Die finale Standortbestimmung vor dem Saisonauftakt nächste Woche ist in der MotoGP durch. Das gesamte Feld der bislang fest gemeldeten Piloten war nach drei Testtagen in Katar durch nur 1,6 Sekunden getrennt. Damit stand Rookie Alex Marquez im Repsol Honda Werksteam da, wie Max in der Sonne: Vor ein paar Jahren hätte er mit diesem Rückstand noch gut im Mittelfeld gestanden - und jeder hätte von einem starken Einstand gesprochen. Sein Abschneiden hat aber genau so Gründe, wie das Zusammenrücken des gesamten Feldes. Motorsport-Magazin.com hat die Hintergründe.
Bestzeit: Maverick Vinales, Yamaha - 1:53,858 Minuten. Die Marke liegt noch rund eine halbe Sekunde hinter dem absoluten Streckenrekord für die MotoGP. Auf Rang 18: Cal Crutchlow, Honda. Rückstand: 0,972 Sekunden. Auf Rang 21: Alex Marquez, Honda. Rückstand: 1,661 Sekunden. Nur Aprilia-Testfahrer Bradley Smith war noch hinter dem Spanier - 2,058 Sekunden hinter der Vinales-Bestzeit.
Petronas Yamaha mischte auf den Rängen zwei und drei vorn mit, Jack Miller stellte auf fünf die beste Ducati, zwei Suzuki in den Top-Ten. Es ist nichts Neues, dass in der MotoGP mittlerweile um jedes Tausendstel gekämpft wird. Zwar gab es beim Test keine Zeitgleichheiten, doch das kam bereits letztes Jahr mehrfach vor. Eine Einführung deiner vierten Nachkomma-Stelle bei der Zeitnahme dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Zum Vergleich: Giacomo Agostini gewann teilweise mit einer Runde Vorsprung auf den Zweiten.
Yamaha: Das freundlichste Motorrad
Für Rookies war es immer eine gute Wahl, mit Yamaha in die MotoGP zu kommen. Die M1 wurde seit Valentino Rossis Ankunft bei den Stimmgablern im Jahre 2004 auf Fahrbarkeit und Handling getrimmt. Yamaha klagte in den letzten Jahren über mangelnde Power und Top-Speed, doch in Katar war man annähernd an der Konkurrenz dran. "Klar hätten wir es noch besser machen können", sagte Yamaha-Teammanager Massimo Meregalli. "Aber wir liegen nicht mehr so weit zurück, der Motor ist gut."
Dass Vinales den Test als schnellster beendete, ist auch keine Überraschung, war der Spanier doch in den letzten Jahren immer bei Tests vorne dabei. Mit Franco Morbidelli und Fabio Quartararo landeten die beiden Satelliten-Piloten direkt hinter ihm.
Technisch hat Yamaha aufgerüstet. Quartararo bekommt das Werks-Material, wie es auch Rossi und Vinales zur Verfügung haben. Teamkollege Morbidelli wird mit einem A-Spec-Motorrad ausgerüstet, dass dem Stand der Werksfahrer nur in wenigen Punkten hinterher hinkt. Das heißt: Alle vier Yamahas sind auf einem gleichen Level. Und seit Rossi merkt, dass er sich "ganz schön strecken muss", wenn er noch konkurrenzfähig weiter machen will, ist auch innerhalb Yamahas der Austausch der Daten zwischen den Fahrern immer mehr gelockert worden und heute haben alle vier Zugriff auf die Informationen der jeweils anderen drei.
Suzuki: Zurück in die Zukunft
Bei Suzuki sind Alex Rins und Joan Mir prinzipiell beides noch Grünschnäbel. Mir geht erst in seine zweite Königsklasse-Saison, was diese These daher nicht weiter auszuführen nötig macht. Rins aber hat schon zwei MotoGP-Siege auf dem Konto, acht Podeste.
Suzuki stützt sich bei der Entwicklung daher auf die Aussagen von Rins - und gabt diesem Bereits das übernächste Chassis zur Verfügung. "Eigentlich ist das jetzt schon die Version, die erst nach der nächsten Version geplant war, daher hatten wir hier nur eines da", schilderte Teammanager Davide Brivio. Bis zum Saisonauftakt sollen davon dann mindestens vier da sein - jeweils zwei für jeden der beiden Suzuki-Werksfahrer. Suzuki unterhält weiterhin kein Satelliten-Team, konzentriert sich daher voll auf die beiden Werksfahrer, die natürlich beide identisches Material unter dem Hintern haben werden, wenn nächsten Sonntag das erste Mal die Startampel aus geht.
Ähnlich verhält es sich bei Aprilia, wo es nur zwei Fahrer gibt, auf die man sich konzentrieren muss. Derzeit steht aber tatsächlich eigentlich nur einer zum Einsatz bereit und das ist Aleix Espargaro, denn Teamkollege Andrea Iannone bleibt aufgrund des mutmaßlichen Doping-Vorwurfes gesperrt. Aprilia hat zwar ein absolut brandneues Motorrad gebracht, aber die Entwicklungsarbeit bleibt nun voll auf Espargaros Schultern haften - und vermutlich auch deswegen hat man sich bei den letzten beiden Tests in Sepang und Katar immer wieder verrannt und ist an kleineren Problemen - und der Masse - hängen geblieben. Der Grundspeed der neuen Aprilia lässt aber aufhorchen.
Ducati: Wieder technischer Vorreiter
Ducati hat, wieder einmal, technisch alle Register gezogen. Dass die heutigen MotoGP-Maschinen aller Hersteller mit diversen Flügel- und Aero-Anbauteilen bestückt sind, geht auf das Ducati-Mastermind Gigi Dall'Igna zurück. Im letzten Jahr schockten die Bologneser mit dem Hole-Shot-Devise und einem Flügel unter dem Kiel des Motorrades vor dem Hinterreifen. Angeblich zur Kühlung der Pneus. Nach einigem Hin- und Her und Protesten und deren Ablehnung, haben alle Hersteller nachgezogen.
Das Hole-Shot-Devise haben mittlerweile auch alle Yamahas. Dabei geht es darum, das Fahrwerk des Motorrades beim Start "fest zu klemmen", um ein Aufschaukeln zu Verhindern und den maximalen Vortrieb zu generieren. Da dies aufgrund der Einheitselektronik nicht über zusätzliche Sensoren und Programmierungen umsetzbar war, kam Ducati mit der mechanischen Variante um die Ecke. Bekannt war das Thema eigentlich aus dem MotoCross-Sport - daher ist es umso verwunderlicher, dass eben Ducati mit dieser "Erfindung" mit wehenden Fahnen in die MotoGP einzog - und nicht KTM, deren Kernkompetenzen nach wie vor - noch - im Offroad-Rennsport liegen.
Ducati hat das Thema nun weiter getrieben - denn den Roten war auch klar, dass die anderen Hersteller nachziehen würden. Besonders Yamaha, deren größte Probleme Vinales in der Start- und Anfangsphase der Rennen hatte. Daher fiel den meisten in Katar ein neues Fahrwerks-Mechanisches-Helferlein auf: Die Ducati-Piloten können beim Rausbeschleunigen nun auch das Federbein blockieren, um ein Aufschaukeln des Motorrades zu verhindern und die Leistung besser auf die Straße zu bringen. Keiner der Fahrer durfte allerdings offen darüber sprechen - Miller schien aber am besten klar zu kommen, zumindest, was die Testergebnisse angeht, was bei Ducati aber noch nie viel bedeutet hat. Beim Test wird in Rot halt probiert und beim Rennen sind sie dann doch da.
Ducati: Zukunftsvorbereitungen
Konnte man in den vergangenen Jahren bei den Roten noch allerhand Oldtimer im Feld sehen, so hat sich das für 2020 drastisch geändert. Analog von Yamaha, bekommen die beiden offiziellen Pramac-Satelliten-Fahrer Miller und Francesco Bagnaia nun auch das "echte" Werksmaterial des aktuellen Jahrgangs. Selbst beide Avintia-Piloten - Tito Rabat und Johann Zarco - müssen sich lediglich mit dem Vorjahres-Motorrad begnügen und bekommen 2019er Desmosedici. In der Vergangenheit hatte Ducati teilweise bis zu drei Jahre alte Motorräder an die unterschiedlichen Teams aufgeschlüsselt. Mit sechs Maschinen bleibt der vermeintlich kleine italienische Hersteller weiterhin die Quantitativ stärkste Macht.
Die Philosophie dahinter ist eine relativ leicht durchschaubare: Mit nahezu großer Gewissheit werden dieses Jahr beide Plätze im Werksteam frei - zumindest wenn Andrea Dovizioso aufhören und Danilo Petrucci nicht liefern sollte. Nachdem schon so viele Fahrer an der Ducati "zerbrochen" sind, wird Bologna wieder einmal auf die eigenen Reihen zurückgreifen wollen - am wahrscheinlichsten Miller, auch möglich Zarco. Denn den störrischen Franzosen, der bei KTM 2019 sämtlichen Kampfeswillen über Bord und einfach hin warf, hat Ducati doch noch über den Weg Avintia aufgefangen und in der MotoGP gehalten.
2020 sollte das große Transfer-Jahr werden, alle Verträge liefen aus - doch drei der wichtigsten Aktien - Quartararo, Vinales und Marc Marquez - haben ihre Unterschriften schon gesetzt. Die Ducati-Strategie ist daher eine sehr starke: Allen einen größtmöglichen, ähnlichen Fahrbaren Untersatz zur Verfügung stellen und dann schauen, wer sich behauptet.
Honda: Marc Marquez um jeden Preis
Dass Honda das Wasser bis zum Hals steht, was die Konkurrenzfähigkeit des eigenen, aktuellen Motorrades angeht, zeigen die Entwicklungen von Katar. Marc Marquez ist an der Schulter verletzt - hat aber vor dem abschließenden Test schon auf vier weitere Jahre bei Honda unterschrieben. Von den vier RC213V sind drei des aktuellen Jahrgangs und werden von den Marquez-Brüdern Marc und Alex im Werksteam gefahren, sowie von Cal Crutchlow bei LCR. Dessen Teamkollege Takaaki Nakagami allerdings muss auf das 2019er-Werksmotorrad zurückgreifen.
Aber das hat er quasi zurückgegeben. Honda hatte sich in den Testtagen in der Wüste mehr als verrannt, die Fahrer klagen über das neue Motorrad und selbst PR-weichgespülte positive Worte fallen sichtlich schwer und sind nicht wirklich vernehmbar. Dies ging so weit, dass sich Marquez in Katar sogar ein letztjähriges Motorrad von Nakagami ausborgte, um damit endlich wieder auf einen grünen Zweig zu kommen.
KTM: Drei Mal Werk, ein Mal Rookie
KTM hat ebenfalls ein Grund auf Neues Motorrad gebracht und bei den Tests dabei gezeigt: 2020 darf man getrost auch mal auf das Podest schielen. Wenn sich Tester Dani Pedrosa zu einem Comeback entscheiden würde, vielleicht sogar öfter.
Doch auch KTM setzt dieses Jahr drei Maschinen im aktuellen Werks-Spec ein: Die beiden Factory-Racing-Fahrer Pol Espargaro mit Rookie Brad Binder, sowie im Tech3-Kundenteam der Portugiese Miguel Oliveira. Oliveira hatte diese Zusicherung bereits letztes Jahr bekommen, als Binder als Zarco-Nachfolger im Werksteam für 2020 unter Vertrag genommen wurde.
Fazit: Noch nie so viel aktuelles Material
2020 wird ein Premierenjahr in der MotoGP: Noch nie zuvor hat so viel gleiches, aktuelles Werksmaterial am Start gestanden. Die Entwicklungsspielräume werden ebenfalls immer geringer und gerade in Punkto Elektronik sind ja schon seit einiger Zeit die Daumenschrauben angelegt. Die MotoGP 2020 - das sind sechs Hersteller und 21 Vollblut-Talente und alle sitzen auf starkem, konkurrenzfähigem Material. Jedes Team und Motorrad hat seine Stärken und kennt seine Schwächen - und hat im Winter expliziet daran gearbeitet. MotoGP 2020 auf Moto3-Action-Nivau? Aber gerne, lasset die Spiele beginnen.
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