Die DTM erlebte am ersten Rennwochenende der 40-jährigen Jubiläumssaison 2024 eine faustdicke Überraschung: Luca Engstler (GRT-Lamborghini) profitierte gemeinsam mit Winward-Mercedes-Pilot Maro Engel von einer Full-Course-Yellow-Phase kurz vor seinem Pflichtboxenstopp und fand sich so unverhofft in Führung wieder. In einer packenden Schlussphase behauptete der 24-Jährige gegen Engel den ersten Platz und sicherte sich seinen ersten DTM-Sieg.

"Mir fehlen die Worte. Ich bin so stolz und allen dankbar, die mich auf meiner Reise unterstützt haben. Ich kann es nicht erwarten, mehr davon zu bekommen", zeigte sich Engstler in der Pressekonferenz nach dem Rennen emotional. Selbiges galt für Engstlers Vater, den 70-maligen DTM-Starter Franz Engstler. "Ich habe nicht viel zu ihm gesagt, weil er geweint hat", verriet Sohn Luca.

Luca Engstler: Erster Sieg nach bestem DTM-Qualifying

Zugleich waren dem Wiggensbacher die Umstände des Triumphes bewusst. "Wir hatten offensichtlich etwas Glück mit der Full-Course-Yellow-Phase. Mit Blick auf die Pace wäre ich nicht im Kampf um den Sieg gewesen, vielleicht ums Podium", gab Engstler zu.

Den Grundstein für den überraschenden Erfolg hatte Engstler bereits im Qualifying gelegt. Mit nur 0,267 Sekunden Rückstand auf Pole-Setter Mirko Bortolotti (SSR-Lamborghini) hatte sich der Lamborghini-Nachwuchsfahrer auf Rang vier qualifiziert - der beste Startplatz seiner bisherigen DTM-Karriere.

Luca Engstler (GRT Grasser Racing Team) gewinnt sein erstes DTM-Rennen
Luca Engstler sicherte sich vor Maro Engel hauchdünn seinen ersten DTM-Sieg, Foto: DTM

Am Start hielt sich Engstler aus dem Getümmel an der Spitze heraus und fand sich nach dem Reifenschaden des von Position drei gestarteten Jack Aitken (Emil-Frey-Ferrari) auf Platz drei wieder. In der Folge konnte Engstler jedoch die Pace von Bortolotti und HRT-Mercedes-Pilot Luca Stolz an der Spitze nicht mitgehen und sah sich Druck von Stolz-Teamkollege Arjun Maini ausgesetzt.

Doch rund 33 Minuten vor dem Ablauf der Rennzeit kam es zur entscheidenden Szene: Rene Rast (Schubert-BMW) und Thierry Vermeulen im zweiten Emil-Frey-Ferrari berührten sich nach einem harten Kampf ausgangs von Kurve 3. Vermeulen kam von der Strecke ab und schlug in die Leitplanken ein. Beinahe zeitgleich bogen Engstler und Engel in die Boxengasse ab und sparten in der Full-Course-Yellow-Phase reichlich Zeit.

Zum Ende derselbigen betrug der Abstand des Duos auf den Rest des Feldes etwa 20 Sekunden. Zwar hatte der Führende Bortolotti bei seinem Boxenstopp Probleme, die ihn zwischenzeitlich auf Platz 16 zurückwarfen, den Sieg hätte der amtierende DTM-Vizemeister Engstler wohl aber ohnehin nicht streitig machen können. "Ich glaube, wir hätten mit Luca (Stolz; d. Red.) um die Position gekämpft. Die ersten beiden Plätze waren sowieso gelaufen, weil es heute einfach wieder ein Jackpot-Rennen war", zeigte sich Bortolotti am ProSieben-Mikrofon frustriert.

Mirko Bortolotti (SSR Performance)
Pole-Setter Mirko Bortolotti hätte Engstler wohl nicht gefährlich werden können, Foto: DTM

Engstler über Duell mit Engel: Versuchst zu überleben

Zwar konnte Engel schnell zu Engstler aufschließen und befand sich das letzte Renndrittel lang direkt hinter dem Grasser-Piloten, eine ernsthafte Attacke konnte der Routinier jedoch nicht mehr setzen. "Als ich ihn hinter mir gesehen habe, dachte ich mir, dass es ein langer Nachmittag werden würde", meinte Engstler. "Ich wusste, dass er und das Auto die Pace haben, also habe ich grundsätzlich einfach nur eine halbe Stunde in die Rückspiegel geschaut und versucht, ihm keinen Platz zu geben."

Keine einfache Aufgabe für Engstler, der seit seinem DTM-Debüt 2023 bisher nie über Platz sieben hinausgekommen war. "Ich habe einfach versucht, mich auf mich selbst zu fokussieren und keine Fehler zu machen. Ich hatte natürlich ein Auge darauf, was er macht, aber wenn du diese Art Fahrer hinter dir hast, fokussierst du dich auf dein Ding und versuchst zu überleben", zollte der Youngster Engel Respekt.

Engstler: DTM-Zukunft lange unsicher

Noch emotionaler kommt Engstlers Debüt-Sieg in der Traditionsserie in Anbetracht des vergangenen Winters daher. Nachdem Engstler seine erste DTM-Saison noch im Team seines Vaters mit einem Audi R8 LMS Evo 2 bestritten hatte, stand dem 18-fachen DTM-Starter nach dem Rückzug von Engstler Motorsport eine ungewisse Zukunft bevor. Ende Februar 2024 wurde Engstlers Markenwechsel von Audi zu Lamborghini bestätigt - inklusive seiner Verpflichtung als Lamborghini Young Driver. "Der letzte Winter war definitiv nicht einfach. Ich habe lange Zeit nicht erwartet, in der Startaufstellung zu stehen", gestand Engstler. "Jetzt also hier zu sein und am ersten Rennwochenende auf dem Podium zu stehen, ist einfach unglaublich."

Dennoch war sich auch der Oschersleben-Sieger bewusst, dass er nach wie vor eine Menge vom Lamborghini Huracan GT3 Evo2 zu lernen habe. "Ich fühle mich immer noch nicht sehr wohl mit dem Auto, da wir nur den Hockenheim-Test und den Testtag hier in Oschersleben hatten", so Engstler. "Ich nehme den Sieg also natürlich mit und bin glücklich, aber wir haben in den kommenden Rennen noch eine Menge Arbeit vor uns." Das nächste Rennwochenende der DTM findet vom 24.-26. Mai auf dem Lausitzring statt.