Ferrari-Pole im Qualifying, Toyota-Doppelsieg im Rennen: Der Saisonauftakt der WEC in Sebring bot einen abwechslungsreichen Mix aus Überraschungen und bekannter Routine. Ferrari sorgte bei der Rückkehr in die Topklasse des Langstreckensports nach genau 50 Jahren für einen Paukenschlag, als eines der beiden 499P-Hypercars die Pole Position vor den favorisierten Toyota eroberte.

Das folgende 1.000-Meilen-Rennen am Freitag auf dem Sebring International Raceway war dann aber eine klare Angelegenheit für die fünfmaligen Le-Mans-Sieger von Toyota. Die beiden seit 2021 in der WEC eingesetzten und für 2023 überarbeiteten GR010-Hypercars erzielten einen ungefährdeten Doppelsieg auf der US-amerikanischen Buckelpiste.

Foto: LAT Images
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Schlussfahrer Mike Conway im #7 Toyota (Conway/Kobayashi/Lopez) überquerte die Ziellinie als Erster nach 239 Runden, was einer Distanz von 1.438 Kilometern entspricht. Im Rennen, das um 12:00 Uhr Ortszeit am Mittag begann und in der Abenddämmerung endete, lief Brendon Hartley im #8 Toyota-Schwesterauto (Buemi/Hartley/Hirakawa) mit einem Rückstand von 2,1 Sekunden als Zweiter ein.

Ferrari: Pole und Podium bei Langstrecken-Rückkehr

Während sich die von P2 und P3 gestarteten Toyota mehrfach an der Spitze abwechselten, auf einen harten Zweikampf aber verzichteten, entwickelte sich der Kampf um den letzten Platz auf dem Podium zu einer eng umkämpften Angelegenheit. Am Ende setzte sich der #50 Ferrari 499P (Fuoco/Molina/Nielsen) gegen die restliche Hypercar-Konkurrenz durch und schnappte sich mit Schlussfahrer Antonio Fuoco den dritten Platz.

Der #50 Ferrari 499P sammelte zuvor sogar seine ersten Führungskilometer in der WEC - allerdings nur sechs Runden lang. Während einer frühen Safety-Car-Phase entschieden sich die Italiener, beide Hypercars für einen Tankstopp an die Box zu beordern. Während die Verfolger von Toyota automatisch die Führung übernahmen und sie bis zum Rennende nicht mehr abgeben sollten, kassierte Pole-Setter Fuoco eine Durchfahrtstrafe, weil er verbotenerweise während der SC-Phase überholt hatte.

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Hypercar-Ferrari kollidiert mit GTE-Ferrari

Der von Platz vier gestartete Ferrari 499P mit der Startnummer #51 (Pier Guidi/Calado/Giovinazzi) musste sich mit dem siebten Platz begnügen. Zwei Stunden vor dem Rennende kollidierte Alessandro Pier Guidi ausgerechnet mit einem GTE-Ferrari 488 von AF Corse, verlor die Kontrolle und rauschte zu allem Übel in einen GTE-Porsche hinein. "Unglücklich gelaufen", fand Teamkollege Calado, während Pier Guidi eine Boxenstopp-Strafe zusätzlich zu größeren Reparaturarbeiten am Bodywork in der Boxengasse absitzen musste. "Aber das Auto ist schnell und hat viel Potenzial, das ist positiv."

Deutlich schlimmer als den AF-Corse-Ferrari erwischte es unterdessen den #83 Ferrari 488 GTE von Richard Mille Racing (Perez Companc/Wadoux/Rovera). Perez Companc verlor in der 5. Runde auf dem Weg in Turn 1 die Kontrolle, rutschte von der Strecke, schlug seitlich in die Reifenstapel ein und überschlug sich. Der Franzose konnte den völlig zerstörten Ferrari aus eigener Kraft verlassen und löste die einzige Safety-Car-Phase des Rennens aus. Sieben Full-Course-Yellow-Phasen sorgten für weitere Verzögerungen.

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Porsche-Ferrari-Duell wie in alten Zeiten

Porsche blieb bei seiner Rückkehr in die Topklasse der WEC nach sechs Jahren eher blass. Die beiden nach dem LMDh-Reglement entwickelten Porsche 963, die zum IMSA-Saisonauftakt im Januar bei den 24h Daytona ihr Renndebüt gegeben hatten, fuhren auf die Plätze fünf (#5 Cameron/Christensen/Makowiecki) und sechs (#6 Estre/Lotterer/Vanthoor).

Der #2 LMDh-Bolide von Cadillac (Bamber/Lynn/Westbrook) erzielte Platz vier vor dem Zuffenhausener Duo, dessen Werkseinsätze der US-Rennstall Penske durchführt. Zwar werden in der WEC die Hypercars und die LMDh-Boliden durch eine komplizierte Balance of Performance angeglichen, doch die Pace von Toyota und Ferrari konnte Porsche nicht ganz mitgehen.

Das Potenzial der neuen Langstrecken-Ära zeigte unter anderem WEC-Rückkehrer Andre Lotterer, der sich im Porsche 963 ein aufregendes Duell gegen ein Ferrari-Hypercar lieferte, das an die legendären Sportwagenkämpfe aus alten Zeiten erinnerte.

Foto: Porsche AG
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Peugeot kämpft mit der Technik

Ein Rennen zum Vergessen erlebte Peugeot beim Start in die erste volle Saison mit dem 9X8-Hypercar. Die beiden Heckflügel-losen Prototypen kämpften schon früh mit technischen Schwierigkeiten. Der #94 Peugeot (Duval/Menezes/Müller) mit Startfahrer Loic Duval bog während der ersten von zwei Einführungsrunden in die Boxengasse ab, während das Team mit großem Aufwand ein Problem am ERS-System untersuchte und reparierte. "Als wir sicher waren, dass alles safe ist, haben wir das Auto dann wieder auf die Strecke geschickt", sagte Peugeot-Technikchef Francois Coudrain.

Die #94 drehte ihre Runden fortan im Sicherheitsmodus, um zumindest weitere Daten zu sammeln. Beim Zieleinlauf betrug der Rückstand knapp 100 Runden. Kaum besser lief es für das Schwesterauto mit der Startnummer #93 (Di Resta/Vergne/Jensen), das wegen eines Getriebeproblems viel Zeit verlor, zwischenzeitlich ans Ende des Feldes zurückfiel und letztendlich rund 20 Runden Rückstand aufwies. Peugeot hatte schon im Vorfeld ein schwieriges Wochenende erwartet, nachdem sich der einzigartige 9X8 mit den extremen Bodenwellen schwerer tat als die Konkurrenz.

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Villeneuve sorgt für Schreckmoment

Zumindest aus technischer Sicht lief es besser beim von ByKolles eingesetzten Vanwall-Hypercar (Dillmann/Guerrieri/Villeneuve). Der V8-Prototyp, der auf einen Hybridantrieb verzichtet, konnte zwar nicht die Rundenzeiten der Hersteller-Konkurrenz mitgehen, hielt sich über weite Strecken aber schadlos und landete beim Zieleinlauf mit über 25 Runden Rückstand auf dem achten Platz in der Hypercar-Klasse.

Für einen Schreckmoment sorgte Vanwall-Fahrer Jacques Villeneuve rund eineinhalb Stunden vor dem Rennende: Der Formel-1-Weltmeister von 1997 drehte sich auf der Strecke und hatte Glück, dass der nachfolgende Verkehr gerade rechtzeitig ausweichen konnte. "Wir hatten ein Problem mit der Aufhängung", erklärte Villeneuve.

Der weitere Privatier in der Top-Kategorie der Langstrecken-WM, Lokalmatador Glickenhaus, sah die Zielflagge nicht. Nach nur 62 Runden nahm das US-Team den Glickenhaus 007 vorzeitig aus dem Rennen. "Wir wissen nicht, was passiert ist", sagte Romain Dumas, der sich den V8-Renner mit Ryan Briscoe und Olivier Pla teilt. "Das Auto stoppte, ohne, dass es ein komisches Geräusch gegeben hätte. Schade, normalerweise ist unsere Zuverlässigkeit ein Pluspunkt."

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LMP2: Klassensieg für Debütant David Beckmann

Während der Kampf der Hypercars um den Gesamtsieg absolut im Fokus stand, sorgten auch die Klassen LMP2 und GTE-Am für reichlich Action auf der Strecke. Das britische Team JOTA (Beckmann/Ye/Stevens) mit dem neuen Teamchef Dieter Gass feierte den Klassensieg in der LMP2-Kategorie.

Nach 230 Runden hatte der #48 JOTA nur 2,8 Sekunden Vorsprung auf den #22 United Autosports (Albuquerque/Hanson/Lubin). Vor allem Prototypen-Debütant David Beckmann wusste zu überzeugen. "Meine Runs waren recht gut", sagte Porsches Formel-E-Testfahrer. "Keine Fehler und ordentliche Rundenzeiten."

In der GTE-Am-Klasse, die letztmalig in der WEC zum Einsatz kommt, setzt sich #33 Corvette Racing (Keating/Varrone/Catsburg) mit zwei Runden Vorsprung vor dem #77 Dempsey-Proton-Porsche 911 RSR (Ried/Pedersen/Andlauer) mit dem Deutschen Christian Ried durch.

Nach dem Saisonauftakt in Sebring, wo die WEC zusammen mit der US-Sportwagenmeisterschaft IMSA zum 'Super Sebring' gastierte, geht es für die Langstrecken-WM am 16. April 2023 mit dem 6-Stunden-Rennen in Portimao weiter.

WEC Sebring 2023: Rennergebnis (Hypercar-Klasse)

Pos.AutoFahrerRückstand
1 Toyota-LMH #7 Conway/Kobayashi/Lopez239 Runden
2 Toyota-LMH #8 Buemi/Hartley/Hirakawa+2,168 Sek.
3 Ferrari-LMH #50 Fuoco/Molina/Nielsen+2 Runden
4 Cadillac-LMDh #2 Bamber/Lynn/Westbrook+2 Runden
5 Porsche-LMDh #5 Cameron/Christensen/Makowiecki+4 Runden
6 Porsche-LMDh #6 Estre/Lotterer/Vanthoor+4 Runden
7Ferrari-LMH #51Pier Guidi/Calado/Giovinazzi+11 Runden
8Peugeot-LMH #93Di Resta/Jensen/Vergne+24 Runden
9Vanwall-LMH #4Dillmann/Guerrieri/Villeneuve+26 Runden
10 Peugeot-LMH #94Duval/Menezes/Müller+98 Runden
11 Glickenhaus-LMH #708Dumas/Briscoe/Pla+177 Runden