Die MotoGP durchlebt aktuell eine schwierige Phase. Nicht nur, dass plötzlich mit Valentino Rossi und Marc Marquez zumindest vorübergehend die beiden großen Stars des Sports fehlen. Auch die Show auf der Strecke, vor wenigen Jahren noch die unbestritten beste in der Welt des Motorsports, lässt aktuell zu wünschen übrig.

Überholorgien gehören der Vergangenheit an. Das Racing ist statisch geworden, Positionswechsel sind eine Rarität. Die gewaltigen aerodynamischen Winglets der modernen MotoGP-Bikes sorgen für Luftverwirbelungen, die ein Hinterherfahren und in weiterer Folge Überholen extrem erschweren. Ride-Height-Devices sorgen unterdessen für immer höhere Geschwindigkeiten und mehr Bewegung in den Motorrädern, was die Reifendrücke oft in schwindelerregende Höhen befördert und somit Angriffe zusätzlich verkompliziert.

MotoGP erklärt: So funktionieren die Holeshot-Devices (09:44 Min.)

Es muss sich etwas ändern, darüber herrscht im MotoGP-Paddock - größtenteils - Einigkeit. Doch derartige Änderungen gestalten sich schwierig. Weil sich Ducati als Klassenprimus sowohl im Bereich der Ride-Height-Devices als auch der Aerodynamik querlegt und Regeländerungen blockiert. Solche gravierenden Anpassungen können in einer laufenden Vertragsperiode zwischen den Herstellern und MotoGP-Promoter Dorna aber nur durch einstimmigen Beschluss vorgenommen werden. Die aktuelle Periode läuft bis Ende 2026.

Muss die MotoGP also bis 2027 warten, um sich aus diesem Würgegriff zu lösen? Nicht unbedingt, denn in den letzten Rennen hat sich zunehmend ein Schlupfloch aufgetan. Wird eine technische Entwicklung als Sicherheitsproblem eingestuft, kann sie jederzeit mit sofortiger Wirkung verboten werden. Und genau diese Argumentation ließe sich aktuell in beiden angesprochenen Bereichen anwenden. Ride-Height-Devices gehen regelmäßig kaputt. Brad Binder musste in Indonesien das gesamte Rennen im abgesenkten Zustand fahren. Am Sachsenring mussten zuletzt Alex Marquez und Maverick Vinales aufgrund desselben Defekts aufgeben. Vinales bemerkte erst spät, dass er sich mit seiner Aprilia in der Kurve deutlich näher am Boden befand als vorgesehen. Nur mit Mühe konnte er einen Sturz vermeiden. Passiert ein derartiger Defekt an der falschen Stelle, könnte das dramatische Folgen haben.

Rins hatte bei seinem Le-Mans-Crash großes Glück, Foto: LAT Images
Rins hatte bei seinem Le-Mans-Crash großes Glück, Foto: LAT Images

Die Winglets hingegen sind in erster Linie eine Gefahr für andere Piloten. Die erzeugten Luftverwirbelungen machen nachfahrende Motorräder teils unkontrollierbar. Alex Rins flog in Le Mans etwa bei hoher Geschwindigkeit ab, weil ihn Dirty-Air aus der Balance gebracht hatte. Takaaki Nakagami erklärte nach seiner Start-Kollision mit Alex Rins und Francesco Bagnaia in Barcelona, er sei regelrecht in den gewaltigen Windschatten Bagnaias gesaugt worden.

Sicherheitsbedenken sind also ganz klar gegeben. Ein Verbot von Ride-Height-Devices und Winglets ist somit gleichermaßen möglich. Wer nun aber auf ein baldiges Verschwinden dieser Bauteile hofft, wird enttäuscht. Zu sehr sind die aktuellen MotoGP-Bikes auch um diese Systeme herum aufgebaut. Ein Verbot würde die Fahrzeugdynamik völlig verändern und die Motorräder unfahrbar machen. Eine Rückkehr zu klassischen MotoGP-Maschinen könnte also noch Jahre dauern.