Beim DTM-Rennwochenende auf dem Nürburgring war ein bestens bekanntes Gesicht im Fahrerlager unterwegs: Timo Scheider. Der zweifache Champion stattete seiner ehemaligen sportlichen Heimat einen Besuch ab und saß beim Sonntagsrennen als TV-Experte am ARD-Mikro. Wir trafen den heutigen BMW-Piloten und Rallycross-Fahrer zum exklusiven Interview.

Timo, Hand aufs Herz: Vermisst du die DTM?
Timo Scheider: Momentan geht's mir ohne DTM sehr, sehr gut. Ich war aber auch froh, mal wieder da zu sein und ein paar alte Gesichter zu sehen. Das war 16 Jahre lang meine Heimat. In irgendeiner Form werden die Emotionen für die DTM immer da sein, keine Frage. Trotzdem fühle ich mich in meiner neuen Rallycross-Welt mega-wohl, deshalb vermisse ich gerade gar nix.

Kurz nach deinem DTM-Aus sah die Sache etwas anders aus.
Timo Scheider: Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich darüber nachdenke... Vor knapp einem Jahr war ich am Boden zerstört, alles war eine Katastrophe. Und dann komme jetzt hier an den Nürburgring und die Leute fragen, wie es mir geht. Die Standard-Antwort wäre: Alles okay. Aber ich sage: Mir geht's mega-geil! Ich hab' Spaß an meinem Job, ich habe einen tollen Partner mit BMW, ich bin bester Privatfahrer in der Rallycross-Weltmeisterschaft und lache den ganzen Tag im Fahrerlager. Auch das Projekt auf Mallorca läuft toll, die Rallycross-Strecke entsteht und wir haben immer mehr Interessenten aus der Industrie, die die Anlage nutzen. Dort entsteht gerade so viel und es wird noch einiges mehr kommen. Mein Traum ist, da ein Sportzentrum für Motorsport und andere Sportarten zu kreieren.

Wie siehst du das aktuelle Geschehen in dieser Saison, vor allem hinter den Kulissen?
Timo Scheider: Ich würde mir für die DTM wünschen, dass ein bisschen Ruhe einkehrt. Ich bekomme seit Jahren die Diskussionen über Reglementänderungen und auch jetzt über die Performance-Gewichte mit. Das ist ein sehr heikles Thema und aus Fan-Sicht nervig. Das hat der DTM nicht gut getan.

Wie bewertest du den Mercedes-Ausstieg Ende 2018?
Timo Scheider: Durch den Mercedes-Ausstieg herrscht momentan viel Unruhe im System. Da gibt's viele Diskussionen: Wie geht es weiter mit der DTM, was kommt nach 2018, welcher Fernsehpartner kommt nächstes Jahr und so weiter. Diese Diskussionen beherrschen die Szene im Moment, weil da eine ganze Menge dranhängt. Die DTM ist riesengroß und es wäre unglaublich schade um die Serie, wenn man keine gute Zukunft sicherstellen könnte. BMW möchte das und es wäre schön, wenn das andere auch so machen. Aber das müssen letztendlich die Vorstände entscheiden.

In der WRX-Welt geht es viel unpolitischer zu, oder?
Timo Scheider: Im Rallycross ist es ganz anders. In der DTM ist es so brutal ernst, dass man abliefern und Leistung zeigen muss. Das ist ja auch wichtig bei all dem Geld und dem Druck, der dahintersteht. Du kannst es dir in keiner Sekunde leisten, einen Fehler zu machen. Das kannst du in der WRX auch nicht, aber da ist es nicht so politisch gesteuert und es herrscht nicht so viel politischer Druck im Hintergrund.

Wiedersehen beim DTM-Start in Hockenheim: die Kumpels Scheider und Glock, Foto: BMW
Wiedersehen beim DTM-Start in Hockenheim: die Kumpels Scheider und Glock, Foto: BMW

Das könnte sich ändern.
Timo Scheider: Der Trend der Serie ist sehr positiv und es engagieren sich immer mehr Hersteller. Da muss man auch aufpassen, dass die Hersteller nicht zu viel Einfluss auf das System nehmen. Das könnte am Ende des Tages dem Sport schaden. Ich weiß, dass gewisse Hersteller das nicht gerne hören. Aber das ist nur eine Anmerkung von mir, dass man das Boot, in dem alle sitzen, nicht zum Sinken bringen sollte.

Du lobst immer wieder die Zuschauer-Kulisse im Rallycross. Mit der DTM bist du momentan nicht so zufrieden...
Timo Scheider: Das ist super-schade, wenn ich sehe, wie die Fan-Kultur in den Anfangsjahren der DTM war. Da haben die Leute Mittwoch, Donnerstag vor einem Rennwochenende schon im Wald gezeltet. Die waren Fan einer Marke oder eines bestimmten Fahrers. Das war ein anderer Charakter. Mittlerweile ist leider alles zu clean geworden. So kommt es mir manchmal vor.

Und im Rallycross?
Timo Scheider: Wenn ich mir die Rallycross-Weltmeisterschaft anschaue: In Frankreich ist strömender Regen und entlang der Strecke haben wir 75.000 Fans, die Laola-Wellen machen, singen, springen und tanzen. Das ist wie im Fußball-Stadion. Ich habe mir immer gedacht: Derjenige, der zur DTM geht, muss doch ein Fan von einem Hersteller oder Fahrer sein. Aber warum spürt man diese Emotionen nicht?

Woran könnte es deiner Meinung nach liegen, dass man diese Emotionen in der DTM nicht spürt?
Timo Scheider: Mir kommt es manchmal leider so vor, als ob da mehr und mehr Menschen auf der Tribüne sitzen, die beim Kauf ihres Autos ein Frei-Ticket für die DTM dazu bekommen. Es ist ja schön, dass die Hersteller so etwas anbieten, keine Frage. Aber das ist, als ob ich in die Disco gehen würde, mich in die Ecke stelle und nur zugucke, wie die anderen tanzen, ein Glas Wasser trinke und wieder heimgehe. Da frage ich mich: Wieso gehst du in die Disco? Wenn du Lust auf Party hast, dann gehst du raus und feierst - oder du bleibst zuhause. Es gibt nur die beiden Varianten und das sehe ich in der DTM ähnlich.