...und zwar mehr als je zuvor. Warum, werden Sie fragen. Ganz einfach, könnte man antworten, muss dann aber trotzdem weiter ausholen. Denn unbestritten ist, dass die Fans in Scharen kommen. Und kommen werden. Auch für diesmal lässt der Vorverkauf vermuten, dass es eine MotoGP-Party vor vollem Haus wird. Zum Glück. Denn leistungsmäßig schwächeln die deutschen Helden ja gerade ein wenig. Das stört aber die Fans in Hohenstein nicht. Denn sie kommen trotzdem. Und machen den Grand Prix von Deutschland zum größten deutschen Sportevent. Und das seit Jahren. Denn auch wenn logistisch nicht alles so perfekt wie an einer permanenten Rennstrecke ist, die Stimmung stimmt. Das Flair ist unschlagbar. Die Begeisterungsfähigkeit der Anwohner und aller anderen Beteiligten auch. Selbst die dort tätigen Polizisten sind ausnehmend freundlich und wissen genau, was die Region an der Veranstaltung hat. Man kann auch sagen, die gesamte Region lebt und liebt MotoGP. Nur reicht das leider nicht.

Kompliziertes Machtgefüge am Sachsenring

Denn auch jetzt ist wieder mal nicht klar, wie es mit dem Mekka der deutschen MotoGP-Fans weiter geht. Und das wenige Tage vor dem Rennen. Eigentlich ein schlechter Witz. Aber leider eben nicht. Die problematische Logistik ist das eine, die für Nicht-Insider schwer zu verstehende Gemengelage zwischen dem Promoter SRM, dem ortsansässigen ADAC Sachsen, dem ADAC in München und den verschiedenen Grundbesitzern ein nicht tragbares Problemfeld. Eine taugliche Lösung für die Zukunft muss her. Andere Rennstrecken wie Assen schaffen es auch, Verträge bis 2026 abzuschließen. Obwohl dort weniger Zuschauer kommen. Trotzdem verständlich, denn bei der Dutch TT redet die Ezpeleta-Abordnung der Dorna mit einem Rennstrecken-Management. Das aber gibt es in der Form am Sachsenring gar nicht. Wer weiß, vielleicht wäre der Grand Prix von Deutschland schon längst Geschichte, wenn der Promoter, die SRM, in den letzten Jahren nicht so rührig gewesen wäre. Und das wäre fatal. Gerade in Zeiten, in denen in Bälde keine WM-Titel zu erwarten sind, braucht Deutschland ein funktionierendes und vom Publikum akzeptiertes Rennen. Was die MotoGP am Sachsenring ist.

Sachsenring 2015: Gut gefüllte Tribünen so weit das Auge reicht, Foto: Repsol Honda
Sachsenring 2015: Gut gefüllte Tribünen so weit das Auge reicht, Foto: Repsol Honda

Was wären denn tragbare und funktionierende Alternativen? Oschersleben? Wohl kaum möglich, weder vom Streckenlayout noch von der Infrastruktur. Der Lausitzring? Nein. Wer die Mauern an Start und Ziel und der Gegengeraden schon mal aus Fahrerperspektive gesehen hat, wird sich dort niemals MotoGP wünschen können. Vom Layout und Asphalt der Strecke Stand heute mal ganz abgesehen. Hockenheim? Eigentlich reizvoll, ein volles Motodrom, wie zum Beispiel 1991, als es mit Waldmann, Bradl und Bohnhorst gleich in drei Klassen deutsche Siege gab. Nur zur Erklärung für die jüngeren Leser: Es gab damals auch noch die Seitenwagen auf WM-Niveau. Und Ralf Bohnhorst gewann zusammen mit Bruno Hiller genau dieses Rennen. Ein gewisser Kevin Schwantz gewann übrigens in der Königsklasse. Das war schon toll. Aber selbst trotz dreier deutscher Klassensiege gab es noch jede Menge Platz auf den Tribünen. Was aber das viel entscheidendere Problem ist: Hockenheim wäre Stand jetzt gar nicht homologiert. Und wird dies für die MotoGP ohne massive Umbauten auch nicht werden. Und ob dazu jemand bereit wäre? Mindestens genauso fraglich, wie die Frage, ob dort ähnliche Zuschauermassen kämen wie in Hohenstein-Ernstthal.

Diese Frage ist bei der ganzen Problematik ja nicht ganz unwesentlich. Denn wer braucht ein Rennen vor leeren Rängen? Genau, niemand. Und außer in Doha, wo Geld keine Rolle spielt sind eigentlich mittlerweile alle Rennen gut besucht. Und das hat teilweise Jahre gedauert. Wenn die Promoter ihren Job verstanden haben, freut man sich mittlerweile über ein volles Haus. Wie in Malaysia. Wenn nicht, dann sind diese Rennen nicht mehr im Kalender. Wie Istanbul oder Shanghai. Denn die Dorna will viel Geld verdienen. Wie in Katar. Dort kommen die Überweisungen auch ohne Publikum. Und die Dorna will volle Häuser. Denn nur so lassen sich die Internationalen Sponsoren überzeugen, Millionen für ihre teuren Werbepakete auszugeben. Es ist kein Zufall, dass in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge der Amerikanische Go-Pro-Konzern Titelsponsor am Sachsenring ist. Die Medien- und Marketingprofis aus Kalifornien wissen genau, dass am Sachsenring eine ganz besondere Stimmung zu finden ist. Und das in Kürze, auf einer anderen Rennstrecke, so hinzubekommen, dürfte unmöglich sein.

Das Motodrom von Hockenheim war nie gefüllt, Foto: Milagro
Das Motodrom von Hockenheim war nie gefüllt, Foto: Milagro

Ein runder Tisch muss her!

Zumal die letzte verbleibende Alternative, der Grand-Prix-Kurs des Nürburgrings, selbst im Chaos versinkt. Denn auch dort würde ein Rennen nur funktionieren, wenn Profis am Werk wären. Und zwar Marketing- und MotoGP-Profis . Mit Grausen denken viele ältere MotoGP-Fans noch ans letzte Rennen der WM in der Eifel. 1997 kämpfte Ralf Waldmann gegen Max Biaggi um den Titel in der 250ccm-Klasse. Und trotzdem waren nur knapp über 30.000 Zuschauer zu verzeichnen. Leere Ränge. Keine Stimmung. Nicht WM-würdig. Einfach peinlich. Ohne Promotion geht einfach nichts. Die Erinnerung an dieses grausame Stimmungstief sollte allen Beteiligten ein warnendes Beispiel sein. Noch hat MotoGP-Deutschland den Faustpfand der Begeisterung für die MotoGP rund um den Sachsenring. Wer jetzt Risiko geht und das eventuell aufgeben sollte, riskiert, dass es bald in Deutschland gar kein Rennen der MotoGP mehr gibt. Was ein Skandal wäre. Nur ein paar Stunden vor dem Rennen bleibt also der Appell an alle Beteiligten, endlich zur Vernunft zu kommen. Die Strecke ist da, die Struktur ebenfalls. Und die Fans sowieso. Also bitte! Ein runder Tisch mit allen Verantwortlichen muss auch in diesem Fall möglich sein. Denn die Nachwuchsarbeit, um wieder Erfolge in der MotoGP zu feiern, wird schwer genug. Ohne existierendes und funktionierendes Wohnzimmer wäre das fast unmöglich. MotoGP Deutschland braucht den Sachsenring. Jetzt! Und auch in Zukunft.