Die MotoGP ist auf Expansionskurs. Ein Trend, der bereits vor mehreren Jahren seinen Ausgang genommen hat und der nur durch die Corona-Pandemie einen zwischenzeitlichen Dämpfer erhielt. 2022 fuhr die Motorrad-Weltmeisterschaft erstmals am neuen Mandalika International Street Circuit in Indonesien. Im kommenden Jahr sollen mit dem Sokol International Racetrack von Kasachstan und dem Buddh International Circuit in Indien zwei weitere Strecken ihr Debüt im MotoGP-Kalender geben.

'Sollen' - weil uns die vergangenen Jahre gelehrt haben, dass Promoter Dorna in seinen Ankündigungen über neue Rennen gerne etwas voreilig agiert. Eine kurze Zusammenfassung der geplatzten Träume in den letzten Jahren ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit: 2009 sollte der Balatonring in Ungarn ein MotoGP-Event austragen. Die Strecke wurde nie fertig und später zur Mülldeponie umfunktioniert. Ein weiteres Projekt in Ungarn, dieses Mal in der Nähe von Debrecen, hätte 2023 seine Premiere feiern sollen. Diese wird definitiv nicht vor 2024 stattfinden. 2015 hätte der Großbritannien-GP an den Circuit of Wales übersiedeln sollen, doch dort fuhr nie auch nur eine Baumaschine auf. Das Projekt existierte nur in den Köpfen der dubiosen Planer. 2017 wollte die MotoGP erstmals am finnischen KymiRing fahren. Dazu kam es erst zwei Jahre später und auch da nur im Rahmen von Testfahrten. Mehr als ein Asphaltband wurde dort bis heute nicht fertiggestellt. Mittlerweile ist die Rennstrecke insolvent und scheint im Kalender für 2023 nicht mehr auf. Nach Indonesien wollte die Motorrad-Weltmeisterschaft bereits 2018 zurückkehren, der Kurs in Palembang kam aber auch nie über einen ersten Entwurf von Architekt Hermann Tilke hinaus. In der laufenden Saison wäre ein Comeback in Brasilien geplant gewesen. Dem großspurig angekündigten Rio Motorpark wäre ein großes Waldgebiet zum Opfer gefallen. Das Umweltministerium untersagte wenig überraschend den Bau.

Der Balatonring wurde nie fertig und ist nun eine Mülldeponie, Foto: Peter Wolf
Der Balatonring wurde nie fertig und ist nun eine Mülldeponie, Foto: Peter Wolf

Die neuesten Einträge auf der Wunschliste der MotoGP sind nun also Kasachstan und Indien. Positiv: Beide Rennstrecken sind grundsätzlich fertiggestellt. Sie müssen zwar noch vom Motorradweltverband FIM homologiert werden, ein vergebliches Warten auf den Abschluss der Bauarbeiten wie in den vergangenen Jahren am KymiRing scheint aber unwahrscheinlich. Dass eine Austragung der neuen Grands Prix reibungslos verlaufen wird, ist damit aber noch lange nicht garantiert. Die Formel 1 warf etwa nach nur drei Rennen in Indien aufgrund der komplizierten Steuerbestimmungen entnervt das Handtuch. Diese Regelungen sollen seither gelockert worden sein, Genaueres weiß aber niemand.

Und Kasachstan? Dort wurden Anfang des Jahres Proteste der Zivilbevölkerung mit Unterstützung des russischen Militärs gewaltsam niedergeschlagen. 225 Menschen sollen dabei getötet und 4.300 verletzt worden sein. Die Absage des diesjährigen Finnland-Grand-Prix wollte die Dorna noch mit der "schwierigen geopolitischen Lage" nahe der russischen Grenze argumentieren. Eine Überlegung, die in Kasachstan keine Rolle zu spielen scheint. Egal, ob 2023 nun außerhalb von Almaty gefahren wird oder nicht. Alleine der Plan, Grands Prix an Länder ohne jegliche Tradition für und Beteiligung am Motorradrennsport zu vergeben, treibt den meisten Fans die Zornesröte ins Gesicht. Ein Blick in die Kommentarspalten der MotoGP-Social-Media-Kanäle reicht für diese Analyse aus. Wie die Reaktionen auf die vor kurzem mit Saudi-Arabien unterzeichnete Absichtserklärung ausfielen, erklärt sich wohl von selbst. Der Gang in neue Länder und das Erschließen neuer Märkte sollte für jeden Sport eigentlich ein freudiges Ereignis sein. Die MotoGP sorgte in den letzten Jahren aber leider für eine unappetitliche Suppe aus dubiosen Projekten und zweifelhaften Destinationen.

Die Formel 1 fuhr nur drei Jahre in Indien, Foto: Sutton
Die Formel 1 fuhr nur drei Jahre in Indien, Foto: Sutton

Dieser Kommentar erschien erstmals in Ausgabe 87 unseres Print-Magazins. Dort blicken wir natürlich nicht nur auf den MotoGP-Kalender, sondern auch auf die Formel 1, DTM & Co. Auf den Geschmack gekommen? Das Motorsport-Magazin könnt ihr seit neuestem nicht nur abonnieren, sondern auch an eure motorsportbegeisterten Liebsten verschenken.