24. März 2024, Portimao. Es läuft die 23. und damit drittletzte Runde des Portugal Grand Prix. Marc Marquez attackiert Francesco Bagnaia im Kampf um Platz fünf. Der Gresini-Pilot bremst sich in der Haarnadelkurve Turn 5 innen vorbei, kann die Linie aber nicht halten und geht etwas weit. Bagnaia sieht seine Chance zum Konter und sticht innen durch, es kommt zum Kontakt. Beide Fahrer verlieren das Gleichgewicht, sie stürzen. Gemeinsam rutschen die beiden MotoGP-Weltmeister ins Kiesbett des Algarve International Circuit.

Die MotoGP-Saison 2024 hat damit ihren ersten großen Brennpunkt. Von den Stewards wird sofort eine Untersuchung eingeleitet, die einige Stunden später aber in einem 'Racing Incident' endet. Keine Strafe also für einen der beiden Ducati-Piloten. Dem stimmen Marquez und Bagnaia grundsätzlich auch zu, doch der Zwischenfall ist damit noch längst nicht begraben. Während Bagnaia sein Manöver verteidigt, schiebt Marquez ihm die Schuld in die Schuhe. Der Gresini-Pilot sagt, sein Weltmeisterkollege habe völlig unnötig und überhart agiert. Eine Aussage, die das MotoGP-Paddock spaltet und beim Amerika Grand Prix in Austin wohl erneut aufkommen wird, wenn Bagnaia erstmals die Chance zum verbalen Konter erhält.

Marc Marquez und Francesco Bagnaia kollidierten in Portimao erstmals, Foto: LAT Images
Marc Marquez und Francesco Bagnaia kollidierten in Portimao erstmals, Foto: LAT Images

Krieg der Honda-Piloten: Mick Doohan vs. Alex Criville

Der Zwischenfall in Portimao könnte also durchaus den Auftakt zur ersten echten Fehde zwischen Marquez und Bagnaia darstellen. Das wäre aber wahrlich nicht das erste Mal, dass zwei Alphatiere von Weltmeisterformat in der MotoGP aneinandergeraten. Im Gegenteil: Die erste große Kollision zweier Champions gab es bereits im Jahr 1996, also noch zu Zeiten der 500ccm-Klasse. Mick Doohan schickte sich damals an, seinen dritten WM-Titel in Folge zu gewinnen. Dabei bekam er nach zwei relativ entspannten Vorjahren aber erstmals richtige Gegenwehr von Honda-Teamkollege Alex Criville. Der Spanier etablierte sich 1996 als Spitzenfahrer und machte sich auf, den teaminternen Frieden langsam, aber sicher zu gefährden.

Das erste Aufeinandertreffen der Beiden gab es bereits beim legendären Spanien Grand Prix 1996, als tausende Fans frühzeitig auf die Rennstrecke in Jerez stürmten. Criville, der lange geführt hatte, musste in der letzten Runde dadurch etwas vom Gas gehen und öffnete so Doohan die Tür zu einer finalen Attacke. In der letzten Kurve setzte sich der Australier innen neben Criville, welcher anschließend zu früh ans Gas ging und per Highsider abflog. Ein an sich faires Manöver Doohans, welches beim gestürzten Spanier aber für viel Frust sorgte. Im Verlauf der Saison wurde der Ton in den Zweikämpfen dann immer rauer, ehe es beim Saisonfinale in Australien schließlich krachte.

Mick Doohan und Alex Criville gerieten 1996 mehrfach aneinander, Foto: MotoGP
Mick Doohan und Alex Criville gerieten 1996 mehrfach aneinander, Foto: MotoGP

Auf dem Eastern Creek Raceway wollte sich der frischgekrönte Weltmeister Doohan mit einem Sieg von den heimischen Fans verabschieden. Criville wiederum wollte Revanche für seinen verpassten Heimsieg nehmen. Die beiden duellierten sich bis zur letzten Runde hart, wobei Doohan jedoch die Oberhand zu behalten schien. Dann setzte Criville allerdings zu einem unmöglichen Manöver an, verlor die Kontrolle über seine Honda NSR500, krachte ins Hinterrad Doohans und riss beide Piloten zu Boden. Die Beziehung der Honda-Stars war endgültig zerstört, die Stimmung im Team angespannt. "Du solltest dein Verständnis von Racing überdenken", warf Doohan seinem Kontrahenten u. a. an den Kopf. Die Rivalität blieb in den folgenden Jahren, ernsthaft fordern konnte Criville Doohan aber nicht mehr. Erst nach dessen Karriereende gelang dem Spanier 1999 der erste und einzige WM-Titel.

Casey Stoner attackiert Rossi: Ambition größer als Talent!

Ab 2001 übernahm MotoGP-Legende Valentino Rossi das Zepter in der Königsklasse und dominierte für viele Jahre. Rivalitäten waren keine Seltenheit, aber Piloten wie Max Biaggi und Sete Gibernau konnten den 'Doktor' nie wirklich herausfordern. Dazu brauchte es dann schon einen jungen, aufbrausenden Australier namens Casey Stoner. Dieser krönte sich 2007 zum Weltmeister, 2008 und 2009 verlor er den Titelkampf gegen Rossi. Ab 2010 waren dann aber beide nicht mehr glücklich mit ihrer teaminternen Situation und entschieden sich zu einer Veränderung. Während Stoner mit dem Wechsel zu Honda den Sechser im Lotto zog, ging Rossis Ducati-Poker nicht auf. Der Altmeister verzweifelte an der Desmosedici GP11 und konnte sein Talent nur selten zeigen.

Einen dieser wenigen Glanzmomente hatte Rossi dann gleich beim zweiten Saisonrennen 2011 in Spanien. Auf nasser Strecke war er auf dem Vormarsch und hatte den Sieg vor Augen. Beim Überholversuch gegen Stoner übertrieb es der Italiener jedoch, verlor die Kontrolle und räumte seinen Kontrahenten ab. Während Rossi das Rennen nochmal aufnehmen konnte, war Stoner raus und mächtig sauer. Als sein Ducati-Nachfolger nach Rennende zur Entschuldigung in der Honda-Box auftauchte, meinte Stoner nur: "War deine Ambition größer als dein Talent?"

Casey Stoner war wenig begeistert von Valentino Rossis gescheitertem Überholversuch, Foto: Milagro
Casey Stoner war wenig begeistert von Valentino Rossis gescheitertem Überholversuch, Foto: Milagro

Der Sepang-Clash 2015: Die Mutter als Weltmeister-Fehden

Ähnlich hitzig wurde es in der MotoGP erst wieder im Jahr 2015, dann aber so richtig! Valentino Rossi kämpfte mit Yamaha-Stallgefährte Jorge Lorenzo um den Titel und unterstellte dessen Landsmann Marc Marquez einen parteiischen Eingriff in den WM-Kampf. Im Malaysia Grand Prix kam es dann zum direkten Duell der beiden MotoGP-Champions und Marquez tat genau das, was Rossi mit seinen Aussagen zuvor heraufbeschworen hatte. Er attackierte den Italiener im Kampf um Platz drei immer wieder und ließ ihn nicht davonziehen.

Beim 'Doktor' platzte daraufhin der Geduldsfaden. Er ließ sich zu einer der kontroversten Szenen der WM-Geschichte hinreißen: In der langgezogenen Rechtskurve T14 drängte Rossi Marquez immer weiter nach außen und beförderte ihn mit einem Fußtritt gegen das Motorrad schließlich zu Boden. Die Stewards bestraften Rossi mit einem Start vom Ende des Feldes beim Saisonfinale in Valencia, was ihn letztlich den WM-Titel kostete. Die Beziehung der beiden MotoGP-Superstars, die 2015 ohnehin zunehmend gelitten hatte, war endgültig zerstört. In den Jahren danach sollte es noch häufiger krachen - auf und neben der Strecke. Ruhiger wurde es erst gegen Ende der 2010er-Jahre, als Rossi zunehmend langsamer und Marquez immer dominanter wurde.

Der Sepang-Clash 2015 zwischen Marc Marquez und Valentino Rossi ist MotoGP-Geschichte, Foto: Yamaha
Der Sepang-Clash 2015 zwischen Marc Marquez und Valentino Rossi ist MotoGP-Geschichte, Foto: Yamaha

Aragon 2013: Repsol-Honda-Drama reloaded

2020 endete Marquez' Dominanz abrupt, an der Spitze der MotoGP entstand eine neue Rangordnung. So dauerte es bis zum Portugal Grand Prix 2024, ehe es erstmals seit dem Sepang-Clash 2015 wieder so richtig krachte. Eine fünfte Weltmeister-Kollision haben wir aber noch, die wir euch nicht vorenthalten wollen. Wieder ist Marc Marquez beteiligt, diesmal beim Aragon Grand Prix 2013. Sein Kontrahent: Honda-Teamkollege Dani Pedrosa. Zugegeben: Der 'Little Samurai' ist natürlich nie MotoGP-Weltmeister geworden. Aber wenn es jemanden gibt, dem man dieses Prädikat trotzdem verpassen kann, dann doch dem 31-maligen MotoGP-Rennsieger, oder nicht?

Außerdem: Vielleicht wäre Pedrosa heute ja MotoGP-Weltmeister, hätte es jenen Zwischenfall in Aragon nicht gegeben. Die beiden Spanier befanden sich damals nämlich im WM-Dreikampf mit Jorge Lorenzo, waren fünf Rennen vor Schluss nur durch 34 Punkte getrennt. In Aragon rückte der ersehnte erste WM-Titel für Pedrosa jedoch in weite Ferne. Marquez hatte ihn gleich zu Beginn des Rennens bei einem überambitionierten Manöver berührt und dabei sein Traktionskontroll-System durchtrennt. Am Kurvenausgang wurde Pedrosa per Highsider abgeworfen, während Marquez das Rennen später gewinnen sollte. Die Stewards griffen - sehr zum Unverständnis Pedrosas - nicht ein, eine Strafe blieb aus. Den neuen Rückstand von 59 Zählern sollte Pedrosa dann nicht mehr aufholen können. Seine letzte Chance auf den MotoGP-WM-Titel war somit dahin.