Die Balance of Performance sorgt schon vor den 24 Stunden von Le Mans (10.-11. Juni 2023) für reichlich Wirbel. Völlig überraschend hat das WEC-Komitee am Donnerstag dieser Woche - nur vor Tage vor dem offiziellen Le-Mans-Test an diesem Sonntag (04. Juni) - eine überarbeitete BoP für den Langstrecken-Klassiker veröffentlicht.
Dabei wurden die Einstufungen für die ersten vier Rennen der WEC-Saison 2023 - Sebring, Portimao, Spa und Le Mans - bereits Anfang März kommuniziert. Die frühzeitige Bekanntgabe sollte das sogenannte Sand-Bagging vor dem Highlight des Jahres, den 24 Stunden von Le Mans, verhindern.
Experten kritisieren BoP-Änderung für Le Mans
Geplant war ursprünglich nur, gegebenenfalls zwischen den WEC-Hypercar- und IMSA-LMDh-Plattformen anzupassen. Eine Neueinstufung innerhalb der beiden Konzepte war nach ausgiebigen Simulationen im Vorfeld nicht vorgesehen. Zahlreiche Szene-Experten kritisierten die Entscheidung der BoP-Macher, weil es sich um eine künstliche Angleichung des Hypercar-Feldes handele.
Dabei galten für die Hersteller Toyota, Ferrari, Peugeot, Glickenhaus und ByKolles (alle Hypercars) sowie die LMDh-Boliden von Porsche und Cadillac mit ihren unterschiedlichen Antriebskonzepten die gleichen Grundvoraussetzungen: eine per Reglement vorgegebene, maximale Systemleistung von 500 kW, was rund 680 PS entspricht. Alle Autos müssen sich bei der Entfaltung der Leistung über das gesamte Drehzahlband auf einer strikt vorgeschriebenen Leistungskurve bewegen.
ACO und FIA: Unterschiede größer als erwartet
Von diesem ursprünglichen Plan wollen der Le-Mans-Veranstalter ACO und der Automobil-Weltverband FIA jetzt nichts mehr wissen. In einem gemeinsamen Statement vom Donnerstag hieß es: "Die ersten Rennen der WEC-Saison 2023 haben gezeigt, dass die Unterschiede zwischen den verschiedenen LMH-Fahrzeugen in der Hypercar-Klasse größer sind als ursprünglich erwartet."
Und weiter: "Unter Berücksichtigung dieser Faktoren und nach einer gründlichen Analyse der verfügbaren Daten hat das WEC-Komitee beschlossen, dass das Ziel, ein ausgeglichenes Spielfeld innerhalb der Hypercar-Klasse sicherzustellen, am besten durch eine Korrektur sowohl zwischen als auch innerhalb der LMH- und LMDh-Plattformen erreicht wird."
Toyota muss 37 Kilogramm zuladen
Wenig überraschend ist Toyota am stärksten von der BoP-Änderung betroffen. Die Japaner haben die ersten drei WEC-Saisonrennen teilweise nach Belieben dominiert und galten auch für Le Mans, das dieses Jahr seinen 100. Geburtstag feiert, als große Favoriten auf den Gesamtsieg. Das Vorhaben, den sechsten Sieg in Folge seit 2018 einzufahren, ist jetzt wortwörtlich "schwerer" geworden.
Laut der neuen, bis auf Weiteres geltenden BoP-Tabelle müssen die beiden Toyota GR010 Hybrid jeweils 37 Kilogramm mehr im Vergleich zum vorangegangenen WEC-Lauf in Spa einladen. Ferrari mit seinem neuentwickelten und auf Anhieb schnellen 499P muss immerhin 24 Kilo zuladen. Auch die beiden LMDh-Vertreter in Le Mans, Porsche (+3 kg) und Cadillac (+11 kg), sind von den Änderungen betroffen. Beim bislang schwächelnden Peugeot-Werksteam und den Privatteams Glickenhaus sowie ByKolles verändert sich nichts.
Der Hybrid-Toyota geht laut aktuellem Stand mit 1.080 Kilogramm in Le Mans an den Start und wiegt 50 Kilo mehr als die leichtesten Autos im Feld, die Hybrid-losen Hypercars von Glickenhaus und Vanwall/ByKolles.
Kobayashi: "Sehr schmerzhafte Veränderung"
Bei der erlaubten Energie pro Stint erhalten Toyota (+4 Megajoule), Ferrari (+2 MJ) und Cadillac (+1 MJ) unterdessen einen leichten Vorteil. Die kurzfristige BoP-Änderung dürfte im Vorfeld der 24 Stunden von Le Mans zu den größten Diskussionsthemen zählen.
Kamui Kobayashi, Toyota-Fahrer und Teamchef in Personalunion, gab auf seiner Twitter-Seite schon einmal den Ton vor und kritisierte die "Last-Minute-Änderung": "36 kg führen zu einem Verlust von 1,2 Sekunden pro Runde laut Berechnung. Das ist eine sehr schmerzhafte Veränderung. An die Ingenieure, es tut mir leid, dass wir möglicherweise nicht genug Leistung erbracht haben. Aber trotz dieser schwierigen Situation werden wir ein gutes Auto bauen und gewinnen!"
24h Le Mans: Balance of Performance (Stand: 01. Juni 2023)
Hersteller | Gewicht | Leistung | Allrad-Antrieb ab... | Stint-Energie | Zusatz-Boxenzeit |
---|---|---|---|---|---|
Cadillac V-Series.R | 1.046 kg | 513 kW | - | 905 MJ | 1,0 Sek. |
Ferrari 499P | 1.064 kg | 509 kW | 190 km/h | 901 MJ | 1,2 Sek. |
Glickenhaus 007 | 1.030 kg | 520 kW | - | 913 MJ | 0,0 Sek. |
Peugeot 9X8 | 1.042 kg | 516 kW | 150 km/h | 908 MJ | 1,2 Sek. |
Porsche 963 | 1.048 kg | 516 kW | - | 910 MJ | 1,0 Sek. |
Toyota GR010 | 1.080 kg | 512 kW | 190 km/h | 908 MJ | 1,2 Sek. |
Vanwall-Vandervell 680 | 1.030 kg | 512 kW | - | 901 MJ | 0,0 Sek. |
diese 24h Le Mans Nachricht