Legende, Mythos und schlichtweg die größte Vollgas-Party der Welt: das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Vom 26. bis 29. Mai 2022 feiert der Eifel-Klassiker sein 50. Jubiläum, und die beste Nachricht gab es schon im Vorfeld des Rennens: Nach zwei mauen Corona-Jahren können Fans endlich an die Campingplätze entlang der ikonischen Nordschleife zurückkehren! Uns steigt schon förmlich der Duft von Bratwürsten in die Nase, Erinnerungen an volksfestähnliche Anstürme von bis zu 200.000 euphorischen Fans, die sich selbst von schlimmsten Wetterkapriolen die Stimmung nicht vermiesen lassen, über 200 Rennwagen jeglicher Couleur zu Hochzeiten, große Siege und ebenso große Tragödien, die Stucks, die Mantas, die Eifelblitze, die pfeilschnellen GT3-Autos - Racer-Herz, was willst du mehr?

Kaum eine andere Motorsport-Veranstaltung blickt auf eine derart bewegte Geschichte zurück wie das 24h-Rennen Nürburgring, das 1970 erstmals ausgetragen wurde und sich in den Gründungsjahren vor allem an ambitionierte Amateure richtete. Wer hätte sich damals schon ausmalen können, dass sich das Rennen vorranging unter der Führung des 2021 verstorbenen Renn- und Orgaleiters Peter 'Mr. 24h-Rennen' Geishecker zu einem der prestigeträchtigsten Events der Welt entwickeln würde? Heute genießt die Nordschleifen-Schlacht höchste Priorität in den Häusern von Audi, Mercedes-AMG, Porsche und der BMW M GmbH, die pünktlich zum Jubiläumsrennen ihren eigenen 50. Geburtstag feiert.

Rennunterbrechungen gab es einige in den vergangenen Jahren, aber nur dreimal in seiner langen Geschichte konnte das 24-Stunden-Rennen überhaupt nicht ausgetragen werden. In den Jahren 1974 und 1975 mussten Fans und Fahrer wegen der anhaltenden Ölpreiskrise verzichten. Ebenso 1983 wegen umfangreicher Bauarbeiten am Nürburgring. Pünktlich zum 50. Jubiläum blicken wir zurück auf die spektakulärsten Rennen auf der berühmtesten Rennstrecke der Welt.

1970: Der Mythos beginnt

Schon vor 1970 gab es unterschiedliche Arten von 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, an jenem 27./28. Juni aber erstmals als echtes Rundstreckenrennen. Im Feld der 96 Teams - dem damaligen Maximum auf der Nordschleife - setzten sich nach 123 Runden der heute dreifache 24h-Sieger Hans-Joachim Stuck und Teamkollege Clemens Schickentanz im Koepchen-BMW 2002 mit zwei Runden Vorsprung durch. Rennwagen des Autobauers aus München belegten neun der ersten zehn Plätze. Bis heute ist BMW mit 20 Gesamtsiegen die erfolgreichste Marke beim 24h-Rennen.

1973: Geplante Pause in der Nacht

Ein Novum in der Geschichte der 24 Stunden am Nürburgring stellte die dreigeteilte Ausgabe 1973 dar. Damals wurde das Rennen um 17:00 Uhr gestartet und lief zunächst acht Stunden lang. Um 01:00 Uhr in der Nacht erfolgte eine planmäßige Pause von acht Stunden, wobei die Teams die ersten 90 Minuten dieser Pause für Reparaturarbeiten nutzen konnten. Um 09:00 Uhr morgens erfolgte der Neustart für die finalen acht Stunden. Sieger war am Ende übrigens ein gewisser Niki Lauda, zusammen mit Hans-Peter Joisten auf dem Jägermeister-Alpina-BMW.

1981: Orkangefahr in der Grünen Hölle

1981 kämpfte das Feld mit sehr starkem Wind und dem Wetter, Foto: 24h Media
1981 kämpfte das Feld mit sehr starkem Wind und dem Wetter, Foto: 24h Media

1981 mussten sich Teams, Fahrer und Fans nicht nur mit dem Eifel-typischen Regen, sondern auch mit heftigsten Windböen auseinandersetzen. Auf der Beaufortskala, mit der die Windstärken gemessen werden, wurde während des Rennens Stufe 8 erreicht! Das ist gleichbedeutend mit Windgeschwindigkeiten von 62 bis 74 Stundenkilometern und sorgt dafür, dass sich selbst große Bäume bewegen und Zweige abgerissen werden. Das Wetter-Chaos erwischte auch die späteren Sieger Helmut Döring/Dieter Gartmann/Fritz Müller, die mit Motorenproblemen und einem defekten Scheibenwischer kämpften und allein in der ersten Rennstunde mit ihrem Ford Capri fünfmal die Box ansteuern mussten. Vom zwischenzeitlichen 90. Platz gelang dem Trio eine fulminante Aufholjagd zum Sieg vor dem Opel Monza mit Formel-1-Pilot Rolf Stommelen, Herbert Herler und Johann Weisheidinger.

1982: Abgesang für die Ur-Strecke

Die historische Boxenanlage wurde letztmals 1982 genutzt, Foto: 24h Media
Die historische Boxenanlage wurde letztmals 1982 genutzt, Foto: 24h Media

1982 standen 24 Stunden auf dem Nürburgring im Zeichen des Abschieds. Das Rennen, das damals im Oktober ausgetragen wurde, entwickelte sich zum Abgesang für die historische alte Boxenanlage und die Betonschleife. Danach erfolgte der Aufbau der Grand-Prix-Strecke inklusive neuer Boxenanlage. Aus diesem Grund wurde 1983 auch kein 24-Stunden-Rennen ausgetragen. Zum Abschied der historischen Einrichtungen konnten die Veranstalter unter anderem die beiden amtierenden Weltmeister Keke Rosberg und Ari Vatanen von einem Start überzeugen. 'Nürburgring-König' Klaus Ludwig feierte im Dreiliter-Ford-Capri den ersten seiner drei Gesamtsiege.

1986: Der größte Pechvogel

Aus dem Jahr 1986 datiert das Geschehen rund um einen der größten Pechvögel der 24h-Historie, denn es gibt bis heute keinen Nicht-Gewerteten, der so viel Vorsprung auf den Klassensieger herausfahren konnte. Schauplatz war die Klasse G4, in der 16 Starter antraten: Karl Rudolf Hamacher/Helmut Mallmann/Peter Fischer führten ab der vierten Stunde im VW Golf GTi. Fünf Minuten vor Schluss blieb der in der Gruppe mit drei Runden in Führung liegende Golf in der letzten Rennrunde im Adenauer Forst mit Getriebeschaden stehen. Zuschauer legten den VW sogar noch auf die Seite und versuchten eine provisorische Reparatur, doch alle Versuche halfen nicht. Fahrer Peter Fischer machte sich später große Vorwürfe, dass er nicht auf der Döttinger Höhe bis kurz vor 16:00 Uhr gewartet hatte. An der Imbissbude im Adenauer-Forst begoss er stattdessen seinen Frust und kehrte nicht mehr ins Fahrerlager zurück. Bis heute gilt: Nur wer bei Rennende aus eigener Kraft die Ziellinie überquert, kommt auch in die Wertung!

1992: Nebel und Zigaretten-Jockel

Nicht nur an der Box machte Jockel Winkelhock 1992 einen kurzen Zwischenhalt, Foto: BMW AG / Bock
Nicht nur an der Box machte Jockel Winkelhock 1992 einen kurzen Zwischenhalt, Foto: BMW AG / Bock

Dichter Nebel suchte das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring 1992 heim - und sorgte für sehr kuriose Szenen auf und neben der Strecke. Bevor sich die Rennleitung - erstmals seit 1973 - zu einer Renn-Unterbrechung entschied, schickten die Veranstalter das Safety Car raus. So mancher Fahrer bewies trotzdem mangelhafte Streckenkenntnis und verwechselte die Rennstrecke mit den umliegenden Rettungsstraßen. An seiner eigenen Legendenbildung arbeitete indes Joachim Winkelhock, der sich mehrmals bei Streckenposten während der Safety-Car-Phase eine Zigarette schnorrte.

1994: "Der Poldi hat mir den Scheibenwischer abgerissen"

1994 zog BMW die Aufmerksamkeit durch einen kuriosen Vorfall auf sich , Foto: 24h Media
1994 zog BMW die Aufmerksamkeit durch einen kuriosen Vorfall auf sich , Foto: 24h Media

Zwar wurde das Rennen wegen heftigen Sturms und umgestürzter Bäume für drei Stunden unterbrochen, doch in Erinnerung blieb vor allem eine Szene um die BMW von Prinz Leopold von Bayern und Joachim 'Jockel' Winkelhock. 'Poldi' flog im Bereich Aremberg ab und überschlug sich. Von hinten rauschte Winkelhock an, über dessen BMW 320i Prinz Leopold drüber flog. Verrückt: Prinz Leopolds Werks-BMW M3 riss mit der Heckschürze den Scheibenwischer von Winkelhock ab! Winkelhock funkte später an die Box: "Jockel an Box, kommen!" -"Ja, was ist denn los, Jockel?" - "Der Poldi hat mir gerade den Scheibenwischer abgerissen!" - "Was? Wie hat er dir den Scheibenwischer abgerissen?" - "Der ist mit seiner Karre über mein Fenster geflogen und hat mir den Scheibenwischer abgerissen. Ich komme an die Box, weil ich einen neuen brauche!"

2016: Vorsicht, Hagelsturm!

2016 sorgte ein Hagelsturm für Chaos in der Grünen Hölle, Foto: Motorsport-Magazin.com
2016 sorgte ein Hagelsturm für Chaos in der Grünen Hölle, Foto: Motorsport-Magazin.com

In der Eifel ist man wettermäßig einiges gewohnt. Doch ob man dort schon einmal von einem derartigen Hagelschauer heimgesucht wurde wie 2016? Schon kurz vor dem Start gaben die Veranstalter eine Unwetterwarnung aus, aber zunächst hielten die Wolken noch dicht. Nach knapp einer Stunde jedoch öffnete der Himmel seine Schleusen - und wie! Was folgte, waren ein Hagelsturm biblischen Ausmaßes und Fahrzeuge, die im Bereich Aremberg reihenweise wegen Aquaplaning in die Leitplanken krachten. Nach diesen unglaublichen Szenen musste das Rennen für drei Stunden unterbrochen werden. Beim Vierfach-Sieg von Mercedes-AMG sorgte Maro Engel mit einem beherzten Überholmanöver in der letzten Runde gegen Markenkollege Christian Hohenadel für Jubelstürme und den knappsten Zieleinlauf der Geschichte.

2021: Das kürzeste Rennen

2021 kam es zu einer Zwangspause, die mehr als 14 Stunden lang andauerte, Foto: Gruppe C GmbH
2021 kam es zu einer Zwangspause, die mehr als 14 Stunden lang andauerte, Foto: Gruppe C GmbH

Manthey-Porsche triumphierte beim letztjährigen 24h-Rennen, das mit einer Gesamtdauer von 09:31 Stunden als kürzestes in die Geschichtsbücher einging. Nach 2020 musste das Rennen zum zweiten Mal in Folge während der Nacht unterbrochen werden. Starkregen sorgte für eine schier unendlich lange Zwangspause von insgesamt 14:29 Stunden, die in einem gut dreistündigen Schlussspurt und dem vierten Manthey-Sieg ausgerechnet zum 25. Firmen-Jubiläum gipfelte.

Die erfolgreichsten Marken
GesamtsiegeMarkeJahre
20BMW1970-1973, 1984-1986, 1989-1992, 1994-1998, 2004, 2005, 2010, 2020
13Porsche1976-1978, 1988, 1993, 2000, 2006-2009, 2011, 2018, 2021
5Ford1979-1982, 1987
5Audi2012, 2014, 2015, 2017, 2019
3Chrysler1999, 2001, 2002
2Mercedes2013, 2016
1Opel2003
Die erfolgreichsten Fahrer
GesamtsiegeFahrerJahr
5Pedro Lamy, Marcel Tiemann, Timo Bernhard2001, 2002, 2004, 2005, 2010 2003, 2006, 2007, 2008, 2009 2006, 2007, 2008, 2009, 2011
4Fritz Müller, Marc Duez, Peter Zakowski, Marc Lieb, Romain Dumas1976, 1977, 1978, 1981 1992, 1995, 1998, 1999 1997, 1999, 2001, 2002 2007, 2008, 2009, 2011 2007, 2008, 2009, 2011
3Herbert Hechler, Klaus Ludwig, Hans-Joachim Stuck, Markus Winkelhock1976, 1977, 1978 1982, 1987, 1999 1970, 1998, 2004 2012, 2014, 2017