Der tragische Unfall auf dem Nürburgring, bei dem ein Mensch getötet und zwei weitere verletzt wurden, bringt die Nordschleifen-Szene in Unruhe. Der DMSB beschloss Maßnahmen, um die Sicherheit auf der Nordschleife zu verbessern - und erntete dafür Kritik. Ein Ende der Diskussionen scheint noch lange nicht in Sicht. Motorsport-Magazin.com verfolgt die Entwicklungen in der Eifel und stellt sie im Überblick dar.

28. März 2015: Es sollte ein fröhlicher Auftakt zur neuen Langstreckensaison in der Eifel werden. Doch beim ersten Lauf zur VLN ereignete sich ein tragischer Unfall, als der Nissan GT-R Nismo GT3 von Jann Mardenborough im Streckenabschnitt 'Flugplatz' abhob und über den Sicherheitszaun in den Zuschauerraum krachte. Ein Fan wurde tödlich verletzt, zwei weitere Personen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Das Rennen wurde sofort abgebrochen und nicht mehr gestartet.

29. März 2015: Nur einen Tag nach dem tragischen Unglück zog der Deutsche Motorsport Bund (DMSB) erste Konsequenzen. Aufgrund der Ereignisse wurde die Streckenlizenz für die Nordschleife für bestimmte Klassen vorläufig ausgesetzt. Fahrzeuge der Klassen SP7, SP8, SP9, SP10 und SP-X waren damit bei DMSB-genehmigten Veranstaltungen auf der Nordschleife des Nürburgrings bis auf weiteres nicht mehr startberechtigt.

01. April 2015: Wenige Tage nach der ersten Ankündigung, überarbeitete der DMSB die gesperrten Klassen. Während die seriennahen SP10-Fahrzeuge wieder freigegeben wurden, blieben die Klassen SP7, SP8, SP8T, SP9, SP-Pro, SP-X sowie Cup-2, die GT-Klassen der H4, die E1-XP1, E1-XP2 und E1-XP Hybrid bis auf Weiteres verboten. Gleichzeitig kündigte der DMSB an, gemeinsam mit Rennfahrern und Experten über mögliche Maßnahmen zu diskutieren, um die Sicherheit auf der Nordschleife zu verbessern.

Gleichzeitig kündigte der ADAC Nordrhein an, dass das 24h-Qualifikationsrennen definitiv stattfinden wird. "Wir hielten es für das völlig falsche Signal, zum jetzigen Zeitpunkt die gesamte Veranstaltung abzusagen, auch wenn derzeit nicht feststeht, ob alle genannten Fahrzeuge tatsächlich zum Start auf der Nordschleife zugelassen werden", erklärte Walter Hornung, Rennleiter des 24-Stunden-Rennens.

07. April 2015: Eine Woche verkündete der DMSB die beschlossenen Maßnahmen: Neben einer Leistungssenkung um fünf Prozent und der Sperrung bestimmter Zuschauerbereiche, wurde auch eine Art 'Tempolimit' in bestimmten Streckenabschnitten festgelegt. In dem betroffenen Teil 'Flugplatz' herrschen ab sofort 200 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit, auf der Döttinger Höhe gelten 250 Stundenkilometer als Maximum. Das 24h-Qualirennen kann somit wieder inklusive der GT3-Boliden stattfinden.

08. April 2015: Viele Fans und Fahrer sind empört. "Motorsport und Tempolimit passen nicht zusammen!", lautet das allgemeine Echo. "Lächerlich!" Jürgen Alzen macht seinem Unmut auf Facebook öffentlich Luft. "Sorry, so angepasst werdet ihr mich nicht erleben", schimpfte der Ford-Pilot. "Hier am Ring, wo noch der letzte Rest puristischen Motorsports ausgetragen wurde, beerdigt man eine der geilsten Rennserien der Welt selbst! Das ist der DMSB-generierte Nordschleifen-Suizid!"

09. April 2015: Dirk Adorf, der selbst an der DMSB-Sitzung teilnahm, klärte über die getroffenen Maßnahmen auf. "Es blieben nur sehr wenige Möglichkeiten übrig!", erklärte Adorf. "Ich bin heilfroh, dass überhaupt eine Lösung gefunden wurde, ohne diese wäre für viele von uns Feierabend gewesen! In meinen Augen wurde eine Lösung gefunden und verabschiedet, die für die Fahrer, für die Teams, für die Fans/Zuschauer und für den Motorsport steht, auch wenn Sie allen nicht gefällt."

"Egal was entschieden worden wäre, egal wie eine andere Lösung ausgesehen hätte, für den Motorsport wäre diese zunächst falsch. Doch hier ging es um weit mehr als 'nur' den Motorsport. Es hätte ganz anders ausgehen können und es war kurz davor, dass dies geschehen wäre", mahnte Adorf. "Das solltet ihr bitte bei aller Diskussion nicht vergessen."

10. April 2015: Die Meinungen der Rennteams gehen auseinander. Kremer Racing konnte sich mit den Maßnahmen nicht abfinden, und zog die Teilnahme am 24h-Qualifikationsrennen zurück. "Ein Tempolimit auf einzelnen Passagen der Nürburgring-Nordschleife ist mit unserem Verständnis von freiem Wettbewerb im Motorsport nicht vereinbar", begründet Kremer-Teamchef Eberhard Baunach seine Entscheidung. "An Rennsport mit angezogener Handbremse haben wir kein Interesse."

Andere Rennteams wagen sich trotz der Änderungen auf die Nordschleife. "Unser ganzes Team akzeptiert selbstverständlich jede sinnvolle Maßnahme, die Sicherheit rund um die Nordschleife zu erhöhen", erklärt Uwe Alzen, der für das Haribo Racing Team ins Lenkrad greift. "Ein Tempolimit auf einer Rennstrecke ist natürlich extrem befremdlich. Aus unserer Sicht kann und darf eine solche Maßnahme ohnehin nur vorübergehend sein." Erst nach dem Qualirennen will das Haribo-Team entscheiden, ob man auch beim 24-Stunden-Rennen an den Start geht.

Gleichzeitig arbeiteten die Organisatoren des 24h-Qualirennens gemeinsam mit den Experten von DMSB, Nürburgring und VLN an den Details der neuen Sicherheitsregelungen. Sicherheitsbereiche, Tempozonen und Leistungsreduzierung wurden definiert und festgelegt. "Wir appellieren gemeinsam mit dem Nürburgring an die Vernunft der Besucher: Helfen Sie mit und befolgen Sie die Anweisungen der Ordner", sagt Walter Hornung, Rennleiter des 24-Stunden-Rennens. "Damit leisten Sie alle einen aktiven Beitrag zu Erhaltung der Nordschleife."

Der Streckenabschnitt Flugplatz bleibt für Zuschauer gesperrt, Foto: Sönke Brederlow
Der Streckenabschnitt Flugplatz bleibt für Zuschauer gesperrt, Foto: Sönke Brederlow

11. April 2015: Motorsport-Magazin.com ist am Nürburgring vor Ort - und nahm auch an der Fahrerbesprechung zum 24h-Qualirennen teil. Im Anschluss stellte Kremer-Racing-Teamchef Eberhard Baunach, der die Teilnahme bereits zurückgezogen hatte, nochmals klar: "Ich habe kein Problem mit einem Speedlimit in der Boxengasse, aber ich habe ein massives Problem damit, ein Tempolimit auf der Rennstrecke zu akzeptieren. Bitte finden Sie eine bessere Lösung!" Leichter Applaus von den Fahrern. Walter Hornung: "Ich habe bereits zu Beginn der Besprechung erklärt, dass die Möglichkeiten begrenzt waren. Wir hatten die Wahl zwischen dieser Maßnahme oder einer kompletten Absage des Rennens."

12. April 2015: Nach dem 24h-Qualifikationsrennen hörte sich Motorsport-Magazin.com im Fahrerlager des Nürburgrings um. Das Fazit der Tempozonen fiel größtenteils positiv aus. Bis auf wenige Verbesserungsvorschläge konnten sich die GT3-Piloten mit den Maßnahmen auf der Nordschleife abfinden. "Ich muss sagen, dass das Thema Speedlimit von den Verantwortlichen und den Leuten, die am Runden Tisch vertreten waren, sehr gut gelöst wurde", war beispielsweise Bentley-Pilot Christopher Brück zufrieden.

14. April 2015: Auf Wunsch der Lebensgefährtin des am 28. März im Bereich 'Flugplatz' der Nürburgring-Nordschleife tödlich verunfallten Rennbesuchers findet am 24. April ab 11 Uhr am Unfallort eine zwanglose Möglichkeit der Begegnung und des gemeinsamen Gedenkens statt. Mit ihr verbindet die Familie auch ihren Dank für die große Anteilnahme an einem schicksalhaften Geschehen. Um 12:51 Uhr, dem Zeitpunkt des Unfalls, spricht der Nürburger Pfarrer Klaus Kohnz Worte der Besinnung und des Andenkens an den Verstorbenen.

16. April 2015: Aufgrund der ersten Erfahrungen, die beim 24h-Qualirennen gesammelt wurden, kann der DMSB die Tempozonen anpassen. So wird die Zone im Bereich der Döttinger Höhe, für die eine Maximalgeschwindigkeit von 250 Stundenkilometer vorgegeben ist, von bislang Streckenposten 200 bis auf Posten 200a erweitert. Dazu wird das Tempolimit in der Boxengasse von 30 Stundenkilometer nun auf 50 Stundenkilometer festgesetzt. Weitere Manßnahmen blieben unberührt.

Kremer Racing sieht die Maßnahmen des DMSB unterdessen weiterhin kritisch. "Ein Tempolimit auf einzelnen Teilen einer Rennstrecke ist mit dem Urgedanken im Motorsport nicht vereinbar", meint Kremer-Inhaber Eberhard Baunach. Das Haribo Racing Team kann sich derweil zufrieden geben und gibt die Teilnahme am 24-Stunden-Rennen bekannt. "Auch wenn permanente Tempolimits keine dauerhafte Lösung sein können, so sehen wir dennoch, dass die Umsetzung unter der professionellen Rennleitung des ADAC Nordrhein verantwortungsvoll erfolgte. Der sportliche Wettkampf hat kaum gelitten", begründet Teamchef Hans Guido Riegel.

24. April 2015: Bei einer Trauerfeier am Streckenabschnitt 'Flugplatz', wo das Unglück vor rund einem Monat passierte, nahmen sowohl die Angehörigen als auch Rennfahrer, Fans und Vertreter der Rennstrecke von dem verstorbenen Zuschauer Abschied. Mehr als 150 Menschen waren gekommen, darunter auch DMSB-Präsident Hans-Joachim Stuck und Vertreter des beteiligten Nissan-Teams.

Der Nissan startete in schwarz, Foto: Patrick Funk
Der Nissan startete in schwarz, Foto: Patrick Funk

25. April 2015: Das erste VLN-Rennen nach dem tragischen Unfall findet statt. Auch das Nissan GT Academy Team RJN ist wieder am Start. Der Nissan ist in schwarz gehalten und trägt einen Trauerflor auf der Startnummer. Viele andere Teams zeigen ebenfalls Flagge und bestückten ihre Fahrzeuge mit einem Trauerflor.

29. April 2015: Kremer Racing gibt bekannt, dass das Team beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring starten wird. Die Sicherheitsbedenken bleiben jedoch weiterhin bestehen und Teamchef Eberhard Baunach hätte sich andere Maßnahmen gewünscht. "Die vom DMSB erzwungene Einbremsung der GT3-Boliden führt nicht zwingend zu mehr Sicherheit an und auf der Nordschleife", so Baunach.

Datum Ereignis
28.03.2015Bei einem tragischen Unfall stirbt ein Zuschauer, zwei weitere werden verletzt
29.03.2015Der DMSB reagiert einen Tag später: Mehrere Klassen werden gesperrt
01.04.2015Der DMSB kündigt an, an einem "runden Tisch" über Lösungen zu diskutieren
01.04.2015Gleichzeitig bestätigt der ADAC Nordrhein, dass das Qualirennen definitiv stattfindet
07.04.2015Der DMSB beschließt Sicherheitsmaßnahmen für die Nordschleife
07.04.2015Das 24h-Qualifiktionsrennen findet demnach inklusive GT3-Fahrzeuge statt
08.04.2015Die Meinungen der Maßnahmen gehen auseinander: Tempolimit sorgt für Kritik
09.04.2015Dirk Adorf begründet die Entscheidung des DMSB
10.04.2015Kremer Racing startet aufgrund des Tempolimits nicht beim Qualirennen
10.04.2015Der ADAC Nordrhein präzisiert gemeinsam mit dem DMSB die Regelungen
12.04.2015Beim 24h-Qualirennen kommen die Maßnahmen erstmals zum Einsatz
12.04.2015Das Fazit der GT3-Piloten fällt überwiegend positiv aus
16.04.2015Der DMSB bessert die Tempozonen nach, das Speedlimit in der Box wird erhöht
16.04.2015Haribo nimmt am 24h-Rennen teil, Kremer weiter kritisch
24.04.2015Bei einer Trauerfeier am Unglückort nimmt die VLN-Gemeinde Abschied
25.04.2015Der erste VLN-Lauf nach dem tragischen Unfall findet statt, Nissan startet in schwarz
29.04.2015Kremer Racing gibt bekannt, dass das Team beim 24h-Rennen an den Start geht