Manuel, deine Einschätzung zum Mercedes-Ausstieg Ende 2018?
Manuel Reuter: Es kam letztendlich überraschend. Und jeder, der sagt, dass er das schon gewusst habe, ist ein Klugscheißer. Aus Sicht unserer DTM-Fahrervereinigung war Mercedes immer der Hersteller, der das Thema richtig unterstützt hat und auch dafür war, dass die Fahrer unabhängig von den Herstellern ihre Meinung einbringen können. Aus dieser Sicht war Mercedes ein sehr guter und offener Partner. Aus meiner persönlichen Sicht als Rennfahrer finde ich es sehr schade, dass Mercedes die DTM-Bühne verlässt. Mercedes war immer ein Gegner, den man gern besiegt hat. Das kenne ich ja noch aus meiner aktiven Zeit.
Bedeutet der Mercedes-Ausstieg das Ende für die DTM?
Manuel Reuter: Ich glaube, dass man jetzt keine Trübsal blasen sollte. Man kann es als Tiefschlag für die DTM ansehen - aber ich sehe das als eine Chance. Wir treten 2019 ohnehin mit einem neuen Motor-Reglement und neuen Autos an. Vielleicht bekommt das Thema gerade jetzt den richtigen Drive, damit es so umgesetzt wird, wie die Fans es sehen wollen.
Ist die DTM angesichts neuer Technologien wie in der Formel E ein Auslaufmodell?
Manuel Reuter: Wir wissen, dass die DTM nicht den technologischen Hype hat wie die Formel E. Aber die DTM steht für Emotionen, für guten, harten Motorsport. Mann gegen Mann, und das am besten in wahren Höllenmaschinen. Nur, das bieten wir nicht mehr mit der DTM. Da müssen wir wieder hinkommen, dafür müssen aber erst einmal die Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Also mit Blick auf 2019?
Manuel Reuter: Ja. Das ist zunächst mal die Waffe, die wir den Fahrern an die Hand geben. Die muss brutal sein, damit die Jungs da draußen richtig kämpfen können - und es keine Diskussionen über Erfolgsgewichte, Strafen und so weiter gibt. Die Fahrer sollen fighten, dass kein Auge trocken bleibt. Ansatzweise haben wir das in der laufenden Saison schon gesehen. Aber es muss der Standard sein, dass die Fans aus den Sitzen gerissen werden. Da gehört halt auch mal so ein Kracher dazu wie am Norisring. Oder ein Rockenfeller, der mit gebrochenem Fuß aufs Podium fährt.
Diese Helden-Geschichten, nach denen immer wieder im Motorsport gerufen wird?
Manuel Reuter: Überspitzt ausgedrückt: Wir brauchen moderne Gladiatoren. Das wollen die Leute doch sehen, dieses Außergewöhnliche. Ich glaube, dass man mit einem solchen Konzept auch heute noch die Massen begeistern kann. Es ist klar, welchen Weg Gerhard Berger einschlagen will. Jetzt liegt es an der ITR, die richtigen Signale an potenzielle Partner zu senden.
Opel hat eine Rückkehr in die DTM ausgeschlossen. Schlechtes Zeichen für eine schnelle Rettung?
Manuel Reuter: Mit dem jetzigen Konzept kann ich mir kaum vorstellen, dass jemand mal eben die Lücke füllt. Wir müssen schnell schauen, wohin der Weg führen soll. Ich finde es wichtig, da mal quer zu denken, kontrovers zu sein, eine Mission zu haben. Erst, wenn das feststeht, kann man mit solchen Herstellern reden. Wenn jetzt einer unter dem bestehenden Reglement einsteigen würde, wäre das extrem schwierig. Wenn es für 2019 etwas Neues gibt, ist die Serie möglicherweise attraktiv für neue Hersteller, die man jetzt noch gar nicht auf dem Zettel hat.
Wäre eine DTM in Zukunft nur mit Audi und BMW denkbar?
Manuel Reuter: Man muss bei diesem neuen Konzept auch mal querdenken. Warum muss die DTM denn ein Werkssport bleiben, so, wie wir ihn bislang kannten? Die australische V8 Supercars ist da ein gutes Beispiel. Oder auch die MotoGP, die ein Super-Spektakel bietet und in der auch Satelliten-Teams am Start sind. In diese Richtung muss die DTM gehen, das ist meiner Meinung nach die Zukunft. Wo sich eine Tür schließt, da öffnet sich eine neue.
Vielleicht auch wieder für private Teams?
Manuel Reuter: Ich will die heutigen Zeiten nicht mit früher vergleichen. Aber wir haben in der DTM heute doch ein Einheits-Monocoque, Einheits-Getriebe und einheitliche Bremsen. Wo ist der Unterschied, ob ein Werk oder ein gutes Team diese Teile kauft? Es gibt keinen. Teams wie Phoenix oder Schnitzer haben doch in all den Jahren gezeigt, dass sie einen tollen Job machen können. Man muss sich fragen, wofür die DTM in zehn Jahren stehen soll.
Mit der TCR oder der WTCC gibt es Tourenwagenserien mit Privat-Teams. Würde das nicht reichen?
Manuel Reuter: Da kannst du aber dieses Feuer nicht entfachen. Warum sind denn Drift Shows und Track Days so toll? Weil die Leute sagen: Das ist ja der Wahnsinn! In diese Richtung muss man denken - weg vom Gewöhnlichen, vergiss es! Wir brauchen brutale Geräte mit 800 oder 900 PS, die richtig vorwärts gehen und nur ein paar Fahrer auf der Welt, die diese Autos beherrschen - und das ohne Anweisungen von Ingenieuren. Das kommt immer noch gut an bei den Fans.
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