Der Unfall zwischen dir und Gary Paffett am Norisring gehört zu den 'Highlights' der DTM-Saison 2017. Wie siehst du das rückblickend?
Als ich die TV-Bilder zum ersten Mal gesehen habe, fand ich das nicht so dramatisch. Klar, wenn man die Aufprallwerte hört und ich ja auch den Knall im Auto - das ist schon heftig, wenn da 1,1 Tonnen draufkrachen. Da ich aber keine Kopfschmerzen hatte, war das für mich nichts Dramatisches. Die größte Einschränkung war der Fuß. Im Sommer wollte ich mit meinem älteren Sohn Fußball spielen, aber solche Sachen gingen ja nicht.

Welche Gedanken gingen dir nach dem Crash durch den Kopf?
Im ersten Moment im Krankenhaus habe ich gedacht, dass die Saison gelaufen ist. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich beim nächsten Rennen in Moskau fahren würde. Als mir die Ärzte gesagt haben, dass der Fuß gebrochen ist, dachte ich: "Puh, das wird aber nicht leicht mit dem Rennfahren in drei Wochen..."

Wie hat deine Familie auf den Unfall reagiert?
Meine Familie war im ersten Moment natürlich geschockt. Ich habe aber noch aus dem Krankenwagen heraus meine Frau angerufen und gesagt, dass der Fuß vermutlich gebrochen ist, alles andere aber okay sei. Klar war da erst mal ein Schock nach dem Unfall, aber das ist doch auch normal. Das war einer der blödesten Unfälle, die man auf so einer Strecke haben kann. Mit einem anderen Auto wäre das wohl ganz anders ausgegangen... Aber zum Glück sind die DTM-Autos wirklich sicher.

Du warst eine Zeit lang der 'Fuß der Nation'. Wie war die Berichterstattung zur Verletzung aus deiner Sicht?
Ob Leute über mich reden oder nicht, ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal. Am Ende möchte ich Erfolg für mich selbst haben, das macht am meisten Spaß. Natürlich stehe ich lieber im Fokus, wenn ich Erfolg habe als wegen einer Verletzung. Das gehört aber auch dazu. Natürlich gehört auch immer ein Stück weit Sensationslust dazu, wenn sich die Leute ein Rennen anschauen. Das war schon immer so und das ist auch in Ordnung. Das war ja auch nicht der erste Unfall meiner Karriere. Über den Crash in Le Mans 2011 wurde länger berichtet.

Du bist beim folgenden Rennen in Moskau mit Krücken aufs Podium gehumpelt. Wohl eines der besten Bilder des Jahres in der DTM.
Mir war klar, dass ich mit Krücken in Moskau bin, weil ich ohne nicht laufen konnte und den Fuß nicht belasten wollte. Dann war später die Frage, ob ich mit Krücken aufs Podium gehe oder nicht. Ich bin ja nicht so der Schauspieler und die drei Schritte bis aufs Podium hätte ich auch so gehen können. Aber ich hatte im Vorfeld mit meinen Mechanikern ein bisschen gewitzelt. Die meinten: 'Wenn du aufs Podium fährst, dann nimmst du die Krücken aber mit und zeigst sie uns von da oben!' Deshalb habe ich das gemacht. Es war am Ende einfach eine witzige Geschichte.

Ohne die Krücken wäre dein Podesterfolg vermutlich nicht so sehr beachtet worden, oder?
Klar, das wäre anders gewesen, wenn ich davor den Unfall nicht gehabt hätte. Dann hätte man nur gesagt: 'Ah, der Rocky ist aufs Podium gefahren'. So ein bisschen Drama und ein bisschen Heldentum gehört doch dazu. Das ist ja auch cool. Ich glaube aber, dass es vielen Leuten schwerfällt, einschätzen zu können, was es wirklich bedeutet, in der DTM mit dem anderen Fuß zu bremsen.

Heben solche Helden-Stories den Motorsport von anderen Sportarten ab?
Früher war das noch viel, viel krasser durch die dramatischen Unfälle und leider auch viele Tragödien. Dadurch wurden die Fahrer mehr als Helden angesehen. Da wir heute - glücklicherweise - in sicheren Autos sitzen, geht das ein Stück weit verloren. Die Leute sagen: 'Der fährt schnell Auto, aber eigentlich passiert nicht so viel'. Früher klang es eher so: 'Wow, der fährt so schnell in einem Auto, mit dem so viel passieren kann!' Am Ende machen wir immer noch das gleiche, nur mit sicheren Autos. Unfälle gibt es immer wieder, zum Glück meist ohne schwere Verletzungen. Ich glaube, das macht unseren Sport schon aus. Der Unfall am Norisring gehört definitiv auch zur Geschichte der Saison 2017 - mal sehen, wie sie endet. Aber egal, wo ich letztendlich lande: Nach der Nummer ist eigentlich eh schon alles positiv. Es war ja überhaupt nicht mehr abzusehen, dass ich noch mal in den Titelkampf eingreife.

In unserer letzten Ausgabe haben wir in einem Kommentar neben dem Unfall-Foto getitelt: "Es darf auch mal wehtun." Was sagst du dazu?
Eine 100-prozentige Garantie für Sicherheit gibt es eh nicht. Wenn ich wählen könnte, würde ich natürlich sagen, dass sich kein Rennfahrer wehtun soll oder sogar sein Leben lassen muss. Das ist ja das Ziel und wir sind auch nah dran. Ich denke schon, dass die Leute hin und wieder mal einen Unfall sehen wollen. Das gehört ja auch dazu im Motorsport. Ich glaube aber nicht, dass es für die Leute ein Unterschied gewesen wäre, ob ich mir den Fuß breche oder nicht. Man kann darüber streiten, ob das mehr Emotionen in den Menschen auslöst. Wehtun bedeutet ja, dass es wieder verheilt. Das ist okay. Aber das kannst du nie wissen.

Das heißt?
Bei so einem Unfall kannst du dir zum Beispiel am Nacken so wehtun, dass du nicht mehr aussteigst. Ist das dann zu viel oder gehört das auch zum Motorsport dazu? Das ist ein schmaler Grat. Für mich gehören Unfälle selbstverständlich dazu, weil ich mir in meinem Sport schon öfter wehgetan habe. Ich finde das auch nicht dramatisch. Trotzdem bin ich happy, dass ich meine Unfälle nicht vor 20 Jahren hatte - dann würde ich jetzt wohl nicht mehr hier sitzen. Ich will aber nicht sagen, dass die Fahrer damals verrückt waren. Die sind eben mit den Sicherheitsstandards gefahren, die es damals gab.

Wie fühlt es sich heutzutage an?
Natürlich fährst du heute mit anderen Gedanken. Du hast nicht mehr das Gefühl, dass das dein letztes Rennen sein könnte. Früher war es oft dramatischer. Solche Geschichten wie am Norisring gehören dazu und sind auch spektakulär anzuschauen. Das Bild in eurem Magazin sieht ja schon cool aus, wenn ich das aus der Fan-Perspektive betrachte.

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