'Neue DTM', den Begriff mag Gerhard Berger nicht. Nach Ansicht des Serienchefs geht es weiter wie bisher, die DNA bleibe erhalten, nur das technische Reglement ändere sich mit den GT3-Autos. Doch mit den Class-1-Autos haben sich gleichzeitig die Hersteller Audi und BMW werksseitig aus der DTM verabschiedet. Und die Abkehr vom Werkssport bringt nicht nur Änderungen im Starterfeld mit sich.

Während Kritiker die DTM viele Jahre lang als 'Marketing-Meisterschaft' bezeichneten, sorgten die 'Premium-Hersteller' auch für das passende Umfeld. Überproportionale Markenwelten im Zuschauerbereich, Fan-Parties unterhalb der Mercedes-Tribüne oder die großzügige Übernahme von Ticket-Kontingenten verschwinden in dieser Form genauso wie die 'Truck-Parade' im Fahrerlager und die großen Hospitality-Paläste, über die sich nur diejenigen freuten, die auf einer Gästeliste standen.

Zumeist waren es Kunden, Promis und zugegeben, hin und wieder auch ein paar Journalisten. Der neugierige Blick von außen wurde durch eine so genannte 'Spionfolie' unterbunden.

Schicke Audi-Hospi in Hockenheim - Fans konnten sie von außen bewundern, Foto: Audi Communications Motorsport
Schicke Audi-Hospi in Hockenheim - Fans konnten sie von außen bewundern, Foto: Audi Communications Motorsport

Gute Ideen, die bezahlt werden müssen

Die Hersteller sind jetzt in erster Linie damit beschäftigt, dem einen oder anderen professionellen Kundenteam die berüchtigte Werksunterstützung zu bieten. Für weitere Aktivitäten rund um die DTM dürfte aktuell eher kein Geld eingeplant sein. Und es dürfte ein offenes Geheimnis sein, dass die Kassen der DTM-Dachorganisation ITR bei weitem nicht mehr so prall gefüllt sind wie sie es in der Vergangenheit schon einmal waren...

Berger stellt sich die DTM-Rennwochenenden als Erlebnis für die ganze Familie vor. Konzerte oder digitaler Motorsport schweben als Ideen im Raum. Doch das Spektakel für Jung und Alt muss genauso finanziert werden wie die Renn-Action auf und die Werbemaßnahmen abseits der Strecke...

Hersteller-Events im Fahrerlager waren meist gut besucht, Foto: Audi Communications Motorsport
Hersteller-Events im Fahrerlager waren meist gut besucht, Foto: Audi Communications Motorsport

Weniger Trucks - mehr Sicht für Fans

'Zurück zu den Wurzeln' könnte das Motto lauten und das veränderte Bild entlang der Rennstrecken bietet immerhin neue Chancen - auch für die Zuschauer, sollten sie ob des späten Saisonbeginns Mitte Juni und angesichts der anhaltenden Corona-Pandemie das eine oder andere Event vor Ort besuchen dürfen; und der ITR dringend benötigte Ticket-Einnahmen, die hoffentlich nicht in die Höhe schnellen, bescheren.

Einfache Fahrerlager-Formel: Je weniger Hersteller-Trucks, desto mehr Möglichkeiten für Fans, den Teams bei der Arbeit über die Schulter schauen zu können. Ja, und das können vor allem 'alte' DTM-Fans bezeugen, diesen tollen Service gab es schon einmal!

Die DTM und ihre berüchtigte Truck-Parade im Fahrerlager, Foto: Audi Communications Motorsport
Die DTM und ihre berüchtigte Truck-Parade im Fahrerlager, Foto: Audi Communications Motorsport

Als die DTM kostenlos war

Apropos Fans: Die älteren unter ihnen werden sich noch an die ersten DTM-Jahre mit Freude erinnern, als Tickets für ein spezielles DTM-Wochenende - wie beispielsweise beim "Bergischen Löwen" im belgischen Zolder - vom jeweiligen Veranstalter sogar 'verschenkt' respektive kostenlos an Tankstellen verteilt wurden.

Oder wie zuletzt 2018 in Spielberg und Hockenheim, als Schüler und Studenten ohne Altersbegrenzung und mit einem entsprechenden Nachweis, Freikarten kostenlos bestellen konnten. Einzige Vorschrift: Bei Jugendlichen unter 14 Jahren war die Begleitung einer Aufsichtsperson erforderlich, die ebenfalls keinen Cent für die begehrte Eintrittskarte zahlen musste.

Berger: Das ist Motorsport!

"Ich wünsche mir diese ganzen Zelte, das ist Motorsport!" sagte Berger kürzlich im ran-Podcast. "Ich habe auch nichts von diesen zweistöckigen Häusern mit schwarzen Scheiben, wo keiner reinschauen kann. Das sind nicht wir. Wir müssen zum Anfassen sein."

Ein Seitenhieb auf die sogenannten Hospitality-Burgen, in die Hersteller in erster Linie Partner und Sponsoren einluden und aufwendig und dementsprechend teuer verköstigten. Rennfahrer bekamen die vor der Tür wartenden Fans nur bei Autogrammstunden zu sehen, ansonsten standen die Chancen zuletzt besser, den eigenen Lieblings-Piloten für ein Autogramm oder Foto zwischen den Truck-Reihen abzupassen.

Berger weiß, was der geneigte Fan der DTM mit ihrer über 30-jährigen Geschichte gern hören und sehen möchte: "Wir müssen so werden, wie wir den Motorsport kennen. Du musst ihn anfassen und zusehen können. Das ist der Anspruch. Es wird so aussehen, wie die Teams auftreten - und das sind die besten, die es in der Tourenwagenszene gibt."

Ob München oder Oschersleben: Hospis waren ein Muss, Foto: LAT Images
Ob München oder Oschersleben: Hospis waren ein Muss, Foto: LAT Images

Vorbild: Formel E

Bei aller Liebe zu den Fans muss aber noch zusätzlich Geld verdient werden. Wo die Hersteller selbst wegfallen, müssen Partner aus der Industrie einspringen und entsprechend umgarnt werden. Den größten Mehrwert bietet der Motorsport hier seit jeher mit einem exklusiven Kunden-Erlebnis an der Rennstrecke. Und ob man sie mochte oder nicht, die 'Hersteller-Paläste' boten dafür in der Vergangenheit die mit Abstand beste Gelegenheit.

Weiß auch Geschäftsmann Berger, der sich in dieser Thematik ausgerechnet an der Formel E orientieren will. Die Elektro-Rennserie, gegen die der Österreicher immer wieder gerne mit einem Augenzwinkern stichelt ("Bei der Formel E erlaub' ich mir mal einen Spaß-Spruch, die wissen damit umzugehen"), setzt seit ihrem Debüt 2014 auf das Konzept einer zentralen Hospitality als Anlaufpunkt für alle Teams und Partner.

Ob im Boxengebäude auf permanenten Rennstrecken, in einem eigens errichteten Luxus-Bau oder dem schicken Hotel neben der Strecke mitten in der Stadt: Die Formel E nutzt die oft beengten Platzverhältnisse gerade in Innenstädten zu ihrem Vorteil und versammelt die wichtigsten Geldgeber unter einem Dach. Formel-E-Gründer Alejandro Agag schwört trotz des Hersteller-Booms der letzten Jahre und immer größerem Bedarf an Gästeplätzen bis heute auf dieses Konzept.

Die DTM hofft 2021 dringend auf die Rückkehr der Zuschauer, Foto: Audi Communications Motorsport
Die DTM hofft 2021 dringend auf die Rückkehr der Zuschauer, Foto: Audi Communications Motorsport

Berger: Das macht die Formel E sehr gut

"Vorher hatten die wir die Hochhäuser von Audi und BMW, die gibt es jetzt nicht mehr", sagte Berger. "Wir wollen das System umstellen auf eine zentrale Hospi. Das macht die Formel E sehr gut, das muss auch unser Weg sein."

Eine augenscheinlich sinnvolle Lösung für die DTM, da sich die meisten privaten Kundenteams den Aufbau eines eigenen Gästebereichs kaum leisten können. Dabei muss Berger aufpassen, dass die Eintrittspreise für die zentrale Hospitality nicht komplett in die Höhe schießen. Bei Formel-E-Rennen wie in Zürich 2018 wurden schon die Ein-Tages-Tickets unter der Hand gern mal für über 2.000 Euro gehandelt...

Nach zehn Jahren DTM nicht mehr dabei: Reifenlieferant Hankook, Foto: Hankook
Nach zehn Jahren DTM nicht mehr dabei: Reifenlieferant Hankook, Foto: Hankook