Rast vs. Müller: Die Ausgangslage

Die Titelentscheidung in der DTM-Saison 2020 fällt beim Finale auf dem Hockenheimring. Rene Rast hat die erfolgreiche Titelverteidigung in seinen eigenen Händen. Dazu müsste er 'nur' in beiden Qualifyings und beiden Rennen wenigstens Zweiter werden - dann wäre ihm die dritte Meisterschaft nach 2017 und 2019 nicht mehr zu nehmen, ganz gleichgültig wie seine verbliebenen Rivalen Nico Müller und Robin Frijns vom Audi Sport Team Abt Sportsline abschneiden.

Müller hat 19 Punkte Rückstand, Frijns 41 Zähler. Maximal zweimal 25 Zähler je Sieg sind noch zu vergeben - drei weitere je Pole-Position. Aus eigener Kraft kann keiner der beiden Kandidaten ausreichend Punkte gutmachen, nur 16 sind bei voller Ausbeute in den beiden Hockenheim-Rennen gegenüber dem theoretisch jeweils Zweitplatzierten maximal möglich. Als Duo jedoch, ließe sich das Blatt durchaus aus eigener Kraft wenden - etwa, wenn die Äbte jeweils die beiden Top-Platzierungen in Qualifyings und Rennen sichern und Nico Müller dabei jeweils den Spitzenplatz einnimmt.

Rast vs. Müller: DTM-Direktvergleich 2020

StatistikRene RastNico Müller
Rennen1616
Siege65
Podestplätze1111
Pole Positions53
1. Startreihe87
Schnellste Runden55
Führungsrunden174161
Punkte304285

Rast vs. Müller: Hockenheim-Vergleich

Rene Rast und Nico Müller versichern unisono, dass ihnen der Hockenheimring aus fahrerischer Sicht gut liegt. Die beiden Audi-Piloten und grundsätzlich alle deutschsprachigen Rennfahrer kennen den badischen Traditionskurs wie ihre Westentasche. Parabolika samt Spitzkehre, Mercedes-Arena, Sachskurve und Motodrom sind die berühmten Abschnitte auf dem 4,574 Kilometer langen Kurs. Die schnellste Kurve wird mit rund 190 km/h durchfahren, die langsamste Ecke mit nur 55. Etwa 44 Mal wechseln die Fahrer pro Runde den Gang.

Für Rast war der Hockenheimring in den vergangenen Jahren ein gutes Pflaster: Der Audi-Pilot gewann vier der letzten sechs Rennen und siegte erstmals beim Saisonfinale 2018. Bei 14 DTM-Starts in Hockenheim seit 2016 stand Rast insgesamt sechs Mal auf dem Podium, erstmals beim Saisonfinale 2017 auf dem Weg zur ersten Meisterschaft.

Titelrivale Müller blickt auf 22 DTM-Starts seit 2014 auf dem Hockenheimring zurück. Die Bilanz des Schweizers ist schlechter als Rasts, ein Sieg ist ihm aber auch schon gelungen. 2019 - dem bis dato letzten Rennen in Hockenheim - stand Müller beim Saisonfinale ganz oben auf dem Podium. Zwei weitere Male fuhr er auf das Podest, erstmals beim Saisonstart 2016.

Hockenheimring: Track Facts

HockenheimringWerte
Streckenlänge4,574 km
Kurvenanzahl17 (im Uhrzeigersinn)
Schnellste Kurve190 km/h (Ravenol-Kurve)I
Langsamste Kurve55 km/h (Spitzkehre)
Topspeed291 km/h
Gangwechsel pro Runde44
DTM-Rundenrekord1:30.401 Minuten (Pietro Fittipaldi 2019)
DTM-Streckenrekord1:28.972 Minuten (Philipp Eng 2019)
BesonderheitenHohes Überhol-Potenzial, Teams aussortiert
Belastung für Hankook-ReifenStark

DTM in Hockenheim: Die Hankook-Reifen

Der richtige Umgang mit den Hankook-Reifen spielte in der DTM-Saison 2020 oftmals die rennentscheidende Rolle. Hockenheim gehört für den Reifenlieferanten jährlich zu den größten Herausforderungen im Rennkalender. Vor allem die Konstruktion des Hankook-Rennreifens wird auf dem Hockenheimring mit seinen schnellen, überhängenden Kurven und den hohen, scharfkantigen Kerbs stark belastet.

"Auf der abwechslungsreichen Hochgeschwindigkeits-Strecke ist ein ausgewogenes Fahrzeug-Setup nötig, mit dem man in den schnellen Passagen Top-Speed erreicht und aus den langsameren Abschnitten mit der guten Traktion des Ventus Race optimal herausbeschleunigen kann. Die Piloten sollten zudem nicht zu oft mit großer Geschwindigkeit über die hohen Randsteine fahren, um keinen vorzeitigen Reifen-Verschleiß zu riskieren", so Hankooks verantwortlicher DTM-Renningenieur Thomas Baltes.

DTM 2020: Hankook-Reifen im Fokus - Blick hinter die Kulissen: (02:07 Min.)

DTM Hockenheim: Das Setup

Der Hockenheimring erlaubt zwei unterschiedliche Herangehensweisen an die Fahrzeugabstimmung. Entweder setzt man auf hohen Top-Speed durch weniger oder auf hohe Kurvengeschwindigkeiten durch deutlich mehr aerodynamischen Anpressdruck. Der ebene Asphalt und die flachen Randsteine des Hockenheimrings erlaubt zudem niedrige Bodenfreiheiten der Fahrzeuge. Experten erwarten einen Vollgas-Anteil von rund 74 Prozent. Der Einsatz der Überhilfen DRS und Push-to-Pass wird im Rennen pro Runde mit einem Vorteil von rund sieben Zehntelsekunden geschätzt.

Die wichtigste Aufgabe wird es am kommenden Wochenende sein, den Hankook-Rennreifen schnell in das optimale Temperarturfenster von 90 bis 110 Grad zu bringen. Thomas Baltes: "Die Fahrzeug-Abstimmung spielt eine wichtige Rolle, um den Ventus Race schnell zum Arbeiten zu bringen. Die Piloten müssen nach dem vorgeschriebenen Reifenwechsel sehr vorsichtig sein, um mit den kalten Reifen, die nicht vorgeheizt werden dürfen, keinen Ausritt zu riskieren. Da sind fahrerisches Können und Geduld gefragt, denn es kann eine Weile dauern, bis der Ventus Race auf kaltem Asphalt sein optimales Grip-Level erreicht."

Das Wetter in Hockenheim

Das späteste Finale in der Geschichte der DTM wurde am 28. November 2010 in Shanghai ausgetragen - Anfang November wird es in Hockenheim allerdings deutlich kühler. Während der Trainings am Freitag (13:00-13:45 Uhr & 16:20-16:50 Uhr) bleibt es trocken und sonnig bei Temperaturen von maximal zehn Grad.

Ähnliche Witterungsverhältnisse werden am Samstag zum Qualifying (10:30-10:50 Uhr) und im Rennen (13:30-14:40 Uhr) erwartet. Der letzte Renntag 2020 birgt eine gewisse Würze: Während des Qualifyings und beim Rennen ist der Himmel bei maximal 8 Grad durchgängig bewölkt, die Regenwahrscheinlichkeit liegt aktuell bei 20 Prozent.

Foto: DTM
Foto: DTM

Hockenheim: DTM-Rundenzeiten und Topspeeds

Beim DTM-Finale in Hockenheim können die Turbo-Autos ein letztes Mal zeigen, wozu sie im Stande sind, bevor sie ins Hersteller-Museum oder in die Hände zahlungskräftiger Käufer wandern. Den Streckenrekord hält Philipp Eng. Der BMW-Fahrer benötigte beim Saisonauftakt 2019 im Qualifying 1:28.972 Minuten für seine schnellste Runde. Zuvor war 2017 der damalige BMW-Pilot Tom Blomqvist die schnellste Qualifying-Runde in 1:30.491 Minuten gefahren. Damit war Blomqvist ganze 1,519 Sekunden langsamer als Eng zwei Jahre später an gleicher Stelle mit einem Turbo-Rennwagen.

Auch im Renn-Trim waren die Vierzylinder-Turbos der V8-Generation deutlich überlegen. Den Rundenrekord auf dem Hockenheimring hält der ehemalige Audi-WRT-Pilot Pietro Fittipaldi mit einer 1:30.401 - 2,055 Sekunden schneller als Rekord-Vorgänger Jamie Green 2017.

Die Höchstgeschwindigkeit der Saison 2019 erreichte Mike Rockenfeller während der zweiten Runde im Sonntagsrennen beim Auftakt in Hockenheim: 291 km/h zeigte der Tachometer seines Audi RS 5 am Ende der Parabolika an. Beim Saisonfinale an gleicher Stelle erreichte Markenkollege Pietro Fittipaldi immerhin 290 km/h, beide mit Unterstützung des DRS-Klappflügels. In der laufenden Saison 2020 fiel in Spa-Francorchamps erstmals die 300-km/h-Marke.

DTM in Hockenheim: Die Historie

Beim Finale trägt die DTM ihren Rennen 95 und 96 in Hockenheim aus. Keine andere Rennstrecke kann auf mehr verweisen. In 34 Jahren DTM stellte der Hockenheimring Baden-Württemberg nur sechs Mal nicht den Austragungsort für das DTM-Saisonfinale. In den Gründungsjahren 1984, 1985 und 1986 trug die Serie ihr letztes Rennen auf dem Nürburgring aus. 1987 folgte einmalig der Salzburgring in Österreich als Saisonfinale.

Mit nur einer Ausnahme (Shanghai 2010) stiegen das erste sowie das letzte Rennen einer Saison seit der Gründung der Neuen DTM im Jahr 2000 stets auf der badischen Traditionsstrecke. 2020 erfolgte ein Bruch mit der Tradition: Der Auftakt fand zum ersten Mal im belgischen Spa-Francorchamps statt.

Foto: LAT Images
Foto: LAT Images

Hockenheim-Vorschau: Stimmen der Titelkandidaten

Rene Rast: "Ich bin es ja die letzten drei Jahre fast schon gewohnt, in der DTM um den Titel zu fahren - 2017 und 2018 ging es auch jeweils in den letzten Rennen in Hockenheim um den Meisterpokal. Von dem her eigentlich ganz entspannt. Ich muss diesen dritten Titel nicht mit aller Gewalt einfahren. Wenn er kommt, dann ist es mega, dann freue ich mich irre. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich sage: Den brauche ich unbedingt und ohne den geht's nicht. Ich guck, was da passiert."

Nico Müller: "Volle Attacke! Wir starten das erste Mal in dieser Saison in der Verfolgerrolle in ein Wochenende. Sonst waren wir immer die Gejagten. Klar würde ich lieber mit einem Vorsprung zum Finale reisen. Aber ich glaube, es hat auch etwas Positives. Es gibt nur eine Richtung. Man kann voll angreifen und einfach alles geben, um das Ding nochmal umzudrehen. Das wird nicht einfach, aber wir haben noch eine sehr gute Chance. Zwei starken Leistungen, wie wir sie sechs der acht DTM-Wochenenden abliefern konnten, werden uns sicherlich noch einmal in die Lage bringen, Rene stark unter Druck zu setzen. Und bei einem Finale kann alles passieren."

Robin Frijns: "Ich habe nichts zu verlieren. Der dritte Platz in der Meisterschaft ist mir schon sicher. Also gehe ich all-in und schaue, was passiert."