Die Nordschleife in der Abenddämmerung, der Duft von frisch gegrillten Würstchen entlang der berühmtesten Rennstrecke der Welt, grelle Scheinwerfer-Lichter und mehr als 130 Autos aus unterschiedlichen Klassen: Das Nacht-Qualifying am Freitagabend (20:30-23:30 Uhr) hat einen perfekten Vorgeschmack auf die 50. Auflage des 24h-Rennen Nürburgring geliefert.

Die Teams nutzten die abendlichen und nächtlichen Bedingungen vor allem, um Setups für das am Samstag beginnende 24-Stunden-Rennen zu erarbeiten. An der Spitze reichten die Fahrer nicht an die schnellsten Rundenzeiten aus dem Qualifying 1 am Donnerstagmittag heran: Der #98 BMW M4 GT3 von ROWE Racing (Nicky Catsburg/John Edwards/Sheldon van der Linde/Marco Wittmann) lag weiter in Führung vor dem #101 Walkenhorst-BMW (Christian Krognes/Andy Soucek/Sami-Matti Trogen/Jörg Müller) und dem #12 Bilstein-Mercedes (Raffaele Marciello/Philip Ellis/Luca Stolz).

Van der Linde: Karten noch nicht auf dem Tisch

"Es sieht bis ganz gut aus bis jetzt für die BMW", sagte BMW-Werksfahrer van der Linde während des Nacht-Qualifyings. "Aber ich glaube, die Karten werden erst am Freitag auf den Tisch gelegt. Der M4 fühlt sich gut an und ist wohl das beste Auto, das ich je gefahren bin. In den vergangenen zwei Wochen haben wir nochmal Fortschritte gemacht."

ROWE-Teamkollege und zweifacher DTM-Champion Wittmann ergänzte: "Es läuft gut und das Auto fühlt sich gut an. Ich hoffe, dass es so weitergeht. Wir müssen morgen im Top Q1 unter die ersten Vier kommen, um noch einen Platz im Top Q2 zu ergattern. Das ist momentan unser Fokus." Nach den bisherigen Auftritten auf der Nordschleife gilt der neue BMW M4 GT3 unter Experten als heißer Anwärter auf den Gesamtsieg.

AMG-Fahrer Stolz, der mit dem von HRT eingesetzten Bilstein-Benz auf dem dritten Platz in der Zeitenliste übernachtet: "Wir sind bisher sehr zufrieden. Die Rundenzeiten sind noch nicht ganz so schnell wie im Qualirennen. Die Strecke war nach der WTCR auch etwas sandig." Dem Mercedes fehlten 1,4 Sekunden auf die weiter bestehende Bestzeit von 8:14.771 Minuten.

Car-Collection-Audi stürmt in die Top-4

Im dreistündigen Nacht-Qualifying gelang dem #22 Audi R8 LMS GT3 Evo 2 von Car Collection (Haase/Müller/Niederhauser/Rast) eine Verbesserung auf den vierten Platz. Nach vorne ging es auch für den #20 BMW M4 GT3 von Schubert Motorsport (Krohn/Sims/Klingmann/Krütten), der sich nach technischen Problemen am Mittag auf den fünften Platz schob. Damit beendeten drei der neuen Rennwagen aus München beim 50-jährigen Jubiläum der BMW M GmbH den Donnerstag in den Top-5.

Für Markenvielfalt sorgten die Plätze sechs und sieben mit dem #28 Dinamic Motorsport-Porsche 911 GT3 R (Engelhart/Cairoli/Ledogar/Preining) und dem werksseitig eingesetzten Aston Martin Vantage GT3 mit der Startnummer #90 von TF Sport (Sorensen/Thiim/Pittard/Martin). Der BMW M4 #99 von Rowe Racing (De Phillippi/Eng/Farfus/Yelloly) komplettierte die Top-8 in der Zeitenliste.

Mit-Favoriten noch nicht vorne dabei

Favorisierte Autos wie der #3 GetSpeed-Mercedes ließen es zum Auftakt des Pfingst-Wochenendes noch ruhig angehen - Platz 26. "Wir sind schon für das Top-Qualifying qualifiziert und testen unterschiedliche Dinge", sagte Adam Christodoulou, der sich den GetSpeed-Mercedes mit DTM-Champion Maximilian Götz und Fabian Schiller teilt. "Wir riskieren nichts im Verkehr, pushen aber trotzdem, um ein gutes Gefühl für das Auto zu bekommen. Die Rundenzeiten spielen heute Abend keine Rolle."

Vorjahres-Sieger Manthey belegte mit dem #1 Grello Porsche 911 GT3 R (Christensen/Estre/Makowiecki/Vanthoor) den 18. Rang im Zeitentableau. Der bei Fans beliebte Nordschleifen-Exot #7 Lamborghini Huracan GT3 von Konrad Motorsport (Jefferies/Pepper/Di Martino) belegte zum Abschluss des Donnerstags die 30. Position mit rund elf Sekunden Rückstand auf die Spitze. Es mangelt uns, im Gegensatz zu den anderen GT3, etwas an Topspeed", meinte Michele Di Martino nach den ersten Eindrücken. Die Balance of Performance kann noch bis zum Rennstart durch den Veranstalter verändert werden.

Strafen für Falken-Porsche und Walkenhorst-BMW

Das Nacht-Qualifying blieb unterdessen nicht ohne Folgen. So wird der #44 Falken-Porsche (Bachler/Picariello/Pilet/Ragginger) wegen Missachtung von Flaggensignalen um fünf Plätze in der Startaufstellung zurückversetzt. Härter erwischte es den #102 Walkenhorst-BMW M4 GT3 (Müller/Bohlen/Tuck/Schmidt-Staade), der wegen Missachtung einer Code-60-Phase das Rennen vom Ende der ersten Startgruppe aufnehmen muss.

Porsche-Kollision und weitere Unfälle

Das Nacht-Qualifying verlief zudem nicht ohne Zwischenfälle auf der Strecke. Los ging es schon, bevor das erste Auto auf die Strecke abbog: In der Boxengasse knallte der #70 Huber-Motorsport-Porsche 911 GT3 Cup dem KTM X-Bow GT2 mit der Startnummer #117 ins Heck. Beide Autos mussten erst einmal an die Box zurückkehren, bevor sie das Zeit-Training aufnehmen konnten.

Hektisch wurde es wenig später bei Porsche Motorsport, als zwei GT3-911er auf der Strecke kollidierten. Der #44 Falken-Porsche (Bachler/Picariello/Pilet/Ragginger) und der #18 KCMG-911er (Olsen/Burdon/Tandy/Bamber) kamen sich ins Gehege, wobei der Falken-Porsche einen Schaden an der Front erlitt. Falken-Teamchef Sven Schnabel: "Patrick (Pilet) hat keinen Fehler gemacht, das war sehr unglücklich."

Ein weiteres GT3-Auto erwischte es wenig später auf der Nordschleife im Bereich Hatzenbach, als der #5 Phoenix-Audi R8 LMS GT3 (Kolb/Stippler/Feller/K. Van der Linde) einen leichten Einschlag in die Leitplanken nicht verhindern konnte und an der linken Fahrzeugseite beschädigt wurde. Vorausgegangen war ein Kontakt mit einem Porsche Cayman GT4.

Nach rund einer Stunde erwischte es den #25 Huber-Motorsport-Porsche 911 GT3 R (Thyssen/Rader/Menzel/Kern). Auf der Nordschleife im Bereich Wippermann wurde es haarig mit dem #102 Walkenhorst-BMW M4 GT3, wobei der 911er mit hoher Geschwindigkeit in die Leitplanken abbog.

Die größtenteils ruhige Session endete mit Nordschleifen-Experte Frank Stippler, der den #5 Phoenix-Audi in langsamer Fahrt zurück an die Boxengasse bugsieren musste. "Ich hatte ein langes Bremspedal und eine teils instabile Hinterachse", sagte Stippler kurz nach dem Aussteigen.

24h Nürburgring 2022: Programm am Freitag

Nach den ersten beiden Qualifying-Sessions am Donnerstag, geht es am Freitag weiter mit den nächsten Zeit-Trainings auf der Nordschleife des Nürburgrings. Nach dem Rennen der ADAC 24h-Classic und dem Qualifying der WTCR sind die Teilnehmer des 24h-Rennen Nürburgring ab 14:10 Uhr zum einstündigen Qualifying dran. Das Top-Qualifying, das ausschlaggebend ist für die finale Startaufstellung, folgt am Freitagabend von 17:50 bis 20:00 Uhr.

24h Nürburgring 2022 - Qualifying 1+2: Ergebnis Top-10

PositionTeamFahrerRundenzeit
1#98 ROWE-BMW Catsburg/Edwards/S. van der Linde/Wittmann 8:14.771
2#101 Walkenhorst-BMW Krognes/Soucek/Trogen/Müller 8:15.936
3#12 HRT-Mercedes Marciello/Ellis/Stolz 8:18.599
4#22 Car-Collection-Audi Haase/Müller/Niederhauser/Rast 8:17.879
5#20 Schubert-BMW Krohn/Sims/Klingmann/Krütten 8:17.892
6#28 Dinamic-Porsche Engelhart/Cairoli/Ledogar/Preining 8:18.145
7#90 TF-Sport-Aston-Martin Sorensen/Thiim/Pittard/Martin 8:18.915
8#99 ROWE-BMW De Phillippi/Eng/Farfus/Yelloly 8:19.054
9#27 Toksport-WRT-Porsche Andlauer/Campbell/Jaminet 8:19.265
10#4 Getspeed-Mercedes Engel/Gounon/Juncadella 8:19.300