Die MotoGP hat ihren neuen Weltmeister! Zum ersten Mal seit 2015 geht der WM-Titel wieder an Yamaha und zum ersten Mal triumphiert Fabio Quartararo in der Gesamtwertung. Doch auch abseits der Titelentscheidung zwischen dem Franzosen und dem unglücklichen Francesco Bagnaia hatte das MotGP-Rennen in Misano einiges zu bieten. Der Grand Prix der Emilia-Romagna in der Analyse.

Nutzlose Trainings

Aufgrund der Wetterbedingungen waren die Trainings in Misano von geringem Wert. Das Qualifying war die erste Session, in der die Strecke beinahe komplett trocken war. Somit gingen die Fahrer und Teams schlecht vorbereitet in den Renn-Sonntag und mussten sich bei der Reifenwahl zum größten Teil auf ihre Erfahrungen vom Rennen am 19. September bzw. dem anschließenden Test verlassen.

Für einen Großteil des Feldes war die Wahl klar: Medium-Mischung vorne und weicher Reifen hinten. Von den 23 gestarteten MotoGP-Fahrern setzten 19 auf diese Variante. Johann Zarco und Fabio Quartararo scherten bei der Hinterreifenwahl aus und setzten dort auf den Medium, während Ducati im Werskteam bei beiden Piloten auf den Medium-Reifen am Heck und die harte Mischung vorne setzte. Ein gravierender Fehler, wie sich später herausstellen sollte.

Reifenwahl im Emilia-Romagna-GP:

vorne/hintenFahrer
M-S 19 Fahrer
M-M Quartararo (4.), Zarco (5..)
H-M Miller (out), Bagnaia (out)

Der Start: Vorteil Bagnaia

Die Misano-Rechnung war für Francesco Bagnaia eine einfache: Kommt er vor Fabio Quartararo und auf einem der vorderen Plätze ins Ziel, vertagt er die Titelentscheidung auf Portimao. Das Qualifying brachte ihm einen Vorteil von 14 Plätzen gegenüber seinem Widersacher, denn während Bagnaia von Pole startete, stand Quartararo lediglich auf P15.

Durchbruch oder Ausreißer: Was ist Marquez' Sieg weit?: (11:09 Min.)

Der Start veränderte daran nicht viel: Bagnaia verteidigte seine Startposition und kam vor seinem Teamkollegen Jack Miller aus der ersten Runde. Quartararo hatte sich hingegen nur um einen Platz verbessert und sollte für den Rest des Rennens keine Gefahr mehr für Bagnaia darstellen. Stattdessen machte den Ducatisti aber ein alter Bekannter das Leben schwer: Marc Marquez. Der erwischte den besten Start im gesamten Feld und gewann in der ersten Runde vier Plätze. Damit saß er Miller und Bagnaia im Nacken.

Bagnaia und Marquez in eigener Liga

Überlegungen rund um mögliche Schützenhilfe für Bagnaia durch seinen Teamkollegen Miller hatten sich bereits in der vierten Runde erledigt. Denn dort verabschiedete sich der Australier dank eines eingeklappten Vorderrades in den Kies und machte jegliche Stallorder-Fantasien obsolet. Für Bagnaia stellte dieser Sturz ein böses Omen für später dar, sollte es ihn doch an derselben Stelle erwischen.

Nach Millers Ausfall war der Kampf um den Sieg ein Fall für zwei: Marc Marquez und Francesco Bagnaia zogen dem Feld auf und davon. In den ersten elf Runden war stets einer der beiden der schnellste Mann im Feld und von Runde 14 bis 23 ebenfalls. Einzig Pol Espargaro konnte in den Laps 12 und 13 kurzzeitig seinen Rückstand auf die Spitze verkleinern. Gegen Ende war Enea Bastianini der dominante Mann.

Schnellste Zeit in jeder der 27 Runden

Fahrer BestzeitenIn Runde
M.Marquez 11Lap 2-3, 5-6, 9-11, 15, 17, 20, 23
Bagnaia 10Lap 1, 4, 7-8, 14, 16, 18-19, 21-22
Bastianini 4Lap 24-27
P.Espargaro 2Lap 12-13

Die absolut schnellste Runde des Rennens drehte Bagnaia, der im 16. Umlauf eine Zeit von 1:31,171 Minuten erzielte. Marquez hingegen schaffte nur einen Wert von 1:32,356 Minuten. Diese Zeit erzielte er in der 5. Runde, als er eine kleine Lücke von knapp sechs Zehntelsekunden schließen musste, die durch den Crash von Miller unmittelbar vor ihm entstanden war.

Marquez und Bagnaia waren am Sonntag in einer eigenen Liga unterwegs. Bereits in der 4. Runde lag das Duo rund einenhalb Sekunden vor Pol Espargaro, nach der 13. der 27 Runden war dieser Vorsrpung auf rund drei Sekunden angewachsen. In Lap 22, der letzten die Bagnaia beenden konnte, lag Espargaro gar schon über sieben Sekunden hinter Marquez und mehr als acht hinter Bagnaia.

Eigentlich war das Rennen zu diesem Zeitpunkt auch für Marquez gelaufen, der keine Kraftreserven mehr für das Finish hatte. "Pecco war unglaublich schnell. Unmittelbar nachdem ich aufgegeben hatte, ist er gestürzt. Auf den letzten Runden hatte ich ein bisschen körperliche Probleme", gab er später zu. Tatsächlich hatte Marquez in den Runden 21 und 22 seinen Rückstand auf Bagnaia von 0,192 Sekunden auf 0,683 mehr als verdreifacht. In Runde 22 lag Marquez so weit hinter Bagnaia wie im gesamten Rennen noch nicht.

Was führte zu den Ducati-Crashes?

Hat es Francesco Bagnaia also übertrieben? Stürzte er zu einem Zeitpunkt, an dem er gar nicht mehr ans Äußerste pushen hätte müssen, da Marquez bereits geschlagen war? Nein, wenn man den Aussagen der Ducatisti und seines Mentors Valentino Rossi glaubt. Denn Miller und Bagnaia gaben unisono zu Protokoll: Der harte Vorderreifen musste permanent am Limit gehalten werden, um seine Betriebstemperatur nicht zu verlieren. Genau das geschah allerdings bei Miller und Bagnaia, die beide wenige Kurven zuvor etwas zu früh gebremst hatten, sodass ihr harter Vorderreifen in der kritischen Kurve 15 auf der linken Flanke nicht mehr warm genug war.

"Es hat zunächst wie ein Geniestreich gewirkt, aber dann zogen über der Startaufstellung Wolken auf und am Ende war es einfach nicht mehr warm genug", erklärte Miller nach dem Rennen. Bagnaias Mentor Valentino Rossi pflichtete ihm bei: "Ich habe versucht, bei der Reifenwahl auf Pecco einzuwirken. Gegen Ende des Rennens ist es hier unter diesen Wetterbedingungen einfach zu kalt für den harten Vorderreifen. Aber diesmal konnte ich ihn leider nicht umstimmen."

Bagnaia hingegen verteidigte seine Wahl und analysierte, dass er mit einem anderen Vorderreifen erst gar nicht so lange in Führung gelegen wäre: "Der Medium-Reifen hat bei mir an diesem Wochenende noch schlechter funktioniert als der Soft, der aber schon nach wenigen Runden am Limit war. Daher war meine Reifenwahl die richtige."

Marc Marquez ist wieder zurück

Des einen Leid, des anderen Freud. Denn das Rennen von Marc Marquez erhielt durch den Sturz von Bagnaia die endgültige Krönung. Der Triumph ist sein erster auf einem im Uhrzeigersinn gefahrenen Kurs seit seinem Erfolg in Motegi am 20. Oktober 2019 - das ist mehr als zwei Jahre her.

Am Samstag hatte er noch tiefgestapelt und von "maximal einem Top-5-Ergebnis" gesprochen. Dass es in den Trainings geregnet hatte, kam ihm körperlich allerdings so sehr zu Gute, dass er für Sonntag zum ersten Mal seit seinem Comeback gute Kraftreserven hatte. Nicht umsonst streckte er bei der Zieldurchfahrt seinen angespannten rechten Arm aus, als er stehend die karierte Flagge passiert hatte.

Der unglaubliche Enea Bastianini

Die letzten Runden gehörten allerdings Enea Bastianini. Der Italiener war nicht nur der schnellste Mann in jeder der letzten vier Runden, er fuhr im vorletzten Umlauf auch noch die zweitschnellste Rundenzeit des gesamten Rennens und fing damit Fabio Quartararo noch vom Podest ab. Bastianini holte damit sein viertes Top-6-Ergebnis in Folge und den zweiten Podestplatz binnen drei Rennen.

Von Startplatz 16 ins Rennen gegangen, dauerte es bis zur 17. Runde, ehe er in die Top-10 vorgestoßen war. In der Schlussphase schnappte er sich dann aber noch Luca Marini, Johann Zarco, Aleix Espargaro, Alex Rins und schließlich Quartararo ohne große Gegenwehr. Unterm Strich machte er damit 13 Plätze im Rennen gut - ex aequo mit Valentino Rossi der höchste Wert aller Fahrer. Auf den Zweitplatzierten Pol Espargaro hatte er im Ziel 7,2 Sekunden Rückstand - ein Wert, den er bereits in der 6. Runde hatte. Alleine in den letzten zehn Runden nahm Bastianini Espargaro fünf Sekunden ab.

Fazit: Viele Sieger in Misano

Fabio Quartararo krönte sich am Sonntag in Misano zum Weltmeister. Doch neben dem Franzosen gab es noch einige weitere Sieger. So etwa Marc Marquez, der zum ersten Mal seit seiner Verletzung auf einem im Uhrzeigersinn gefahrenen Kurs ganz vorne kämpfen konnte. Aber auch Pol Espargaros zweiter Platz - sein erster der laufenden Saison - ist als klarer Erfolg zu werten. Enea Bastianini ist ebenfalls einer der großen Aufsteiger der vergangenen Wochen. Wie bereits im ersten Misano-Rennen lachte er auch diesmal vom Podium. Sein letzter Zieleinlauf außerhalb der Top-6 datiert vom 29. August.