Was für ein unglaubliches Nachtrennen der DTM in Misano! Rookie Joel Eriksson gewinnt dank einer perfekten Reifen-Strategie sein erstes Rennen in der Tourenwagenserie. Der BMW-Rookie legte seinen Boxenstopp bei einsetzendem Regen zum richtigen Zeitpunkt ein und fuhr später mit knapp vier Sekunden Vorsprung über die Ziellinie.

"Das war ein hartes Rennen", sagte Eriksson, nach Pascal Wehrlein der zweitjüngste DTM-Sieger aller Zeiten. "Es ging erst mal nur darum, zu überleben. Als dann der Regen einsetzte, war es schwierig, auf der Strecke zu bleiben, bis ich dann zum Reifenwechsel an die Box kam."

Vom Regen-Chaos profitierten neben Eriksson auch Edoardo Mortara, Rene Rast, Robin Frijns und Gaststarter Alex Zanardi. Die vier Piloten zögerten ihren Pflichtboxenstopp lange Zeit hinaus, während der Rest des Feldes früher nach Start auf Regenreifen auf Slicks gewechselt war - bis der Regen stärker wurde und dadurch alles auf den Kopf stellte.

Hinter dem Überraschungs-Sieger Eriksson überquerte Mercedes-Pilot Edoardo Mortara die Ziellinie schließlich als Zweiter und sammelte seinen zweiten Podestplatz nach P3 am Samstag. Meister Rene Rast komplettierte das Podium eines völlig verrückten Rennens als Dritter.

Zanardi gelingt die Sensation

Hinter Robin Frijns (Audi) gelang BMW-Gaststarter Alex Zanardi die große Sensation: Der 51-Jährige beendete das Rennen auf dem fünften Platz! Als Gastfahrer kann er keine Punkte sammeln, doch mit solch einer Leistung vor heimischem Publikum hätte niemand gerechnet. Der frühere Formel-1-Fahrer war mit einem speziell umgebauten BMW am Start und fuhr zum ersten Mal ohne seine Beinprothesen.

"Das nehme ich gern mit", sagte Zanardi mit einem großen Grinsen im Gesicht. "Ich habe ja nicht mehr so viele Möglichkeiten. Ich hatte ein bisschen Glück, aber mein Speed war zeitweise sehr gut. Ich habe es genossen und komme vielleicht noch mal für Taxi-Fahrten zurück in die DTM. Ich habe das Wochenende sehr genossen. Toll, dass BMW mir trotz aller Hürden das Vertrauen geschenkt hat. Es ist ein Privileg für mich, das tun zu dürfen. Ich werde für den Rest meines Lebens an dieses Erlebnis denken."

Der neue Meisterschaftsführende Paul Di Resta, Pole-Setter Loic Duval und Jamie Green komplettierten die Top-8. Der bisherige Gesamtführende Gary Paffett wurde nach einem schwierigen Wochenende nur 14. und verlor die Spitze an Mercedes-Kollege Di Resta. Paffett angefressen: "Im Rennen heute ist vieles falsch gelaufen. Wir müssen uns die Entscheidungen, die wir getroffen haben, genau anschauen. Wir wollten Punkte holen, aber das hat nicht geklappt."

BMW Motorsportdirektor Jens Marquardt kam aus dem Schwärmen kaum noch raus: "Ich bin unglaublich stolz auf Joel. Herzlichen Glückwunsch zum ersten DTM-Sieg! Mit 20 Jahren ist er der zweitjüngste DTM-Sieger aller Zeiten. Das werden wir nun feiern. Dass Alex Zanardi im gleichen Rennen mit seinen 51 Jahren Fünfter wird, ist einfach unglaublich. Er hat das gesamte Wochenende über einen großartigen Job gemacht. Nachdem wir gestern für unsere mutige Strategie nicht belohnt wurden, haben wir heute das Quäntchen Glück auf unserer Seite gehabt. Eigentlich sollte es im Rennen überhaupt nicht mehr regnen. Aber mit dieser Vorhersage haben alle daneben gelegen. So wurde es ein ziemlich chaotisches Rennen - mit gutem Ausgang für uns."

Die Meisterschaft: Paul Di Resta übernimmt die Führung in der Gesamtwertung, nachdem Gary Paffett in beiden Misano-Rennen leer ausging. Der Schotte hat nach 14 von 20 Rennen 186 Punkte auf dem Konto. Paffett bleibt bei 177 Punkten und fällt auf den zweiten Platzb zurück. Mit Edoardo Mortara führen drei Mercedes-Piloten die Tabelle an. Der Italo-Schweizer erzielte in Misano zwei Podestplätze und hat nun 138 Zähler. Marco Wittmann (BMW) belegt den vierten Gesamtplatz mit 112 Punkten. Bester Audi-Pilot ist weiter der amtierende Meister Rene Rast (93 Punkte) auf P7.

So lief das Rennen am Sonntag

Die Startaufstellung: Sensation vor dem Rennen: Loic Duval erzielte seine erste Pole Position in der DTM. Gleichzeitig beendete der Franzose gleich drei Serien: Die beiden Rekorde von Mercedes (Neun Poles in Serie und elf während der laufenden Saison) sowie die fast einjährige Durststrecke seines Arbeitgebers Audi. Die Mercedes-Piloten Edo Mortara und Daniel Juncadella sowie Mike Rockenfeller im Audi belegten die Startplätze zwei bis vier. BMW-Gaststarter Alex Zanardi startete vom letzten Platz.

Der Start: Pole-Setter Loic Duval wurde von der schlechten Seite direkt vom Mercedes-Duo Edo Mortara und Daniel Juncadella aufgeschnupft und fiel auf den dritten Platz zurück. Timo Glock gelang ein Blitzstart vom neunten bis auf den vierten Platz. Mit Rene Rast und Nico Müller fuhren insgesamt drei Audi-Fahrer zum Ende der ersten Runde in den Top-6. Und das, obwohl sich Rast in der Startphase auf der Strecke drehte - der Audi-Fahrer hatte aber Glück und verlor kaum Zeit.

Der Re-Start zur 16. Runde: Die Rennleitung verzichtete aufgrund der nassen Verhältnisse auf den Indy-Style-Restart. Mortara, Rast, Frijns und Alex Zanardi führten das Feld an, weil sie als einzige Fahrer noch keinen Pflicht-Boxenstopp absolviert hatten.

Noch besser lief es für Joel Eriksson, der auf Platz fünf lag - aber kurz vor dem Safety Car seinen Pflicht-Boxenstopp absolviert hatte. Der Rest des Feldes hatte nach Start auf den Regenreifen zwischenzeitlich auf Slicks und dann wieder zurückgewechselt. Augusto Farfus knallte nach dem Re-Start nach Kontakt mit Nico Müller in die Mauer.

Die Boxenstopps: Marco Wittmann legte als einziger Fahrer schon in der ersten Runde seinen Pflicht-Boxenstopp ein und wechselte von Regenreifen auf Slicks. In Runde 3 folgten mit Timo Glock und Augusto Farfus zwei weitere BMW-Piloten. Auch Mike Rockenfeller ließ bei seinem Audi Slick-Reifen aufziehen.

In Runde 4 ging es munter weiter mit dem Reifenwechsel-Reigen, als Gary Paffett und die BMW-Piloten Bruno Spengler und Philipp Eng die Box ansteuerten. Einen Umlauf später folgten Lucas Auer (Mercedes) und Jamie Green (Audi). Die Mercedes-Fahrer Pascal Wehrlein und Daniel Juncadella sowie Nico Müller (Audi) folgten in der 6. Runde.

Dann wurde es spannend! In Runde 9 begann es plötzlich wieder stärker zu regnen. BMW-Pilot Joel Eriksson steuerte um gehend die Box zum Pflicht-Boxenstopp auf Regenreifen an. Zu diesem Zeitpunkt fuhren Mortara, Rast, Frijns und Zanardi als einzige Fahrer noch auf ihren Regenreifen. Mit Ausnahme von Juncadella, Green und Auer steuerte das gesamte restliche Feld umgehend die Boxengasse an und wechselte wieder zurück auf die Regenreifen.

Alex Zanardi legte in Runde 18 seinen Pflicht-Boxenstopp ein und kehrte als Fünfter hinter BMW-Kollege Joel Eriksson auf die Strecke zurück. Rene Rast wechselte in Runde 23 erstmals die Reifen und ordnete sich zwischen Eriksson und Zanardi auf der Strecke ein. Edo Mortara folgte in Runde 25 und sortierte sich auf Platz drei hinter Frijns und Eriksson ein. Der Niederländer absolvierte seinen Pflicht-Boxenstopp als Letzter in Runde 29.

Die Zwischenfälle: Daniel Juncadella geriet in Runde 9 nach dem einsetzenden Regen mit seinen Slicks in arge Schwierigkeiten. Der Spanier rutschte nur so mit seinem Mercedes über die Strecke und drehte sich mehrfach.

In Runde 12 rückte das Safety Car aus, nachdem Lucas Auer ins Kiesbett gerasselt war und zunächst aus eigener Kraft nicht auf die Strecke zurückkehren konnte. Während der SC-Phase konnte sich der Österreicher doch noch befreien und die Boxengasse ansteuern. Kurz zuvor hatte Joel Eriksson seinen Pflicht-Stopp absolviert und wieder Regenreifen aufziehen lassen. Zu diesem Zeitpunkt hatten Mortara, Rast, Frijns und Zanardi als einzige Fahrer noch keinen Boxenstopp eingelegt, während der Rest des Feldes zuvor auf die Regenreifen zurückgewechselt war.

In Runde 18 erwischte Daniel Juncadella seinen Mercedes-Kollegen Gary Paffett am Heck und drehte das Auto des Briten herum. Die Rennleitung verzichtete auf eine Bestrafung.

Die Ausfälle: Lucas Auer stellte seinen Mercedes ab, nachdem er in Runde 12 ins Kiesbett gerutscht war. Zwar konnte sich der Österreicher nach einer Weile selbstständig befreien und an die Box retten, doch sein Auto hatte vermutlich einen zu starken Schaden für eine Weiterfahrt erlitten.