Neues Format, neues Fahrer-Verhalten? Was wurde vor dem Saisonstart der neuen DTM nicht alles spekuliert. Werden sich die Piloten im kürzeren Rennen am Samstag mit - in der DTM üblichen - harten Zweikämpfen plötzlich zurückhalten? Steht statt des gewünschten Racings in Reinkultur im Sprintrennen eher ein Schongang für das Material im Fokus? Noch kürzlich waren viele Experten und Beobachter der Rennserie dieser Meinung. Nur so könnten die Teams sicherstellen, auch im zweiten Lauf am Sonntag noch alle Autos voll funktionstüchtig in Qualifying und Rennen zwei zu schicken, hieß es nicht selten.

Die Premiere des neuen Rennformats auf dem Hockenheimring sah an diesem Samstag völlig anders aus. Beherzt wie eh und je attackierten die Fahrer in den Zweikämpfen. Wenig Kollisionen? Von wegen! Es knarzte, krachte, überall flogen Späne. Audi-Fahrer Timo Scheider verletzte sich sogar an der Hand. Nach vierzig Rennminuten sahen nur zwei Drittel des Feldes die Zielflagge. Acht von 24 Startern waren ausgeschieden. Mit vier Ausfällen besonders hart traf es Mercedes. "Ärgerlich, dass wir so viele Autos unverschuldet verloren haben. Für unser Team gibt es nun leider viel zu tun, um die Autos für morgen wieder flott zu bekommen. Ich denke, morgen wird es aber ähnlich hart zur Sache gehen", sagt Teamchef Ulrich Fritz.

Auf Fahrer-Seite führte Fritz' Pilot Gary Paffett die Stimmen der Kritiker an. "Viele haben heute in der ersten Runde dumme Sachen gemacht. Es gab viele Beschädigungen, viele Autos, die ausgeschieden sind, überall sind Teile herumgeflogen. Ein paar Leute waren etwas sehr hart. Das ist einfach nicht richtig. Wir haben morgen noch ein Rennen und müssen das Auto wieder aufbauen", polterte Paffett. Auch wegen der Mechaniker, denen nun wohl eine Nachtschicht blüht: "Um das Auto perfekt aufzubauen, haben die Jungs wochenlang gebraucht. Jetzt müssen sie es ganz schnell über Nacht machen." Er habe sich hingegen bewusst zurückgehalten. Dennoch schied Paffett aus - abgeschossen von Martin Tomczyk.

Mercedes klagte über vier unverschuldete Ausfälle, Foto: Mercedes-Benz
Mercedes klagte über vier unverschuldete Ausfälle, Foto: Mercedes-Benz

Götz: besser Kopf einschalten als Harakiri

Einer ähnlichen Strategie wie Markenkollege Paffett folgte DTM-Neueinsteiger Maximilian Götz. "Ich habe mir schon gedacht, dass in der DTM nur Bekloppte fahren. Da geht es wirklich zur Sache. Da wird auf nichts Rücksicht genommen, da wird reingehalten. Bei einigen ist es schiefgegangen . Aber ich denke, wenn man den Kopf einschaltet und sich aus allem heraushält, kommt man vielleicht weiter, als wenn man versucht, mit Harakiri nach vorne zu kommen", sagt Götz im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Dennoch zerstörte ein Kontakt das Rennen des Rookies bereits in Runde eins.

Ebenfalls betroffen im Mercedes-Lager: Christian Vietoris (Platz 14), Daniel Juncadella (Ausfall) und Robert Wickens (Ausfall) - allesamt klagen über Unfälle und kleinere Berührungen.

Mehr Glück hatte die Mannschaft von Audi. Abgesehen von der Verletzung Timo Scheiders und der gebrochenen Lenkung an seinem Audi RS5, erwischte es das Team von Leiter Dieter Gass weniger hart als die Konkurrenz. "Wir betreiben hier einen engen Rennsport. Da wird nunmal auf Messers Schneide gekämpft.Wenn ich mir unsere Autos ansehe, war es heute kein Drama", sagt Gass. Dennoch mahnt der Chef zur Rücksicht. Vor allem einen Zwischenfall prangert er an: "Aber dass es Kontakt gegeben hat zwischen Adrien [Tambay] und Mattias [Ekström], das wollen wir natürlich nicht sehen zwischen unseren Autos." Ekström handelte sich als Resultat des Zwist einen Plattfuß ein und ließ somit Punkte liegen.

Im dichten Getümmel nach dem Start ging es hart zur Sache, Foto: BMW AG
Im dichten Getümmel nach dem Start ging es hart zur Sache, Foto: BMW AG

Viel Kleinholz bei BMW

Eher auf Mercedes-Niveau in Sachen Kleinholz-Statistik bewegte sich hingegen BMW. "Ich hatte einige Kontakte, am Ende fehlten mir die Spiegel und insgesamt war es härter heute", sagt Maxime Martin zu Motorsport-Magazin.com. Der Belgier sieht darin jedoch auch das Positive für die Fans: "Das Rennen war von der ersten bis zur letzten Runde sehr intensiv. Die Safety-Car-Phasen haben für viel Action gesorgt."

Etwas anders bewertet Timo Glock das Geschehen. Der ehemalige F1-Pilot folgt der Einschätzung Mercedes' Gary Paffett. "Ich glaube, der eine oder andere hat noch nicht verstanden, dass wir morgen auch noch ein Rennen fahren. Was ich da vor mir gesehen habe, war teilweise schon ein wildes Durcheinander. Ich hoffe, die haben alle noch genug Ersatzteile dabei.", sagt Glock. Daran beteiligt: derTitelverteidiger. Marco Wittmann hatte jedoch seinen Spaß an der heißen Startphase. "In der ersten Runde war ich richtig in Fahrt, es hat großen Spaß gemacht. Ich bin auch ein gewisses Risiko eingegangen und konnte mich dadurch auf den siebten Platz vorarbeiten", sagt Wittmann.

Weniger erfreute war der Rest der BMW-Truppe. Bruno Spengler, Antonio Felix da Costa, Martin Tomczyk und Tomblomqvist - sie alle verpassten Punkte aufgrund diverser Rangeleien auf der Strecke. Spengler und da Costa wurden jeweils Berührungen mit Miguel Molina zum Verhängnis. Genauso Opfer ein Kollison war Blomqvist. Tomczyk hingegen sorgte unterdessen selbst für einen ordentlichen Rumms in der Spitzkehre, als er mit kalten Bremsen Gary Paffett und Lucas Auer zugleich ins Aus beförderte. "Natürlich tut es mir leid, dass es zu solch einem Zwischenfall gekommen ist, aber letztendlich ist das Rennsport", befand der Rosenheimer.