Aus drei mach zwei - diese unerfreuliche Entwicklung mussten die Veranstalter der WEC in diesem Jahr hinnehmen, wenn man auf die Zahl der Werksteams in der LMP1 blickt. Audi, das Le Mans in den vergangenen beinahe zwei Dekaden geprägt hat wie kein anderer Hersteller, zog sich im Zuge der Diesel-Affäre um den Volkwagen-Konzern zurück. Nur noch Porsche und Toyota sind übriggeblieben. Die Zuffenhausener verzichten zudem auf den Einsatz eines dritten Autos, dieses bringt nun Toyota erstmals an den Start. Fünf Autos, zwei Hersteller, ein Ziel: Der Sieg an der Sarthe.

Das LMP1-Kräfteverhältnis in Spa

Bei der Generalprobe zum Saisonhöhepunkt lieferten sich Toyota und Porsche ein enges Duell, in dem die Japaner am Ende jedoch mit einem Doppelsieg triumphierten. Nach dominanten Trainings seitens Toyotas fand Porsche den Anschluss und konnte sich sogar die Pole Position sichern. In der reinen Rennpace aber hatte Toyota klare Vorteile. Selbst ungünstige Full-Yellow-Gelbphasen konnten den Sieg nicht verhindern.

Toyota vor den 24 Stunden von Le Mans 2017

Wie stark Toyota wirklich ist, offenbarte dann der offizielle Testtag in Le Mans. Diesen schloss das Team mit allen drei Autos an der Spitze ab. Porsche hingegen wurde von zahlreichen Problemen geplagt, die Zuverlässigkeit passte da noch nicht. Die Voraussetzungen für Toyota scheinen also zu passen, doch die Erinnerungen an das Drama des letzten Jahres sind noch allgegenwärtig. Damals schied man souverän führend in der letzten Runde aus.

In der letzten Runde schnappte sich Porsche den Le-Mans-Sieg 2016, Foto: Toyota
In der letzten Runde schnappte sich Porsche den Le-Mans-Sieg 2016, Foto: Toyota

"Nach dem Geschehen im Vorjahr, geben alle im Team Gas um bereit für diese Herausforderung zu sein", sagte Kamui Kobayashi. Numerisch befindet sich Toyota in diesem Jahr erstmals seit dem Wiedereinstieg 2012 gegenüber der Konkurrenz im Vorteil. Und der Speed scheint ebenfalls da zu sein.

"Wir reisen mit einem sehr positiv verlaufenen Testtag und zwei Siegen in der Tasche an. Die Vorbereitungen sind also bislang großartig verlaufen. Ich war beeindruckt, wie die Autos beim Testtag liefen, doch das zählt momentan nicht viel", sagte Sebastien Buemi. "Wir müssen uns richtig vorbereiten und während der gesamten Woche hart arbeiten", mahnt der Schweizer, der zusammen mit Kazuki Nakajima und Anthony Davidson in dieser Saison bislang beide Rennen gewinnen konnte und die WM entsprechend anführt.

Mit Yuji Kunimoto und Jose Maria Lopez bestreiten auch zwei Fahrer in Toyotas Aufgebot zum ersten Mal in ihrer Karriere die 24 Stunden von Le Mans. Ursprünglich wollte Toyota die beiden auf unterschiedliche Autos verteilen. Da Lopez jedoch beim Saisonauftakt in Silverstone schwer verunfallte und das Rennen in Spa auslassen musste, plante man um. "Es war immer mein Traum in Le Mans an den Start zu gehen, ich denke daher, dass das Rennen sehr eindrucksvoll sein wird, mit all den Fans, dem hohen Tempo und der Atmosphäre. Für mich ist die bevorstehende Woche ein Sache der Vorbereitung und alles Schritt für Schritt anzugehen", sagte Lopez.

Kunimoto kennt das Erlebnis Le Mans bislang nur aus Erzählungen innerhalb seiner Familie. "Ich kann es kaum erwarten diese Le Mans-Woche erstmals als Fahrer selbst zu erleben. Mein älterer Bruder Keisuke nahm hier bereits 2009 Teil, ich weiß daher, wie beeindruckend diese Veranstaltung ist. Als ich die Strecke beim Testtag erstmals befuhr, wurde mir schnell klar, dass dies eine sehr spezielle Strecke ist und sie gefiel mir auf Anhieb sehr", sagte der bislang wenig überzeugende Japaner. In Spa fuhr er der Pace deutlich hinterher. Zusammen mit dem zweiten Rookie Lopez ist fraglich, ob die Besetzung des dritten Autos genug Qualität und Routine besitzt, um an der Spitze mitzukämpfen. Mit Nicholas Lapierre haben beide aber immerhin einen Le-Mans-Veteran an ihrer Seite.

Porsche vor den 24 Stunden von Le Mans 2017

Porsche peilt in diesem Jahr den Hattrick in Le Mans an. Die vergangenen zwei Ausgaben des Klassikers entschieden die Zuffenhausener für sich. Nach Audis Ausstieg vertritt Porsche nicht nur den Volkswagen-Konzern allein, sondern auch die deutschen Autobauer. Doch der Spargürtel ist auch bei Porsche spürbar. Zum zweiten Mal in Folge verzichtet man auf ein drittes Auto. Dafür ist die Fahrereinteilung gegenüber dem Vorjahr deutlich verändert worden.

Für den zurückgetretenen Mark Webber konnte mit Andre Lotterer ein Mega-Star verpflichtet werden, der damit trotz Audi-Ausstiegs weiterhin an der Sarthe unterwegs ist. Zudem sind Marc Lieb und Romain Dumas nicht mehr dabei, stattdessen wurden nun Nick Tandy und Earl Bamber dauerhaft befördert, nachdem sie 2015 bereits sensationell mit Nico Hülkenberg im dritten Auto triumphierten.

Doch die Voraussetzungen für Porsche sind alles andere als optimal. In der bisherigen Saison musste man sich bei beiden WEC-Rennen Toyota geschlagen geben, auch der Vortest trieb den Verantwortlichen durchaus sichtbare Sorgenfalten auf die Stirn. "Le Mans 2017 wird ein extrem hartes Rennen", ist sich LMP1-Leiter Fritz Enzinger bewusst. "Das wird keineswegs nur ein Duell gegen Toyota. Der härteste Gegner in Le Mans ist und bleibt das Rennen selbst", stellt er die Herausforderung Le Mans nochmals hervor.

Im vergangenen Jahr gewann Porsche das Rennen dank der besseren Zuverlässigkeit. Diese wird auch am kommenden Wochenende entscheidend sein. "Den Respekt vor diesen über 5000 Kilometern bei Tag und bei Nacht mit oft wechselnden Wetterbedingungen und Geschwindigkeiten von über 330 km/h im permanenten Überrundungsverkehr darf man nie verlieren. Es gibt keine Garantien, es kann immer alles passieren", mahnt Enzinger.

Auch Teamchef Andreas Seidl verweist auf die Härte des Rennens, auch im psychischen Bereich - und zwar nicht nur für die Fahrer. "Man muss sich für den ganzen Event die Kräfte einteilen. Die Veranstaltung geht über mehr als zwei Wochen, während denen bei uns 90 Mann auf engem Raum unter großer Anspannung zusammenarbeiten", merkt er an. "Dabei gehen sie durch Höhen und Tiefen. Und am Samstag um 15:00 Uhr müssen alle, ob Mechaniker oder Fahrer, die geistige und körperliche Frische für das Rennen haben. Dann gilt es anzuwenden, was wir gelernt und trainiert haben", blickt er voraus.

24 Stunden von Le Mans: Das Kräfteverhältnis im Vorjahr

Alles schien angerichtet für den ersten Toyota-Sieg in Le Mans. Obwohl Porsche geschlossen in die erste Startreihe fuhr, konnte Toyota jederzeit mithalten und führte das Rennen über weite Strecken an. Audi war chancenlos, sowohl Pace, als auch Zuverlässigkeit passten nicht. So kam es zu einem Zweikampf mit Porsche, der kurz vor Schluss entschieden wurde, als Kazuki Nakajima im #5 Toyota auf der vorletzten Runde Probleme meldete und sein Auto kurz nach Anbruch der letzten Runde abstellen musste. Porsche erbte den Sieg mit Marc Lieb, Romain Dumas und Neel Jani.

Die Aussagen der Verantwortlichen vor den 24h von Le Mans 2017

Toshio Sato, Team-Präsident Toyota: "Le Mans ist das Highlight der Saison und Gegenstand der Teamleistung zwischen Higashi-Fuji und Köln. Ich möchte allen für die persönlichen Opfer und die harte Arbeit während der vergangenen Monate in Vorbereitung auf dieses Rennen danken. Wir erinnern uns alle lebhaft an das Geschehen im Vorjahr, doch das gehört der Vergangenheit an. Wir richten unseren Fokus auf dieses Rennen und erwarten auch diesmal an der Spitze mitzukämpfen. Nach den Siegen bei den ersten beiden WM-Läufen der Saison 2017 sind wir guter Dinge, wissen aber auch, dass Porsche zurückschlagen wird. Also müssen wir unser Bestes geben, um konkurrenzfähig zu sein. Der Testtag verlief für uns sehr gut, aber wir lassen uns davon nicht ablenken, denn was wirklich zählt, ist das Ergebnis nach 24 Stunden Renndauer. Ich gehe von einem sehr spannenden Rennen aus, was fantastisch für die Fans wäre. Wir können es kaum erwarten."

Andreas Seidl, Teamchef Porsche: "Es ist nicht die Renndistanz allein, die Le Mans zum schwierigsten Rennen der Welt macht. Man muss sich für den ganzen Event die Kräfte einteilen. Die Veranstaltung geht über mehr als zwei Wochen, während denen bei uns 90 Mann auf engem Raum unter großer Anspannung zusammenarbeiten. Dabei gehen sie durch Höhen und Tiefen. Und am Samstag um 15:00 Uhr müssen alle, ob Mechaniker oder Fahrer, die geistige und körperliche Frische für das Rennen haben. Dann gilt es anzuwenden, was wir gelernt und trainiert haben. Wir haben zur Vorbereitung sowohl im technischen als auch im operativen Bereich alles getan, was möglich war. Der Porsche 919 Hybrid, unser hochkarätiges Fahrer-Sextett und die Mannschaft sind startklar."