Die Abschaffung des Erfolgsballasts kurz vor dem Ende der DTM-Saison 2017 war ein echter Knaller gewesen, mit dem kaum jemand gerechnet hatte. Endlich waren die leidigen Zusatzgewichte verschwunden. Audi dominierte das anschließende Rennwochenende in Österreich nach Belieben und sicherte sich beim Saisonfinale in Hockenheim alle drei Meisterschaften. Damit wurde auch dem Letzen klar, dass die Ingolstädter wieder einmal das beste Auto gebaut hatten.

Nun sind alle DTM-Autos seit Anfang 2017 für zwei Jahre eingefroren, dürfen also nicht weiterentwickelt werden. Ein echtes Dilemma für die Serie, in der Chancengleichheit großgeschrieben wird. Beziehungsweise für die Serie, in der keiner der drei Hersteller ein echter Verlierer sein darf. Was also tun vor der Saison 2018? Würden sich die Autos nicht ändern, wäre Audi mit seinem starken RS 5-Rennwagen weiter im Vorteil.

Radkästen werden vereinheitlicht

Und ohne die leidigen Zusatzgewichte würde sich an dieser Hackordnung vermutlich nicht allzu viel ändern. Grund genug für BMW an erster Stelle, für das kommende Jahr auf eine Änderung zu pochen. Namentlich: weitere Einheitsbauteile, die Unterschiede zwischen den Autos in der Aerodynamik weiter reduzieren sollen. Konkret geht es um die Radkästen, die unter dem aktuellen Reglement die größten Freiheiten für Ingenieure zuließen.

Die Radkästen brachten Audi in diesem Jahr den größten Vorteil. Bei Autos mit geschlossenen Rädern haben insbesondere die hinteren Radkästen einen immensen Einfluss auf den Luftstrom in Richtung Heck-Diffusor. Audi ist es beim RS 5 DTM gelungen, ein aerodynamisch ausgeklügeltes Konzept zu entwickeln, das den meisten Abtrieb bringt. Wichtiger Nebeneffekt: Durch die optimale Aerodynamik fiel es Fahrern leichter, die Reifen ins richtige Arbeitsfenster zu bringen und sie in diesem zu halten.

BMW setzt Seitenhieb gegen Audi

Kurz vor Hockenheim hatte BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt sich für eine weitere Vereinheitlichung von Teilen und einer reduzierten Aerodynamik ausgesprochen - und gleichzeitig in Richtung Audi geschossen. "Die Rolle der Serie kann nicht darin liegen, dass sie für einen Hersteller als LMP1-Ersatz dient", sagte Marquardt in einem von BMW veröffentlichten Interview, in dem er auf den Ausstieg von Audi aus der WEC anspielte. "Ein Wettrüsten muss unbedingt verhindert werden - und das findet nun einmal zu großen Teilen in der Aerodynamik statt."

Immer wieder wurde Audi vorgeworfen, Ressourcen aus der Langstrecken-Weltmeisterschaft in das DTM-Projekt investiert zu haben. Oder wie es Marquardt formulierte: "Es darf nicht mehr möglich sein, etwa durch den Einsatz von in anderen Rennserien freigewordenen Ressourcen das System auszuhebeln."

BMW hatte sich - wohl wissentlich um den Performance-Nachteil - lange Zeit gegen die Abschaffung der Zusatzgewichte gewehrt. Später hatte Audi sein Veto eingelegt, weil die Ingolstädter nicht auf die Forderung von BMW eingehen wollten, die Radkästen zu vereinheitlichen. Vor dem vorletzten Rennen in Spielberg wurde schließlich ein Kompromiss gefunden, weil Audi einlenkte - und damit riskierte, seinen Aero-Vorteil für 2018 einzubüßen.

Das sagt Audi zum BMW-Statement

Über den Winter werden die standardisierten Radkästen vermutlich eingeführt werden. Bis sich Audi, BMW und auch Mercedes auf eine Lösung verständigen, wird aber wohl noch einige Zeit vergehen. "Man macht es sich auch ein bisschen einfach, wenn man immer nur auf die Aerodynamik einhaut", wehrte sich Audi-Motorsportchef Dieter Gass in Hockenheim. "Da habe ich überhaupt kein Verständnis für. Wenn ich mal in die Entwicklung reinschaue, was die Motoren- und was die Aero-Entwicklung kostet, dann würde ich eigentlich fast lieber die Aerodynamik entwickeln."

Statt weitere Einheitsbauteile einzuführen, würde Audi eine Öffnung des eingefrorenen Reglements bevorzugen. So kann der Hersteller seinen Aero-Vorteil eventuell erhalten. Die Möglichkeit, erneut an der Aerodynamik herumzuschrauben, würde allerdings zu weiteren Kosten führen. Das wollen die Hersteller und auch ITR-Chef Gerhard Berger vermeiden. Einheitsteile wären demnach die günstigste Alternative.

Sorge vor Gewichts-Verlust

Aber: Was passiert, wenn 2018 einer der drei Hersteller erneut einen Nachteil hat und mit seinen sechs Autos hinterherfährt? Die Performance-Gewichte fallen als ausgleichendes Element weg... "Es ist gut, dass die Gewichte erst mal weg sind", sagte Gass. "Aber die haben schon ein Stück weit verhindert, dass einer wegläuft. Da gibt es aktuell keine Lösungsansätze, wie so etwas nächstes Jahr gehandhabt werden könnte, wenn es auftritt. Aber natürlich ist die Wahrscheinlichkeit geringer, wenn man Einheitsbauteile hat."

So nervig die Performance-Gewichte auch waren, im Grundsatz sorgten sie für einen annähernd fairen Wettbewerb unter dem Banner der mehrjährigen Homologation. Nur: Hersteller missbrauchten das Gewichte-System, indem sie taktisch fahren ließen und ihre Autos sogar einbremsten, um Gewicht ausladen zu dürfen. Dies führte erst zu den Diskussionen, die die Saison 2017 überschatteten.

"Ob das natürlicher Wettbewerb ist oder nicht, steht auf einem anderen Blatt", sagte Mercedes-Teamchef Uli Fritz. "Aber sie haben ihren Zweck erfüllt, dass die Meisterschaft lange spannend blieb. Wir haben nicht wie in der Formel 1 nur zwei Autos, die vorne wegfahren. Wir hätten sechs Autos und das über Jahre hinweg - und das will niemand sehen. Deshalb brauchen wir eine Variante, wie man sich in der Performance weniger unterscheidet."

Mercedes sicher: Risiko ist überschaubar

Fritz glaubte, dass der Bau eines Einheits-Radkastens für alle drei Hersteller keine Raketenwissenschaft sei. Gleichzeitig kann Mercedes angesichts des bevorstehenden DTM-Ausstiegs ohnehin kein Interesse daran haben, Unsummen für den Bau neuer Teile auszugeben. Zu einer Vereinheitlichung der Radkästen sagte Fritz: "Das ist ein Risiko, ohne Frage. Aber das Risiko ist überschaubar, weil wir doch ziemlich genau wissen, wie die Autos bei den drei Herstellern funktionieren. Wir haben auch eine gute Vorstellung davon, wodurch die Unterschiede geschaffen werden."

Gerhard Berger, dem die Abschaffung der Gewichte durch seinen unermüdlichen Einsatz hauptsächlich zu verdanken ist, blieb angesichts der heiklen Thematik eher gelassen. Beim Finale in Hockenheim sagte er einer kleinen Gruppe Journalisten, zu denen auch Motorsport-Magazin.com gehörte: "Es gibt noch ein paar Modifikationen, die mit ein wenig Glück alle wieder auf ein Niveau bringen sollen. Dann sind die Ingenieure und Fahrer wieder gefordert." Da bleibt nur, der DTM auf dem Weg in die Saison 2018 viel Glück zu wünschen...

Immer mehr Einheitsteile in der DTM

Um die Kosten im Zaum zu halten und für Chancengleichheit zu sorgen, hielten im Laufe der Jahre immer mehr Einheitsteile Einzug in die DTM. Die Radkästen könnten die nächsten Teile in einer langen Liste werden, die 2017 noch einmal signifikant verlängert worden war. Frontsplitter, Unterboden und Heckdiffusor wurden vereinheitlicht. Stoßdämpfer, Stabilisatoren, Dreieckslenker, Radträger, Radnaben und Radmuttern wurden ebenfalls für Audi, BMW und Mercedes einheitlich vorgeschrieben.