Porsche hat seine Rückkehr in die Top-Kategorie bei den 24 Stunden von Le Mans und weiteren Langstrecken-Klassikern rund um den Globus bekanntgegeben. Der Sportwagenhersteller steigt ab 2023 in die neue LMDh-Klasse ein, dem gemeinschaftlichen Reglement zwischen ACO und IMSA. Nach VW-Konzernschwester Audi ist Porsche der zweite Hersteller, der sich zum Nachfolger der LMP1-Kategorie bekannt hat.

Bereits kurz nach der Bekanntgabe, dass künftig Prototypen sowohl in der WEC als auch in der US-amerikanischen IMSA-Serie um Gesamtsiege kämpfen können, hatte der Porsche-Vorstand eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Die Bestätigung erfolgte nun in Form eines Interviews mit Entwicklungs-Vorstand Michael Steiner und Motorsportchef Fritz Enzinger in den Stuttgarter Nachrichten, statt wie üblich mittels einer Pressemitteilung des Herstellers. Diese folgte schließlich um 00:05 Uhr in der Nacht zu Mittwoch.

"Nachdem der Prüfauftrag erfolgreich abgeschlossen worden war, haben wir gesagt: Jawohl, da gehen wir rein, wir sind dabei", sagte Steiner. "In einer Hybridklasse mit vertretbarem Kostenaufwand um den Gesamtsieg mitzufahren, macht den Motorsport attraktiver und verspricht durch die überschaubaren Budgets mehr Wettbewerb. Das ist in der heutigen Zeit wichtiger denn je."

LMDH: Porsche hofft auf BMW und Ferrari

Ein Dutzend Hersteller hat die Ausarbeitung des LMDh (Le Mans Daytona hybrid)-Reglements aufmerksam begleitet. Nach Audi und Porsche sollen weitere Autobauer in die vergleichsweise günstige und dabei weltweit aufgestellte Kategorie nachfolgen. "Audi prüft das neue Projekt und will den LMDh-Einstieg vorbereiten", sagte Enzinger. "Das wäre dann die zweite Marke aus dem Volkswagen-Konzern. Wir hoffen natürlich, dass weitere Hersteller dazukommen. Ich denke da zum Beispiel an Ferrari oder BMW."

Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com plant Audi seinen Einstieg ebenfalls ab 2023, beginnend mit dem Florida-Klassiker auf dem Daytona International Speedway zu Jahresbeginn. Neben einem Werksteam dürften auch Kundenmannschaften die Audi-Prototypen einsetzen.

Foto: Porsche AG
Foto: Porsche AG

LMDh wesentlich günstiger als LMP1

"Im Hinblick auf die Kosten sprechen wir im Vergleich zu unserem LMP1-Engagement, das wir 2017 nach drei Gesamtsiegen beendet haben, von etwa einem Drittel", sagte Enzinger. Experten rechnen mit Gesamtkosten von 25 bis 30 Millionen Euro für einen Hersteller, um mit LMDh-Autos bei den wichtigsten Langstrecken-Rennen der Welt um Gesamtsiege kämpfen zu können. Diese Budgets bewegen sich etwa auf dem Niveau eines Formel-E-Engagements und sind weitaus günstiger als die vergangenen LMP1-Projekte von Audi, Porsche oder Toyota. Hier war die Rede von dreistelligen Millionenbeträgen.

Porsche ist der erfolgreichste Hersteller in der Geschichte der 24 Stunden von Le Mans. Die Zuffenhausener holten seit 1970 insgesamt 19 Gesamtsiege in Frankreich, zuletzt von 2015 bis 2017 drei Mal in Folge mit dem 919 Hybrid. Nach dem Ausstieg aus der LMP1-Kategorie wandte sich Porsche der Formel E zu und war nur noch mit GTE-911ern in der WEC und IMSA vertreten. 2021 kommen in der WEC weiterhin zwei 911 RSR zum Einsatz, während das Werksprogramm in der IMSA beendet wurde.

"Lange vor dem dritten Sieg in Le Mans haben wir vereinbart: Wenn wir das dreimal in Folge schaffen, dann werden wir es auch dabei belassen", sagte Steiner. "Die Kosten und der technologische Einsatz waren in der LMP1-Klasse enorm hoch. Unser Einstieg in die Formel E war vor dem Hintergrund dessen, was wir mit unseren Serienprodukten machen, nur konsequent." Angesichts der werksseitigen Ausstiege von Audi und BMW nach 2021, hat sich Porsche für die kommenden Jahre zur Formel E bekannt.

Porsche: Kein Formel-1-Einstieg mit eigenem Motor

Unterdessen ist ein Einstieg in die Formel 1 derzeit offenbar kein Thema. VW-Chef Herbert Diess hatte zuletzt mit einem viel diskutierten Eintrag auf der Business-Plattform LinkedIn die Gerüchte angeheizt und mit der F1 geliebäugelt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Konzerntochter Porsche 2017 und 2018 einen Sechszylinder-Motor auf dem Prüfstand laufen ließ. Das Hin und Her bei Volkswagen uferte kürzlich in der Bekanntgabe, das VW-Motorsportprogramm nach mehr als 50 Jahren einzustellen.

Porsche-Vorstandsmitglied Steiner jetzt: "Es ist kein Geheimnis, dass wir die Motorsportabteilung mit der Entwicklung eines Hocheffizienzmotors beauftragt haben. In Summe haben wir uns aber entschieden, nicht mit einem Motor in die Formel 1 einzusteigen. Unserer Einschätzung nach waren die Rahmenbedingungen ungünstig für jemanden, der neu dazukommen will. Wir haben das Projekt dann wieder auf die Seite gelegt."

Sechszylinder-Motor für LMDh-Projekt?

Der entwickelte Motor könnte stattdessen in der LMDh zum Einsatz kommen, wo die Entwicklung des Antriebsstranges zum Teil freigestellt ist. Aus Kostengründen werden alle Hersteller einheitliche Hybridsysteme von Bosch (E-Maschine, Inverter, Vehicle Control Unit, Brake-by-Wire-System) und Williams sowie Xtrac (Battery Management System und Getriebe) nutzen. Hinzukommen Einheits-Chassis, wahlweise von Dallara, Ligier, Multimatic oder Oreca.

Eine Alternative wäre die Hypercar-Formel der WEC gewesen, für die sich Toyota (ab 2021) und Peugeot (ab 2022) entschieden haben, um eigene Hybridsysteme an der Vorderachse zu nutzen und die Chassis komplett nach ihren Wünschen zu gestalten. Oder wie die Privaten ByKolles und Glickenhaus (beide ab 2021) komplett auf alternative Antriebe zu verzichten und stattdessen voll auf Saugmotoren zu setzen.

Damit LMDh und LMH (Le Mans Hypercar) in der künftigen Top-Kategorie mit dem Namen 'Hypercar' auf gleichem Niveau in Wettbewerb treten können, wurden die Leistungsdaten der Hypercars immer weiter beschnitten. Von den einst angepeilten 950 PS ist schon lange keine Rede mehr. Die Autos sollen stattdessen maximal 500 kW respektive 680 PS leisten dürfen und damit ähnlich schnell sein wie die LMDh-Geschwister.

Foto: Porsche AG
Foto: Porsche AG

LMDh für Porsche höchst attraktiv

"Die neue LMDh-Kategorie ermöglicht uns, mit einem Hybridantrieb bei den Klassikern in Le Mans, Daytona und Sebring um Gesamtsiege zu kämpfen - und das zu vertretbaren Kosten. Das Projekt ist für Porsche höchst attraktiv. Der Langstrecken-Motorsport gehört zur DNA unserer Marke", erklärte Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG.

Pierre Fillon, Präsident des Automobile Club de l'Ouest ACO: "Diese mit Spannung erwartete Ankündigung ist eine hervorragende Nachricht für die Langstreckenrennen. Mit der Bestätigung seines Engagements für Hypercar wird Porsche nach Le Mans zurückkehren, um sich innerhalb des 24-Stunden-Rennens mit anderen großen Herstellern zu messen. Diese jüngsten Ankündigungen beweisen, dass unsere Regeln, die durch ein historisches Abkommen mit den USA gestärkt wurden, ein attraktives Angebot sind."