Das 24h-Rennen Nürburgring schreibt jährlich seine ganz eigenen Geschichten - das hier ist keine schöne: Bei der 50. Auflage des Eifel-Klassikers kollidierten ausgerechnet die beiden Brüder Laurens und Dries Vanthoor! Zwischen dem talentierten Brüderpaar aus Belgien - Laurens im Manthey-Porsche, Dries im Phoenix-Audi - kam es nach rund dreieinhalb Stunden zu einer unglücklichen Berührung auf der Nordschleife.

Auf dem Weg zur Hohenrain-Schikane verlor Laurens Vanthoor im #1 Grello-Porsche nach einer leichten Berührung die Kontrolle über seinen 911er, drehte sich mehrfach über die Strecke und schlug in die Streckenbegrenzung ein. Der Porsche-Werksfahrer konnte das Auto offenbar unverletzt verlassen, doch der Manthey-Porsche erlitt einen heftigen Schaden - das riecht stark nach einem vorzeitigen Ausfall des Titelverteidigers. Vanthoor wurde zum Check ins Medical Center eingeliefert.

Dries Vanthoor: Das beschissenste Gefühl

Der jüngere Bruder Dries konnte die Fahrt mit seinem #15 Phoenix-Audi (K. van der Linde/Vanthoor/Vervisch/Frijns) unterdessen fortsetzen. "Beide haben sich Luft gelassen, aber kleine Berührungen können entscheidend sein", sagte Phoenix-Teamchef Ernst Moser. "Ich muss mir die Szene noch mehrmals anschauen. Dass sich zwei Brüder berühren, ist ärgerlich und einfach traurig."

Die Kollision blieb ohne Folgen für den Phoenix-Piloten, die Rennleitung verzichtete auf eine Strafe. "Wir hatten schon bessere Tage", sagte ein merklich bestürzter Dries Vanthoor. "So etwas wollten wir nie haben. Es ist super-scheiße, dass er jetzt raus ist. Keiner von uns hat etwas falsch gemacht oder war zu aggressiv. Solche Dinge passieren. Natürlich ist es scheiße, wenn es der eigene Bruder ist. Wenn so etwas passiert, ist das das beschissenste Gefühl, das man haben kann."

Bruder Laurens kämpfte mit den Tränen: "Körperlich habe ich nichts. Um ehrlich zu sein, das war einfach der dümmste Moment, an den ich mich erinnern kann. Das ist mein Bruder und wir lieben uns über alles. Wir sind schon als Kinder gegeneinander gefahren und leben unseren Traum. Das hier war unheimlich dumm. Ich habe mit ihm gesprochen. Er kam auch mit Emotionen rein und wollte nicht mehr fahren. Bei der Aktion hat das Hirn ausgeschaltet. Eine absolute Dummheit von meiner Seite. Ich bin ihm überhaupt nicht böse. Sowas darf nicht passieren. Es tut mir unheimlich leid."

Manthey: Achterbahn der Gefühle

Für Porsche-Werksteam Manthey war das 24-Stunden-Rennen schon bis zum Unfall eine Achterbahn der Gefühle. Die #1 musste das Rennen aus der letzten Reihe der Startgruppe 1 aufnehmen, nachdem Kevin Estre im Qualifying eine Strafversetzung kassiert hatte.

Das Porsche-Ass aus Frankreich, gleichzeitig ein Nordschleifen-Spezialist, legte in der Startphase eine beeindruckende Aufholjagd hin und führte das Feld zwischenzeitlich an. Der Unfall von Teamkollege Vanthoor mit seinem Bruder Dries beendete dann schon früh jegliche Hoffnungen auf die Titelverteidigung.

Glücklicherweise ging beim Brüder-Crash nicht noch mehr zu Bruch, immerhin ließ der Grello zahlreiche Karbon-Teile auf der Strecke zurück, die zuvor teils wild durch die Luft geflogen waren. So kommentierte Teambesitzer Henry Walkenhorst die Szene aus seiner Sicht: "Das heftigste Erlebnis war, als sich der #1-Porsche vor mir drehte und ich plötzlich in eine Nebelwand hineinfuhr. Vielleicht sollte man nach vier Stunden noch nicht alles geben und stattdessen ein wenig warten. Ich sah schon auf der Döttinger Höhe, dass die beiden die ganze Zeit im Fight waren und habe mich bewusst ein wenig zurückfallen lassen, um da nicht hineingezogen zu werden."

Porsche-Motorsportchef: "Einfach bitter"

Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach zum kapitalen Unfall: "Es wäre nicht fair, jetzt ein Urteil zu fällen. Sie haben sich mehrfach berührt, es war knapp. Das Wichtigste ist, dass Laurens okay ist. Das war ein heftiger Einschlag, einfach bitter!"

Unterdessen meldete Porsche, dass der #27 Toksport-WRT-Porsche (Andlauer/Campbell/Jaminet) nach zwei Kollisionen mit dem #99 ROWE-BMW offiziell vom Rennen zurückgezogen wird. Für eine der beiden Zwischenfälle hat die Rennleitung dem #99 ROWE-BMW (De Phillippi/Eng/Farfus/Yelloly) eine Zeitstrafe von 90 Sekunden aufgebrummt.

Manthey: Ausfall beugt Strafe vor

Übrigens: Die Titelverteidiger von Manthey, die seit 17:03 Uhr ebenso wie der #20 Schubert-BMW von der Rennleitung wegen eines Zwischenfalls in der Boxengase untersucht wurden, wären mit einer Zeitstrafe von 1:32 Minuten belegt worden, wenn sie auch weiterhin am Rennen teilgenommen hätten.

Hintergrund ist das angebliche "Langsamfahren" der #1, deren Geschwindigkeit mit nur 47 statt der möglichen 60 km/h ermittelt wurde. Damit hätten sie den Schubert-BMW unnötig "eingebremst", was vor allem nicht sportlich gewesen sei. Durch den vorzeitigen Ausfall hat sich ein weiterer Rückschlag für die Manthey-Truppe erledigt.