Mike, du hast in der ersten Hälfte der DTM-Saison 2013 eine bemerkenswerte Konstanz an den Tag gelegt. Was ist dein Geheimnis?
Mike Rockenfeller: Wir haben uns bemüht, eine Philosophie in der Fahrzeugabstimmung zu finden, die uns eine gute Basis für die Rennwochenenden ermöglicht. Mein Fahrstil scheint gut zum neuen Optionsreifen zu passen. Phoenix leistet hervorragende Arbeit, ich fühle mich sehr wohl in dieser Mannschaft, der Teamgeist ist klasse, wir glauben fest an uns.

Die verkürzte Trainingszeit, der DRS-Flügel und der Options-Reifen haben in dieser Saison einige Unwägbarkeiten ins Spiel gebracht. Die scheint Ihr gut im Griff zu haben.
Mike Rockenfeller: Ja, das denke ich auch. Wenn nicht mehr so viel Trainingszeit zur Verfügung steht, ist es umso wichtiger, gut aussortiert zur Strecke zu kommen. Ein bisschen Glück gehört auch dazu, aber am Ende sind es eine saubere Vorbereitung, effiziente Arbeit an der Strecke und auch die Überzeugung, auf dem richtigen Weg zu sein, die den Ausschlag geben.

Spaß mit den Reifen, Foto: Audi
Spaß mit den Reifen, Foto: Audi

Wie schwierig ist es, im Rennen erstmals einen Reifen zu fahren, mit dem man auf der jeweiligen Strecke nicht trainieren durfte? Gibt's da Überraschungen im Cockpit?
Mike Rockenfeller: Oh ja! Ich finde das klasse. Wenn man mit dem Options-Reifen vorher trainieren dürfte, wüssten alle genau, wie er sich verhält. Dann würden sich auch die Rennstrategien wieder ähneln. So hast du jede Menge Spielraum, dir vorzustellen, wie es laufen könnte. Das hat zugegebenermaßen etwas von Lotterie. Beispiel Lausitzring: Meine Audi-Kollegen Ekström und Scheider waren beide auf der selben Strategie. Bei Mattias hat der Options- Reifen lange gehalten, bei Timo nicht. Es sind Kleinigkeiten, die den Unterschied machen, und die stellen für Fahrer und Renningenieur eine riesige Herausforderung dar.

Du bestreitest Ihre siebte DTM-Saison, haben Höhen und Tiefen erlebt. Was unterscheidet den Rocky 2007 vom Rocky 2013?
Mike Rockenfeller: Ich denke, gar nicht so viel. Die Umstände damals waren eben hart - im Vorjahresauto mein Potenzial unter Beweis zu stellen, war schwer. Ich habe in dieser Zeit gelernt, an mich zu glauben. Denn wenn die Resultate nicht stimmen, fällst du schnell in ein Loch, aus dem du nur schwer wieder rauskommst. Ich musste lange auf technische Chancengleichheit warten. Umso glücklicher bin ich über die Unterstützung von Audi und die Tatsache, nun im dritten Jahr ein Auto zu haben, mit dem ich Rennen gewinnen kann.

Gesamtführung vor Spengler, Foto: RACE-PRESS
Gesamtführung vor Spengler, Foto: RACE-PRESS

Du hast in diesem Jahr sogar auf einen Start bei den 24 Stunden von Le Mans verzichtet - um sich voll auf den DTM-Titelkampf zu konzentrieren?
Mike Rockenfeller: Letztes Jahr war ich als bestplatzierter Audi-Pilot Vierter in der Meisterschaft. Das ist nichts, was mich glücklich macht. Weil die Autos über den Winter nicht verändert werden durften, gab es keinen Grund anzunehmen, dass wir allen um die Ohren fahren. Andererseits kamen die erwähnten Unwägbarkeiten dazu. Mein Ziel ist es, mich gegen meine starken Teamkollegen zu behaupten. Und natürlich steht über allem der Wunsch, den DTM-Titel zu holen. Ich bin bereit - aber es liegt ja nicht nur an mir.

Im vorigen Jahr hat BMW alle Lügen gestraft, die erwartet hatten, ein DTM-Neueinsteiger müsse automatisch Lehrgeld zahlen. Wie erklärst du dir das?
Mike Rockenfeller: "Ich habe BMW zu keinem Zeitpunkt unterschätzt. Für mich war immer klar: Wenn die einsteigen, werden sie bei der Musik sein. Diese Marke hat eine enorme Motorsport- Tradition, das nötige Know-how, starke Teams und gute Fahrer. Und sie hatten auch ausreichend Zeit, um sich vorzubereiten. Dass sie das Ding gleich gewinnen - Hut ab! Wir hätten unser Auto über den Winter gerne weiterentwickelt. Das Reglement lässt das nicht zu, also müssen wir eben versuchen, sie mit dem zu schlagen, was wir haben.

Andererseits ist BMW ein gutes Beispiel dafür, wie eng es in der DTM zugeht. Auf dem Lausitzring hatten sie 2012 zwei Fahrer auf dem Podest - und 2013 eigentlich keine wirkliche Chance. Was macht es so schwer, in der DTM konstant vorne zu sein?
Mike Rockenfeller: "Einfach die enorme Leistungsdichte. Ein kleiner Patzer kann ein ganzes Rennwochenende ruinieren. Das neue Format hilft natürlich nicht. Wenn du mit der Abstimmung daneben liegst, bleibt kaum Zeit zu reagieren. Und weil das Reglement Arbeiten am Auto zwischen Qualifying und Rennen untersagt, schleppst du ein Problem schlimmstenfalls bis Sonntag mit. Und dann muss man halt versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

Rocky war schon in Russland, Foto: DTM
Rocky war schon in Russland, Foto: DTM

Nach dem DTM-Gastspiel in Moskau steht mit dem Nürburgring nun Ihr Heimrennen bevor. Wagst du eine Prognose zum zu erwartenden Kräfteverhältnis?
Mike Rockenfeller: Das ist schwierig. Ich glaube, der Nürburgring könnte eine Piste sein, auf der wir wieder um den Sieg mitfahren können. Das hat jedenfalls die Vergangenheit gezeigt. Es wird sicherlich nicht einfach, aber ich glaube, wir sind besser aufgestellt als im Vorjahr.

Macht es für dich einen Unterschied, ob Sie ein Heimrennen oder ein anderes fahren?
Mike Rockenfeller: Jein. Klar, ich bin in der Nähe geboren und aufgewachsen, dort ist meine Heimat. Dort ein DTM-Rennen zu gewinnen, wäre sehr schön. Im Rennauto macht es aber gar keinen Unterschied. Der Nürburgring liegt mir, und ich fahre sehr gerne dort - wobei ich am liebsten die lange und natürlich am allerliebsten die ganz lange Strecke fahren würde...