Gosia, herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten Podestplatz im Audi Sport TT Cup. Was waren deine ersten Gedanken nach dem Zieleinlauf?
Gosia Rdest: Ganz ehrlich: Das war der beste Tag meines Lebens! Ich konnte es einfach nicht fassen. Endlich hat sich all die harte Arbeit ausgezahlt. Als ich auf Platz drei liegend in die letzte Kurve einbog, dachte ich kurz, dass noch eine weitere Runde zu fahren sei. Aber dann habe ich die Zielflagge gesehen und einfach nur noch unter meinem Helm vor Freude geschrien. Ich habe das Auto geparkt und bin meinem Ingenieur, meiner besten Freundin und meinem Dad um den Hals gefallen. Ihm sind sogar die Tränen gekommen! Das waren Gefühle, die ich so vorher noch nie erlebt hatte.

Dein Podiumsplatz muss auch aus sportlicher Sicht wie eine Erlösung gewesen sein...
Gosia Rdest: Ja, auf dem Podium habe mit Champagner gespritzt und meinen Pokal geküsst. Darauf hatte ich seit dem Saisonbeginn gewartet. Ich wusste, dass ich konkurrenzfähig bin. Aber ich hatte einfach eine ganze Menge Pech. Auch am Nürburgring wusste ich, dass mich eine schwierige Aufgabe erwarten würde. Ich bin von Platz acht gestartet und die Top-10 geben in den Rennen alles, um ihre Position zu verteidigen. Aber ich hatte etwas Glück, gute Zweikämpfe, habe mich aus allem herausgehalten und zum Ende Push-To-Pass gespart. Zusammen mit Platz fünf im zweiten Rennen war es ein ganz großes Wochenende für mich auf dem Nürburgring.

Jubel über das erste Podest im Audi Sport TT Cup: Gosia Rdest, Foto: Audi Sport
Jubel über das erste Podest im Audi Sport TT Cup: Gosia Rdest, Foto: Audi Sport

Am Freitag war dein Rennwagen beim Bundesligaspiel zwischen Schalke und Bayern am Stadion in Gelsenkirchen vor großer Zuschauerkulisse ausgestellt. Was bedeutet das für dich?
Gosia Rdest: Das war super und ich weiß solche Möglichkeiten sehr zu schätzen. Die Zusammenarbeit mit Gazprom ist ohnehin etwas ganz Besonderes für mich und öffnet mir Türen für meine weitere Karriere im Motorsport. Ich bin einfach glücklich über die Partnerschaft und froh, dass ich das Vertrauen mit guten Ergebnissen zurückzahlen kann - und nicht einfach nur unterstützt werde, weil ich eine von sehr wenigen Frauen im Motorsport bin. Leider ist Motorsport in meiner Heimat Polen nicht sehr populär. Da bin ich auf jede Hilfe angewiesen und mit Gazprom habe ich einen großartigen Partner an Bord.

In der Tat hattest du es nicht einfach während deiner Anfänge im Motorsport...
Gosia Rdest: Nach dem Kartsport bin ich 2013 in die Formel 4 aufgestiegen. Weil ich zur gleichen Zeit in der Schule war, konnte ich aber nicht an allen Rennen teilnehmen. Mein Budget war ziemlich limitiert und auch die Möglichkeit zu Testfahrten. Deshalb habe ich mich zum Wechsel in den Tourenwagenbereich entschieden. Zunächst in Volkswagen-Cups und seit 2015 im Audi Sport TT Cup. Ich spüre die persönliche Entwicklung und bekomme ein immer besseres Gefühl fürs Auto. Mir gefällt der Weg, den ich eingeschlagen habe.

Gosia Rdests Ziel: Einmal in der DTM fahren, Foto: Audi Sport
Gosia Rdests Ziel: Einmal in der DTM fahren, Foto: Audi Sport

Wo bemerkst du die größten Fortschritte in deiner Entwicklung?
Gosia Rdest: Zu Beginn hatte ich zum Beispiel Probleme, ins Auto zu steigen und auf Anhieb richtig schnell zu sein. Jetzt nach der sechswöchigen Sommerpause bin ich ins Auto gesprungen und war schon nach drei Runden bei der Pace. Früher hatte ich auch Schwierigkeiten im Qualifying, meine Performance rechtzeitig abzurufen. Ich musste zu viele Runden fahren. Heute fahre ich zwei schnelle Runden im optimalen Fenster und weiß sofort, dass ich meine Rundenzeiten danach nicht noch weiter verbessern kann. Bei der Arbeit mit den Reifen und dem Handling des Autos habe ich mich natürlich auch verbessert. Ich kenne jetzt die Limits. Durch all die Rennen mit den erfahrenen Jungs um mich herum habe ich zudem gelernt, wie man clever in den Rennen fährt, Kollisionen am Start vermeidet und sich alles klug einteilt.

Du bist sehr aktiv auf Facebook, Instagram und Co. Hat man da als Frau einen Vorteil im Vergleich zu den fast ausschließlich männlichen Kollegen?
Gosia Rdest: Ganz zu Beginn hilft es natürlich, ein Mädchen zu sein - in der Masse an Rennfahrern stichst du dadurch sehr heraus. Aber: Du musst auch die entsprechenden Ergebnisse liefern, damit deine Posts einen wirklichen Gehalt aufweisen - und du nicht einfach irgendwelche Fotos online stellst. Social Media macht mir Spaß und ich profitiere auch ein wenig davon, dass ich Journalismus studiere. Dort lerne ich einiges im Umgang mit sozialen Medien.

Foto: Cezary Janczura
Foto: Cezary Janczura

Man sieht dich häufig im Fahrerlager sehr ausgiebig mit Fans sprechen. Gefällt dir die Aufmerksamkeit?
Gosia Rdest: Als ich zum ersten Mal Rennen in Deutschland gefahren bin, war ich einfach nur überwältigt, wie viele Zuschauer zu mir kamen, mit mir geredet haben und Fotos machen wollten. So etwas kannte ich vorher gar nicht! Auch jetzt macht es mir großen Spaß, mich mit den Fans zu unterhalten. Es ist so toll zu sehen, dass sich viele wirklich für meine Karriere interessieren und meinen Weg etwa auf Facebook verfolgen. Deshalb nehme ich mir dafür gern viel Zeit. Und mal ehrlich: Wenn ich ein Zuschauer wäre, fände ich es ja auch toll, wenn Rennfahrer sich mit mir unterhalten.

Wo soll deine Reise im Motorsport denn einmal hingehen?
Gosia Rdest: Mein Ziel ist die DTM. Das ist mein größter Traum und gleichzeitig meine größte Herausforderung. Ich denke, dass das möglich ist. Aktuell bin ich mit der Entwicklung meiner Karriere sehr zufrieden. Wenn es so weitergeht - warum sollte es dann nicht in Zukunft mit der DTM klappen?

Foto: Audi Sport
Foto: Audi Sport

Wann würdest du dich bereit fühlen für eine solche Herausforderung?
Gosia Rdest: Aktuell stecke ich ja noch mitten in meiner Entwicklung, da bin ich sehr realistisch. Ich bin nicht sicher, ob ich jetzt schon in der Lage wäre, ein DTM-Auto schnell über die Strecke zu bewegen. Aber wenn mir jemand morgen einen Test anbieten und mich fragen würde, ob ich mich dazu bereit fühle - dann würde ich natürlich sofort ‚Ja´ sagen!

Schon Pläne für die kommende Saison?
Gosia Rdest: Vermutlich fahre ich 2017 eine weitere Saison im Audi Sport TT Cup, um meine Fähigkeiten im Fronttriebler auf das höchstmögliche Level zu bringen. Danach würde ich gern in den Audi R8 GT3-Boliden aufsteigen, vielleicht ins ADAC GT Masters. Ich weiß, dass der Umstieg auf ein Heck-angetriebenes Auto mit so viel Power nicht einfach wäre - aber der Herausforderung stelle ich mich gern.