Marco Wittmann war beim DTM-Rennwochenende in Hockenheim der riesengroße Verlierer im Titelkampf. Belegte der BMW-Werksfahrer vor den beiden Rennen den zweiten Platz in der Meisterschaft mit zehn Punkten Rückstand auf den Meisterschaftsführenden Liam Lawson, ist Wittmann vor dem Saisonfinale auf dem Norisring (08.-10. Oktober 2021) nur noch Gesamtvierter mit 41 Zählern Abstand auf AF-Corse-Ferrari-Piloten. Maximal 56 Punkte können in den beiden letzten Rennen noch erzielt werden.

Nachdem Wittmann zuvor in sieben von acht aufeinanderfolgenden Qualifyings in die Top-3 der Startaufstellung gefahren war, kam er auf dem Hockenheimring nicht über die Startplätze 13 und 10 hinaus. Im Samstagsrennen schied er nach Kollisionen vorzeitig aus, sonntags fiel er wegen einer Strafe vom zehnten auf den elften Platz zurück. Erstmals in der laufenden Saison blieb der Walkenhorst-Pilot in einem Rennen komplett punktelos.

Der sonst so besonnene Wittmann übte schon nach dem Samstags-Qualifying, in dem er mehr als 1,2 Sekunden Rückstand auf Pole-Setter und Rennsieger Kelvin van der Linde aufwies, deutliche Kritik. "Richtig krass getroffen", habe laut dem zweifachen DTM-Meister eine Reduktion des Ladedrucks die Turbo-Autos von BMW und Ferrari. Am Sonntag nach dem Qualifying sprach Wittmann dann von "Machtlosigkeit" im Titelkampf und dass "uns die BoP richtig hart getroffen hat".

Wittmann: Emotionaler Austausch mit DTM-Boss Berger

Zusätzlich auf die Palme brachte Wittmann eine weitere Reduzierung des Ladedrucks für den BMW M6 GT3 bei den bevorstehenden Norisring-Rennen, während Ferrari im Vergleich zu Hockenheim eine Erleichterung erhält. Wittmanns offene Kritik blieb nicht ungehört. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com folgte am Sonntag nach dem Qualifying ein Gespräch mit DTM-Boss Gerhard Berger, bei dem es dem Vernehmen nach emotional zugegangen sein soll.

DTM-Boss Gerhard Berger und der zweifache Meister Marco Wittmann, Foto: LAT Images
DTM-Boss Gerhard Berger und der zweifache Meister Marco Wittmann, Foto: LAT Images

Neben Wittmann fuhren auch die beiden BMW M6 GT3 von ROWE Racing mit Timo Glock und Sheldon van der Linde in Hockenheim chancenlos hinterher, Glock ergatterte am Samstag als Zehnter den einzigen Punkt. Bei einem privaten Test an gleicher Stelle vor dem Rennwochenende hatte das noch anders ausgesehen. ROWE-Teamchef Hans-Peter Naundorf schätzte die BMW auf einem ähnlichen Level ein wie die Mercedes-AMG, der Rückstand auf Audi habe vier Zehntelsekunden betragen.

Bei den Testfahrten waren die Autos allerdings mit den Einstufungen vom vorangegangenen Rennwochenende in Assen unterwegs. Naundorf zu Motorsport-Magazin.com: "Nach unserem Test haben wir von der ITR/AVL die BoP für Hockenheim mit aus unserer Sicht überraschenden Ladedruck-Veränderungen erhalten. Damit war uns klar, dass wir an diesem Wochenende im Vergleich zu den Wettbewerbern keine vergleichbare Performance haben würden."

BMW geht in Hockenheim baden: Woran lag es?

Warum die BMW im badischen Motodrom kollektiv derart hinterherfuhren, ließ sich zunächst nicht feststellen. Lag es nur an der veränderten Balance of Performance oder spielten noch weitere Faktoren eine Rolle, nachdem sich BMW in der bisherigen Saison nicht über die Einstufung beschweren konnte? Walkenhorst-Teammanager Niclas Königbauer hatte auch nach dem Sonntags-Qualifying noch keine Erklärung für die offensichtlich fehlende Pace.

Während des Wochenendes kam der Plan auf, am Sonntagmorgen während des für Taxifahrten geplanten Zeitfensters einen Vergleichstest durchzuführen. "Einfach, um zu verstehen, warum unser Paket hier nicht funktioniert", erklärte Königbauer bei Motorsport-Magazin.com. "Deshalb habe ich die DTM-Dachorganisation ITR um einen Slot gebeten, um herauszufinden, woher der große Performance-Unterschied kommt."

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Vergleichs-Test abgelehnt - Wittmann: Hätte auch nicht unterschrieben

Dabei sollten die Autos von ROWE und Walkenhorst sowohl mit der Assen-BoP als auch mit der aktuellen Hockenheim-Einstufung fahren. Die DTM-Dachorganisation ITR gab grünes Licht. Dem entsprechenden Antrag stimmte allerdings einzig AF Corse zu - das Ferrari-Team startet ebenfalls mit Turbo-Autos.

"Die Idee, dass die BMW-Teams an den Taxifahrten hätten teilnehmen können, wurde von der ITR unterstützt", bestätigte ROWE-Teamchef Naundorf. "Ich kann durchaus nachvollziehen, dass einige Wettbewerber dem nicht zugestimmt haben. Damit müssen wir leben." Sah Wittmann ähnlich, als er sich am Sonntagabend im Sport1-Talk mit weiterer harter Kritik zurückhielt: "Wäre ich bei der Konkurrenz, hätte ich das auch nicht unterschrieben."

Wittmann schätzte seine Titelchancen auf nur "noch 2 Prozent" ein, Naundorf aus dem BMW-Konkurrenzteam stimmte zu: "Fakt ist aus meiner Sicht, dass BMW aus dem Titel-Vierkampf ausgeschieden ist." Ärgerlich für den langjährigen DTM-Piloten: Auf dem Norisring bestreiten der Fürther und sein Partner Schaeffler ausgerechnet ihr Heimspiel.

ROWE startet mit zwei BMW M6 GT3 in der DTM 2021, Foto: LAT Images
ROWE startet mit zwei BMW M6 GT3 in der DTM 2021, Foto: LAT Images

Norisring-BoP könnte geändert werden

Wie die drei BMW M6 auf dem Nürnberger Stadtkurs mit einem Vollgasanteil von knapp 70 Prozent eingestuft sein werden, ist final noch nicht beschlossen. Die angepeilte Ladedruck-Reduktion soll in Folge des natürlichen Topspeed-Vorteils des BMW-Auslaufmodells entstanden sein, der sich wegen seines langen Radstands beim Rotieren in engen Kurven allerdings schwertut.

An der bereits vor Hockenheim an die Teams kommunizierten Norisring-BoP könnte es noch Änderungen geben. Dazu besteht bis Donnerstagmittag um 12:00 Uhr vor dem Auftakt zum Final-Wochenende die Möglichkeit.

Ändert sich an der Norisring-BoP noch etwas?, Foto: LAT Images
Ändert sich an der Norisring-BoP noch etwas?, Foto: LAT Images

ITR-Technikchef: BoP-Anpassung möglich

"Oberste Priorität bei allen Beteiligten hat jetzt die Ursachenforschung", sagte ITR-Technikchef Michael Resl zu Motorsport-Magazin.com. "Abhängig vom Ausgang der Untersuchungen und dem damit erlangten Kenntnisstand möchten wir nicht ausschließen, dass wir die BoP für den Norisring noch einmal anpassen."

Resl am Sonntagabend weiter: "Auch wir analysieren intensiv wie die Unterschiede in der Simulation und der tatsächlichen Performance auf der Strecke beim BMW hier in Hockenheim zu Stande kommen. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir dazu leider keine valide Auskunft treffen, auch wenn das natürlich für die betroffenen Teams und speziell für die Fahrer, die mit dem Auto ans Limit gehen, nicht zufriedenstellend ist."

Für Wittmann dürfte die Meisterschaft in Hockenheim bereits verlorengegangen sein. "Das ist für uns enttäuschend, weil wir keine Chance hatten, irgendwas zu reißen", sagte er bei Sport1. "Wir waren im Meisterschaftskampf voll dabei, mussten am Wochenende aber richtig Federn lassen."

Klare Ansage auch von Naundorf, dessen Fahrer diesmal keine Rolle bei der Titelvergabe spielen: "Wir hoffen nach diesem für die BMW-Teams enttäuschenden Wochenende, dass die schon festgelegte BoP für das Saisonfinale auf dem Norisring geändert wird."