Das Präsidium des Deutschen Motor Sport Bundes (DMSB) hat am Dienstag auf einerSondersitzung umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen für die Nürburgring-Nordschleife beschlossen. "Dazu gehören Leistungsreduktionen für einige Fahrzeugklassen ebenso wie eine Art 'Tempolimit' in bestimmten Streckenabschnitten", erklärte DMSB-Präsident Hans-Joachim Stuck. "Außerdem sind einige Zuschauerbereiche vorerst nicht im gewohnten Umfang zugänglich."

Damit soll ein sicherer Rennbetrieb gewährleistet werden, bis die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach dem tödlichen Unfall am letzten März-Wochenende abgeschlossen und weitere DMSB-eigene Untersuchungen erfolgt sind. Vor der Entscheidung des DMSB-Präsidiums hatte eine Expertenrunde aus Vertretern des Rennstreckenbetreibers, der Automobilhersteller, von Profirennfahrern und Breitensportlern, der Veranstalter sowie DMSB-Sicherheits- und Technikexperten in Frankfurt getagt, um Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

"Alle Beteiligten waren sich einig, dass das alles getan werden muss, um Unfälle, bei denen Zuschauer zu schaden kommen können, zu verhindern", so Stuck. "Nun haben wir Maßnahmen beschlossen, die kurzfristig den Rennbetrieb wieder erlauben - wenn auch im eingeschränkten Umfang. Gleichzeitig setzt der DMSB eine Expertenkommission ein, die mittelfristige Lösungen erarbeiten soll, die dann möglichst unmittelbar nach der Rennsaison umgesetzt werden sollen. Dazu könnten umfassende Reglementänderungen ebenso gehören wie eventuelle Baumaßnahmen."

Vor allem der Reifenstapel, der den GT3-Boliden ausgehebelt und über die Streckenbegrenzung katapultiert hatte, wurde in den vergangenen Tagen oft in Frage gestellt - auch von aktiven Rennfahrern. Doch es gibt differenzierte Meinungen: "Wie viele Menschenleben die Reifen in den letzten Jahren geschützt haben, hinterfragt niemand", erklärte ein Insider gegenüber Motorsport-Magazin.com und weiter: "Egal ob Reifenstapel, Leitplanke oder Betonmauer: Das hätte in dieser Situation keinen Unterschied gemacht. Das ist Physik."

Im Einzelnen sind zur sofortigen Umsetzung folgende Maßnahmen vorgesehen: Die Fahrzeuge der Top-Klassen werden eingebremst, indem die Motorleistung um fünf Prozent reduziert wird. "Eine Anpassung der Leistung ist ohne weiteres möglich", erklärte ein Experte im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Änderungen an der Aerodynamik sind wegen der Kürze der Zeit allerdings nicht möglich.

"Unabhängig vom Unfall, muss man sich fragen, ob die GT3-Klasse auf dem richtigen Weg ist", grübelt die aktive Nordschleifen-Szene. "Man muss die Kosten reduzieren." Die Leistung und Aerodynamik der Fahrzeuge sind nach Meinung vieler Experten in den letzten Jahren zu umfangreich geworden. "Es ist ein gesunder Weg, wenn man die Autos ein bisschen langsamer macht. Man muss die Leistung wegnehmen, außerdem ist die Aerodynamik viel zu ausgefeilt."

Tempolimit an kritischen Abschnitten

Um ein gefährliches Abheben zu verhindern, muss die Geschwindigkeit an den kritischen Streckenabschnitten Flugplatz, Schwedenkreuz und Antoniusbuche reduziert werden. Dies erfolgt, indem jeweils einige Hundert Meter vor diesen Streckenabschnitten eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h gilt (auf der Döttinger Höhe von 250 km/h).

An kritischen Stellen herrscht ab sofort ein Tempolimit, Foto: Patrick Funk
An kritischen Stellen herrscht ab sofort ein Tempolimit, Foto: Patrick Funk

Diese wird - ähnlich wie bei Warnsignalen durch die 'gelbe Flagge' - per GPS kontrolliert und bei Verstößen mit drastischen Strafen belegt. Nach Passieren der Tempo-Zone darf wieder beschleunigt werden, so dass die Fahrzeuge mit ihrer individuellen Geschwindigkeit die kritischen Bereiche befahren. Da die Beschleunigung vermindert wird, erreichen die Fahrzeuge die Streckenabschnitte Flugplatz, Schwedenkreuz und Antoniusbuche mit deutlich geringerer Geschwindigkeit, als bisher. Gleichzeitig wird ein plötzliches Bremsen ausgeschlossen.

Daneben werden in den Streckenabschnitten Flugplatz, Schwedenkreuz, Metzgesfeld und Pflanzgarten einige Teile des Zuschauerbereichs vorerst nur eingeschränkt zugänglich sein, bis bauliche Veränderungen den Zugang zu diesen Bereichen wieder ermöglichen. Das vorläufige Verbot für die bislang ausgesetzten Fahrzeugklassen SP7, SP8, SP8T, SP9, SP-Pro, SP-X sowie Cup-2, die GT-Klassen der H4, die E1-XP1, E1-XP2 und E1-XP Hybrid auf der Nürburgring-Nordschleife an DMSB-genehmigten Rennveranstaltungen teilzunehmen, wurde aufgehoben.

Somit werden die GT3-Fahrzeuge schon am kommenden Wochenende beim 24h-Qualifikationsrennen wieder an den Start gehen. In der vergangenen Woche ließ der veranstaltende ADAC Nordrhein bereits verlauten, dass das Rennen definitiv stattfindet - egal ob die Klassen weiterhin verboten sind oder nicht.

"Mit dem beschlossenen Maßnahmenpaket können die in den nächsten Wochen auf der Nordschleife geplanten Veranstaltungen zunächst stattfinden. Gleichzeitig wird der DMSB den Rennbetrieb ganz besonders im Blick behalten und in einer Expertenkommission nach geeigneten Maßnahmen suchen, die sicheren und fairen Motorsport auf der Nordschleife auch in den kommenden Jahren ermöglichen sollen", so Hans-Joachim Stuck.