Alles scheint so klar wie Kloßbrühe: Audi hat ein Eisen mehr im Feuer als Toyota, ist zudem schneller. Man könnte meinen, dass die Ingolstädter sich allerhöchsten selbst an ihrem nunmehr zwölften Sieg in Le Mans hindern könnten. Und legt man einmal alle Fakten beieinander, so braucht man nicht mal mehr zu meinen, sondern kann getrost von einer Tatsache sprechen. Silverstone, Spa-Francorchamps, Le-Mans-Test: Die R18-Boliden waren dem TS030-Doppel stets überlegen. Nicht nur nur, was das reine Tempo angeht, sondern auch in puncto Haltbarkeit.

Ähnlich einseitig ist die Kräfteverteilung direkt hinter der Spitze, nämlich bei den Privatiers der LMP1-Sektion. Hier die unangefochtene Nummer eins: das Rebellion-Team. Die Schweizer haben ihre einzigen Gegner, Strakka Racing, sogar noch etwas eindeutiger im Griff als Audi Toyota. So sind beiden Lola-Coupés im Vergleich mit dem Strakka-Honda geradezu beunruhigend schnell. Sage und schreibe 3,6 Sekunden lagen am Ende der Einstellfahrten auf dem Circuit de la Sarthe zwischen den Fabrikaten. Darüber hinaus herrschst auch hier quantitatives Ungleichgewicht.

Der längste Tag des Jahres

Ergo wäre es wohl vermessen, ein spannendes Rennen zwischen den großen Prototypen zu prognostizieren. Denn unter den berühmten normalen Bedingungen dürfte genau das Gegenteil Realität werden. Die gute Nachricht ist: 24-Stunden-Rennen dauern 24 Stunden. Und obwohl die Le-Mans-Sieger in den letzten Jahren meist richtig getippt wurden: Welches war das letzte große 24-Stunden-Rennen, dass so verlief, wie es im Vorhinein erwartet worden war?

Ein Faktor, der die Unterschiede zwischen den verschiedenen Fahrzeugen mehr oder minder egalisieren könnte, ist Regen. Aktuelle Vorhersagen beinhalten sowohl für Samstag als auch für Sonntag tatsächlich einige Schauer, doch der Bärenanteil des Rennens wird höchstwahrscheinlich unter trockenen Bedingungen über die Bühne gehen. Beim Vortest hatte sich gezeigt, dass die Lücken zwischen Audi und Toyota sowie zwischen Rebellion und Strakka bei Nässe nicht mehr derart groß waren. Speziell die beiden Gesamtsieganwärter trennte unter dem Strich nur wenig.

Der Strakka-Honda (links) und ein Rebellion-Coupé, Foto: DPPI
Der Strakka-Honda (links) und ein Rebellion-Coupé, Foto: DPPI

Nichts ist unmöglich

Ebenfalls könnten verschiedene Boxenstopp-Strategien für Spannung sorgen. Da Audi und Toyota jeweils mindestens zwei Autos am Start haben, ist damit zu rechnen, dass es sogar teamintern divergente Taktiken geben wird. Ohnehin bleibt abzuwarten, wie genau sich Treibstoff- und Reifenverbrauch darstellen werden. Da die Toyota-Mannschaft ihren Renner in Le-Mans-Spezifikation bei der Generalprobe in Belgien wegen eines Defekts am Hybridsystem nicht bis zum Ende fahren lassen konnte, ist für Audi und die Öffentlichkeit eine gewisse Unbekannte entstanden.

Trotz der vermeintlich klaren Vorzeichen ist womöglich doch noch nicht alles entschieden. Denn wer weiß schon, was alles gesehen wird? Die Geschichte hat an der Sarthe bereits die verrücktesten Dinge und Sensationen aller Arten hervorgebracht. Das Motto des vermeintlich wichtigsten Autorennens der Welt dürfte im Jahr 2013 lauten: Nicht ist unmöglich. Le Mans.

Das Rennwochenende wird traditionell schon mittwochs mit dem offiziellen Training (16 Uhr) eröffnet werden. Motorsport-Magazin.com wird euch auf dem Laufenden halten.

Ergebnis des offiziellen Tests: LMP1

PNr. TeamFahrer Fahrzeug Rundenzeit
12Audi Sport Team JoestLoïc DuvalAudi R18 e-tron quattro3:22.583
23Audi Sport Team JoestOliver Jarvis Audi R18 e-tron quattro3:25.358
31Audi Sport Team JoestMarcel Fässler Audi R18 e-tron quattro3:25.647
48Toyota RacingAnthony DavidsonToyota TS030 Hybrid3:27.581
54Audi Sport Team JoestMarco Bonanomi Audi R18 e-tron quattro3:27.894
67Toyota RacingAlexander Wurz Toyota TS030 Hybrid3:29.593
712Rebellion RacingNicolas ProstLola B12/60 Coupé (Toyota)3:31.967
813Rebellion RacingMathias BecheLola B12/60 Coupé (Toyota)3:34.724
921Strakka RacingNick LeventisHPD ARX-03c (Honda)3:35.631