Ein unspektakulärer Sprint, ein langweiliges Hauptrennen: Das MotoGP-Wochenende in Misano brachte nicht die erhoffte Show - einzig abseits lieferten die knapp 140.000 Tifosi ab und sorgten speziell am Rennsonntag für eine einzigartige Atmosphäre beim Ducati-Heimspiel. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in beiden Rennen kaum Unterhaltung geboten wurde. Mehrere MotoGP-Piloten äußerten deshalb heftige Kritik am Misano World Circuit.

"Ich konnte niemanden überholen. Meine Pace war gut, ich hätte deutlich schneller fahren können als die Fahrer vor mir. Wir haben auf jeder Strecke Probleme, andere Fahrer zu überholen, aber hier war es nochmal schlimmer als sonst", klagt etwa Fabio Quartararo, der das gesamte Rennen auf Platz 13 feststeckte. Aleix Espargaro, vor einer Woche in Barcelona noch Double-Sieger, fand ähnliche Worte: "Ich konnte niemanden überholen, vor mir war ein Zug an Fahrern. Bis zu Platz fünf lagen wir innerhalb von vier Sekunden. Mein Rennen war mit dem Start gelaufen."

"Diese Strecke ist sehr eng und verfügt über hohen Grip. Mit dem modernen MotoGP-Bike mit Elektronik und Flügeln ist es fast unmöglich, hier zu überholen. Luca [Marini, Anm.] ist heute sehr gut gefahren. Zarco, Alex [Marquez, Anm.] und all die anderen waren deutlich langsamer, aber wir kamen einfach nicht vorbei. Es gibt keinen Platz", erklärte der Aprilia-Pilot sichtlich genervt. "Ich mag diese Art von Strecken nicht, weil es hier keine Show gibt."

MotoGP-Stars klagen: Kein Überholen möglich in Misano

Auch Marc Marquez kam nach Rennende zum gleichen Entschluss - obwohl er sogar zu den Profiteuren zählte. "Es gibt hier nur eine Möglichkeit zu überholen. Und zwar so, wie Binder gestern - am absoluten Limit. Anderenfalls ist es unmöglich", beschreibt er und untermauert seine Aussage direkt mit dem passenden Beispiel: "In den letzten Runden bin ich 1:33.0 gefahren und Marini kam mit niedrigen 1:32er-Zeiten angeflogen. Ich musste nur verteidigen und schon war es unmöglich für ihn, an mir vorbeizukommen." Marquez rettete so Platz sieben ins Ziel, Marini musste sich hinter Raul Fernandez mit P9 begnügen.

Die MotoGP sah in Misano wenig Überholmanöver - trotz enger Abstände, Foto: LAT Images
Die MotoGP sah in Misano wenig Überholmanöver - trotz enger Abstände, Foto: LAT Images

Espargaro fordert MotoGP-Promoter Dorna deshalb dazu auf, den Rennkalender in Zukunft zu überdenken. "Wir brauchen andere, größere Strecken", meint er. Doch ist der Misano World Circuit tatsächlich nicht mehr MotoGP-tauglich? Double-Sieger Jorge Martin stimmt nicht unbedingt zu. "Ja, auf dieser Strecke ist es schwer, zu überholen, aber es gibt Möglichkeiten", sagt er. Der Pramac-Pilot erinnert außerdem: "Wenn das Rennen so schnell ist wie heute, wird es eben schwerer. Ich habe 27 Runden lang gepusht. In einem langsamen Rennen ist es einfacher, zu überholen. Du solltest im Qualifying einfach besser abliefern, um gleich vorne dabei zu sein."

Zustimmung bekam der Pramac-Pilot von Markenkollege Marco Bezzecchi, der lange Phasen des Rennens im Führungstrio hinter ihm und Francesco Bagnaia festgesteckt hatte. "Wir hatten alle eine sehr ähnliche Pace, dann wird es eben schwer, zu überholen", sagt er. "Diese Strecke bietet zwei bis drei Überhol-Hotspots. Aber wenn alle gleich schnell sind, wird es eben schwerer, in eine Angriffsposition zu kommen."

Bagnaia: Reifenmindestdruck Schuld an schlechtem Racing

Bagnaia selbst brachte im Rahmen der offiziellen MotoGP-Pressekonferenz noch eine weitere Komponente ins Spiel, die das Überholen erschwert: Die seit Silverstone eingeführte Mindestreifendruck-Regelung. "Das sorgt dafür, dass wir nicht überholen können. Nach fünf Runden hinter einem anderen Fahrer wird der Druck einfach zu hoch und du beginnst, die Front immer wieder zu verlieren. Es wird sehr gefährlich", beschreibt der WM-Führende und hängt an: "Für das Überholen ist diese Regel ein Desaster."

Francesco Bagnaia konnte Jorge Martin wegen hohem Reifendruck nicht ernsthaft attackieren, Foto: LAT Images
Francesco Bagnaia konnte Jorge Martin wegen hohem Reifendruck nicht ernsthaft attackieren, Foto: LAT Images

Passend dazu verkündete MotoGP-Einheitsreifenhersteller Michelin am Sonntag eine neue Entwicklungsstrategie. In einer gesonderten Medienrunde informierten die Franzosen, dass schon ab der Saison 2024 eine neue Mischung und ab 2025 eine neue Konstruktion mit mehr Volumen zum Einsatz kommen soll, um den Vorderreifen weniger Temperaturanfällig zu machen. Michelin führt mit den Testfahrern der fünf MotoGP-Werke bereits erste Tests mit dem 2025er-Konzept durch, bei den Testfahrten in Valencia Ende 2023 oder Sepang Anfang 2024 sollen dann auch die Stammfahrer erstmals in den Genuss kommen.

Ob sich das Racing in Misano dadurch verbessern wird, steht noch in den Sternen. Der Vertrag des San Marino GP läuft nämlich mit Ende der Saison 2023 aus. Eine Verlängerung wurde bislang nicht kommuniziert.