Mittlerweile ist die Saison wirklich in vollstem Gange und damit lässt sich auch schon recht gut sagen, wer wie stark einzuschätzen ist. Nach dem Rennen in Barcelona ist für mich auch klar, wen ich am stärksten einschätze. Valentino hat wieder allen zum Trotz bewiesen, dass er nicht zu alt ist, um verrückte Aktionen zu reiten. Das war wirklich unglaublich. Die Lücke hat niemand gesehen und auch selbst er hat es nicht so richtig glauben können, dass es funktioniert hat. Das war wieder einmal ein richtig gutes Rennen, ich denke, das beste seit Laguna Seca voriges Jahr.

Was Rossis härteste Konkurrenten betrifft, so würde ich Casey Stoner und Jorge Lorenzo als gleich harte Gegner einschätzen. Lorenzo ist mental sehr stark und Casey geht das höchste Risiko von allen, wenn die Ducati funktioniert. Dann ist er unheimlich gut. Wenn allerdings etwas nicht so funktioniert, wie er das will, dann ist Casey mental noch nicht da, wo er gerne wäre.

Rossi wird Mittel und Wege finden

Valentino Rossi wird weiter Champagner versprühen., Foto: Ronny Lekl
Valentino Rossi wird weiter Champagner versprühen., Foto: Ronny Lekl

Mit Lorenzo hat Rossi nun auch erstmals einen Gegner im eigenen Team. Doch Valentino ist der Meister der psychologischen Kriegsführung und hat es bislang auch gut so halten können, dass im Team so wenige Informationen ausgetauscht werden wie möglich. Dieses Jahr klappt das für ihn nicht mehr ganz und das gefällt ihm natürlich wenig. Lorenzo kann jetzt direkt seine Daten anschauen und sie auch hundertprozentig vergleichen, weil sie nun beide auf Bridgestone unterwegs sind. Rossi wird sich aber Mittel und Wege einfallen lassen, um ein paar Dinge zu verbergen, damit die andere Seite nicht allzu großen Nutzen daraus ziehen kann.

Die positive Überraschung der bisherigen Saison ist Marco Melandri. Er ist topmotiviert. Er will der ganzen Welt beweisen, dass er nicht an dem Desaster des Vorjahres schuld war, sondern es an der Ducati gelegen hat. Er macht das auch fabelhaft. Das zeigt auch, dass meine Meinung im vorigen Jahr zu den Entwickler-Qualitäten von Hopkins und West nicht ganz so falsch war. Keiner der Beiden konnte das Motorrad weiterentwickeln und Melandri macht jetzt einen echt guten Job. Sie haben zwar noch große Probleme mit der Traktion, auf manchen Strecken geht es besser auf anderen schlechter, aber Marco hat das Motorrad schon auf ein ganz anderes Niveau gehievt.

Hayden bleibt positiv

Bei Ducati steht Hayden meistens im Schatten von Stoner., Foto: Ducati
Bei Ducati steht Hayden meistens im Schatten von Stoner., Foto: Ducati

Leider nicht so positiv in Szene setzen konnte sich bisher Nicky Hayden. Der Test in Barcelona war für ihn auch eher negativ, das Rennen am Sonntag hatte da besser ausgesehen. Er strahlt aber nach außen hin immer noch eine recht positive Einstellung aus. Er sagt, er gibt nicht auf, er lässt sich nicht hängen und er bittet auch das Team, ihn nicht hängen zu lassen. Er ist also noch auf einem anderen Level unterwegs als Melandri Ende des vorigen Jahres. Wenn es jetzt die kommenden Rennen aber so weitergeht, wird es auch für ihn schwer werden, die Motivation aufrecht zu erhalten. Was ich positiv sehe, ist, dass sowohl Kallio als auch Canepa beim Test richtig gut unterwegs waren. Das heißt, dass das Motorrad doch benutzerfreundlicher wird und mehr Leute als Casey Stoner einigermaßen damit umgehen können. Ich denke, das sollte hoffentlich auch Nicky im nächsten Rennen gelingen, wenn er sich aus dem Abstimmungs-Dschungel befreien kann.

Der größte Coup der Saison war aber Gabor Talmacsis Wechsel in die MotoGP. Man kann sagen, er ist direkt aus der 125er nach oben gekommen, denn die paar 250er-Rennen, die er gefahren hat, waren eher eine Lernphase, als dass er richtig als 250er-Fahrer gegolten hätte. Die Erfolge waren dort ja auch noch nicht da, deswegen war es schon eine ganz große Sache, dass er gegen den Willen von Honda, Bridgestone und allen, die jetzt mehr Sachen für ihn produzieren müssen, den Platz bekommen hat. Er hat sich auch wirklich gut angestellt. Ihm kommt zugute, dass er zu Hause in Ungarn sehr viele Testfahrten auch auf 1000er-Maschinen macht. Man hat gesehen, dass er nicht zum ersten Mal auf so einem hubraumstarken Motorrad sitzt. Dafür, dass er vorher nie getestet hat, hat er eine wirklich gute Leistung geboten. Beim Test am Montag hatte er dann wenig Reifen und mit einem neuen Satz hätte er am Ende sicher eine 1:44 fahren können. Damit wäre er schon bei der Musik dabei, er hat also recht schnell gelernt.