der Nase, nachdem eine Kollision zwischen Rene Rast und David Schumacher die Neutralisationsphase ausgelöst hatte.

Diese beiden Faktoren zerstörten Engs Rennen völlig, denn: Wie die meisten Teams entschied sich auch Schubert Motorsport, den zu diesem Zeitpunkt besser platzierten seiner beiden Fahrer - den Führenden van der Linde - bei der ersten Möglichkeit zuerst an die Box zu beordern. So kam es auch: Während der junge Südafrikaner nach Runde 7 in die Boxengasse abbog, musste Teamkollege Eng eine weitere Runde im Schneckentempo hinter dem Safety Car drehen.

Opfer Eng: 16 Positionsverluste in einer Runde

Als der zweimalige Gewinner der 24 Stunden von Spa-Francorchamps nach Runde 8 auch endlich neue Reifen aufziehen lassen durfte, fand er sich nach der Boxenausfahrt auf dem 18. Platz wieder - also hinter all jenen Fahrern, die einen Umlauf zuvor gestoppt hatten. 16 völlig unverschuldete Positionsverluste innerhalb einer Runde - wer würde da nicht die Beherrschung verlieren?

Dass Eng kurz nach dem Re-Start auch noch einer unglücklichen Dreier-Kollision und einem direkten Kontakt mit Clemens Schmid (GRT-Lamborghini) zum Opfer fiel, spielte nach den vorherigen Ereignissen eigentlich auch schon keine Rolle mehr.

Sein dritter vorzeitiger Ausfall war der negative Höhepunkt in einer absoluten Achterbahn-Saison für Eng, in der sich starke Rennleistungen mit schwierigen Qualifyings abwechseln und in der Summe Platz 15 in der Gesamtwertung ergeben, während Teamkollege van der Linde seine Tabellenführung trotz Platz neun im Rennen sogar ausbauen konnte.

"Beim Unfall war es eh schon vorbei", bestätigte Eng. "Ich war erst in einer so guten Position und froh, dass das Auto so schnell war. Die Jungs haben einen top Boxenstopp gemacht, aber leider war es schon zu spät. Man sollte die Regel mit dem Safety Car überdenken. Wie am Norisring, wo mit einer Full Course Yellow alle Fahrer die Möglichkeit hatten, unter der Neutralisation zu stoppen. Aber Regeln sind Regeln, ich beschwere mich nicht. Ich habe mich gut verkauft und wir hätten heute ein Wort um den Sieg mitreden können."

Am Ring restlos bedient: Philipp Eng, Foto: BMW Motorsport
Am Ring restlos bedient: Philipp Eng, Foto: BMW Motorsport

Schubert-Teamchef: "Kann verstehen, warum Philipp so sauer ist"

Der erfahrene Schubert-Teamchef Torsten Schubert, selbst Rennfahrer, konnte sicherlich mit Eng mitfühlen. Dass sich die Truppe aus Oschersleben während des Safety Car an die vorher besprochenen Abläufe hielt, kann ihr natürlich nicht angekreidet werden. "Ich kann verstehen, warum Philipp berechtigterweise so sauer ist", sagte Schubert zu Motorsport-Magazin.com.

Und weiter: "Auch für mich ist es ein Unding, dass wir innerhalb der Teams eine Reihenfolge festlegen müssen, wie wir in solch einem Fall handeln. Dabei hatten wir vor dem Rennen abgesprochen, dass derjenige, der vor dem anderen liegt, zuerst reinkommt - heute war das Sheldon. Damit bestrafst du aber auch automatisch den zweiten Fahrer und dieser Nachteil kann gravierende Folgen haben. Beispielsweise wenn es bei uns umgekehrt der Fall gewesen wäre und wir zunächst erst Philipp und dann den Meisterschaftsanwärter Sheldon hereingeholt hätten."

Neue Boxenstopp-Regel: Weitere Dramen programmiert

Die Zwickmühle möchte man sich rückblickend gar nicht ausmalen, wenn stattdessen Eng das Rennen angeführt und zumindest in der Theorie die Safety-Car-Phase dem direkt dahinterliegenden van der Linde das Rennen zerstört hätte. Es wäre pure Spekulation, zu raten, wie das Schubert-Team auf diese Situation reagiert und gegebenenfalls die vorab zurechtgelegte Strategie geändert hätte, um van der Linde die besten Chancen auf den Titel einzuräumen.

"Besser und vor allem gerechter wäre es, wenn Code 60 und dann ein Safety Car zum Einsatz kommen würden", meinte Teamchef Schubert. Im an Druck zunehmenden Kampf um die DTM-Meisterschaft 2022 wäre es keine allzu große Überraschung, wenn sich bei weiteren frühen Safety-Car-Phasen noch mehr Dramen innerhalb der Teams abspielen... Bei der Rückreise vom Nürburgring konnte sich Pechvogel Eng nur damit trösten, zumindest im Samstagsrennen als Sechster einige Punkte mitgenommen zu haben und zweitbester BMW-Fahrer gewesen zu sein - hinter Teamkollege van der Linde.