Der Funk-Skandal von Spielberg und seine Konsequenzen. Nach dem Wertungsausschluss von Timo Scheider ist aktuell offen, wie es in dieser heiklen Affäre weitergeht. Fakt ist bislang nur, dass die zuständigen Sportkommissare vor Ort die Vorfälle rund um eine mögliche unsportliche Anweisung per Funk an das DMSB-Sportgericht zur weiteren Untersuchung weitergeleitet haben.

Wie Motorsport-Magazin.com erfahren hat, wird sich das Sportgericht der Sache an diesem Mittwoch annehmen und einen Prozess einleiten, ob nun wirklich ein Verfahren eröffnet wird. Noch in dieser Woche sollte eine Entscheidung darüber fallen. Angesichts des großen Wirbels rund um den Funk-Skandal und mit Blick auf vergangene Ereignisse ist jedoch stark davon auszugehen, dass es zu einer Untersuchung kommt.

Das sagt Aufrecht zum Skandal

"Sollten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen haben, wie sie im Fernsehen dargestellt wurden, dann ist es eine bedauerliche und unsportliche Geschichte, die verurteilt werden muss", sagte ITR-Chef Hans Werner Aufrecht in einer Mitteilung, die auch Motorsport-Magazin.com vorliegt. Bis zu einer Entscheidung des Sportgerichts bleibt das Resultat des Sonntagsrennens am Red Bull Ring vorläufig.

Im normalen Fall besteht für den Beschuldigten nach Bekanntgabe eine Frist von zwei Wochen, bevor es überhaupt zur Verhandlung kommen kann. Allerdings ist es auch möglich, diesen Prozess zu beschleunigen. Wie seitens des DMSB zu hören ist, wäre eine angemessen zeitnahe Lösung erwünscht. Idealerweise kommt es noch vor dem nächsten Rennwochenende in Moskau vom 28. bis 30. August zu einer finalen Entscheidung in der Funk-Affäre.

Auch Ullrich kann bestraft werden

In erster Linie können das Audi Sport Team Phoenix sowie Scheider bestraft werden, da sie über die obligatorische Bewerberlizenz verfügen. Allerdings gibt es für das DMSB-Sportgericht auch die Möglichkeit über Umwege, Ullrich selbst zu sanktionieren. Nun ist erst einmal nicht davon auszugehen, dass der DMSB ein Interesse daran hat, für den Rauswurf des Audi-Motorsportchefs zu sorgen. Gleichzeitig ist aber offensichtlich, dass es eine Strafe geben und die richtigen Personen treffen soll; darunter auch Ullrich, der den Funkspruch ("Timo, schieb ihn raus!") abgesetzt hat.

Unfallverursacher Scheider wurde durch seinen Wertungsausschluss zwar schon bestraft. Es ist aber zumindest theoretisch möglich, ihn nochmals zu sanktionieren. Etwa, wenn während der Verhandlung herauskommen sollte, dass er Ullrichs Ansage doch zweifelsfrei gehört hat - nachdem der zweifache DTM-Meister zuvor versichert hatte, den Funkspruch während des Rennens nicht gehört zu haben.

Timo Scheider wurde nach Rennende aus der Wertung genommen, Foto: DTM
Timo Scheider wurde nach Rennende aus der Wertung genommen, Foto: DTM

Reuter: Hätte schon vorher Skandale gegeben...

"Es kann sein, es kann aber auch nicht sein", sagte Manuel Reuter in dieser Frage gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Beurteilen müssen das nicht wir, sondern das Sportgericht des DMSB aufgrund der vorliegenden Faktenlage. Aber: Wenn die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren alles mitbekommen hätte, was so am Teamfunk während eines Rennens gesagt wird, hätte es schon einige Skandale gegeben... Entscheidend in dieser Sache ist, dass es eine Ansage am Funk gab, die dazu auch noch vom Audi-Motorsportchef kam. Das muss nun geklärt werden."

Dass bei Scheiders Kollision mit Wickens eine Absicht bestand, war für die Rennkommissare an der Strecke eindeutig gewesen. Da Scheider mit dem harten Wertungsausschluss anstelle einer zunächst erwarteten Durchfahrtsstrafe (umgewandelt in eine 30-Sekunden-Strafe) belegt wurde, ist anzunehmen, dass es bei der Datenanalyse zu Auffälligkeiten kam.

Hat Scheider gelupft?

Es ist nicht auszuschließen, dass Scheider etwa beim Bremsvorgang auf dem Weg in Kurve 3 leicht das Gaspedal lupfte, um sich möglicherweise an Wickens zu revanchieren, von dem sich Scheider zuvor blockiert gefühlt hatte. Der Verdacht der Absicht wird dadurch erhärtet, dass das Audi Sport Team Phoenix auf einen Einspruch verzichtete. Scheider hatte sich kurz nach Rennende am Sonntagabend infolge einer teaminternen Analyse zunächst keine Sorgen über eine Strafe gemacht. Der Audi-Pilot sagte: "Die Daten haben klar gezeigt, dass ich weder später noch sonst irgendwie anders gebremst habe als vorher."

Wie eine mögliche Entscheidung des DMSB-Sportgerichts ausfallen könnte, ist zum derzeitigen Zeitpunkt relativ unklar. Die Zuständigen rund um den Vorsitzenden Harald Schmeyer sind äußerst frei in ihren Möglichkeiten. Das geringste Übel wäre eine Geldstrafe, am schlimmsten vermutlich ein Entzug der Lizenz von Scheider oder seinem Team Phoenix. Unlängst gab es Spekulationen, ob Ullrich infolge des Skandals auf Druck der Audi/VW-Führungsetage seinen Posten bei Audi Sport räumen muss.

Hat Scheider beim Bremsvorgang das Gaspedal gelupft?, Foto: Audi
Hat Scheider beim Bremsvorgang das Gaspedal gelupft?, Foto: Audi

Mögliche Wiedergutmachung für Wehrlein

Im Falle einer möglichen Bestrafung des Audi-Lagers wäre allerdings Titelaspirant Pascal Wehrlein nicht geholfen. Der Mercedes-Pilot hatte sich nach seinem Ausfall und den verlorenen Punkten für Platz sechs heftig beschwert und gemeint, dass dieser Vorfall Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Saison haben könnte. Scheider hatte sich später bei Wickens und auch Wehrlein für den Vorfall entschuldigt. Es besteht jedoch zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass Wehrlein nachträglich Punkte bekommt.

Skandale mit Auswirkung gab es schon in der Vergangenheit, Foto: Youtube/Metz087
Skandale mit Auswirkung gab es schon in der Vergangenheit, Foto: Youtube/Metz087

Einen ansatzweise vergleichbaren Fall hatte es vor vielen Jahren schon einmal im damaligen Super Tourenwagen Cup gegeben. Beim Saisonfinale 1999 auf dem Nürburgring kämpften Christian Abt im Audi und Uwe Alzen auf Opel um die Meisterschaft. Nach einem Unfall von Alzen war Abt auf bestem Wege zum Titelgewinn, bis ihm auf der letzten Runde Alzens Markenkollege Roland Asch ins Heck fuhr, was zu Abts Ausfall führte. Alzen hingegen schleppte sich mit seinem beschädigten Opel über die Ziellinie und war kurzzeitig Meister. Nach einer Verhandlung entschied das DMSB-Sportgericht in diesem Fall, die vorletzte Rennrunde zu werten - was Abt dann doch zum Meister machte.

Ein weiteres Beispiel für das Spektrum an Möglichkeiten zeigte der Wasserflaschen-Skandal rund um Mattias Ekström am Norisring. Am Ende entschied das DMSB Sportgericht, dass es keinen Rennsieger gibt. Auch in diesem Fall gab es gewisse Parallelen zum jetzigen rund um Wolfgang Ullrich. Ekströms Vater verfügte - genau wie Ullrich - nicht über eine Bewerberlizenz, war vor dem Sportgericht aber ein wesentlicher Bestandteil der Verhandlungen.

Die Details im Überblick

  • Entscheidung wohl diese Woche, ob Verfahren eingeleitet wird
  • Finale Entscheidung vor nächsten Rennen in Moskau erwünscht
  • Strafmaß reicht von Geldstrafe bis hin zum Lizenzentzug
  • Ullrich kann theoretisch vom DMSB Sportgericht bestraft werden
  • Weitere Sanktionen gegen Scheider ebenfalls möglich
  • Wiedergutmachung für Wehrlein nicht auszuschließen
  • Aufrecht: Bedauerliche Geschichte, die gegebenenfalls verurteilt werden muss
  • Reuter über Teamfunk früher: Da hätte es schon einige Skandale gegeben