Geradezu gehagelt hat es in Misano Sanktionen von der Rennleitung, auch wenn das nach dem spannenden MotoGP-Rennen beinahe untergegangen wäre. In der Moto3 nahm eine Strafe für das Überfahren der Streckenbegrenzung sogar Einfluss auf den Kampf ums Podium. Droht nun der MotoGP ein ähnlicher Strafenwahnsinn wie in anderen Rennserien?

Prominentes Opfer in der Moto3: Danny Kent

Nachdem ihm in den Trainings schon mehrere Runden gestrichen wurden, weil er die Streckenbegrenzung überfahren hatte, erwischte es den WM-Leader in der Moto3 dann im Rennen richtig übel. Aussichtsreich noch auf dem letzten Rang der Spitzengruppe liegend, wurde Kent von der Rennleitung angewiesen, sich einen Platz zurückfallen zu lassen. Hinter ihm klaffte zu diesem Zeitpunkt schon eine Lücke von über drei Sekunden, die er im Verlauf des Rennens auch nicht mehr schließen konnte. Kent dazu: "Wir hatten heute definitiv die Pace, um zu gewinnen. Aber ich musste mich eine Position zurückfallen lassen und der Fahrer hinter mir hatte schon einen Abstand von mehr als drei Sekunden, also haben wir deshalb das Rennen verloren."

Danny Kent fühlte sich um seine Siegchance gebracht, Foto: Tobias Linke
Danny Kent fühlte sich um seine Siegchance gebracht, Foto: Tobias Linke

Aber auch Bagnaia und Oliveira erwischte es auf aussichtsreichen Qualifying-Runden. Selbst die MotoGP ist vor dem harten Durchgreifen der Rennleitung nicht gefeit: Dovizioso wurde eine Qualifying-Runde gestrichen, ebenso Hernandez. Und das Problem mit der Streckenbegrenzung beschränkt sich nicht auf Misano. Schon beim vorhergehenden Rennen in Silverstone wurde zahlreichen Piloten in allen Klassen immer wieder eine Session-Zeit gestrichen, auch wenn es in den Rennen von Silverstone selbst zu keinen Strafen für dieses Vergehen kam.

Neue Strafmöglichkeiten für Rennleitung

Seit dieser Saison hat die Rennleitung beim Abstrafen von Überfahren der Streckenbegrenzung während eines Rennens deutlich mehr Möglichkeiten. Bis 2014 war die Strafe auf zurückfallen lassen beschränkt, wie Jonas Folger 2014 in Misano schmerzlich feststellen musste. Nun ist es so, dass die Rennleitung entscheidet, ob sich der betroffene Fahrer einen Rang zurückfallen lassen muss, oder ob ihm stattdessen nach Rennende eine Zeitstrafe von fünf Sekunden aufgebrummt wird. Auch Durchfahrtsstrafen oder bei wiederholten Vergehen sogar Disqualifikation stehen im Raum. Als Erste wurde in Misano Maria Herrera Opfer der Neuregelung, sie überfuhr wie Kent ebenfalls mehrfach die Streckenbegrenzung. Weil sie aber schon mehr als fünf Sekunden vor dem nächsten Fahrer lag, musste sie diesen nicht passieren lassen, sondern erhielt am Ende des Rennens fünf Strafsekunden. In Herreras Fall änderte das wenig an ihrem 24. Platz, aber im Kampf um Punkte oder gar um das Podium können diese fünf Sekunden zwischen Sieg und Niederlage entscheiden. Wäre davon also einer der Spitzenfahrer betroffen, ist es durchaus vorstellbar, dass Protest eingelegt würde und es erst längere Zeit nach dem Rennen ein endgültiges Klassement gibt. Das kennt man bisher eher aus Rennserien wie der DTM, wo Strafen und anschließende Einsprüche und Verhandlungen zum Alltag gehören. Das wünscht sich sicher niemand für die MotoGP.

Valentino Rossi nimmt einen Strafpunkt aus Misano mit, Foto: Tobias Linke
Valentino Rossi nimmt einen Strafpunkt aus Misano mit, Foto: Tobias Linke

Allerdings waren in Misano die Strafen für das Überfahren der Streckenbegrenzung nicht die einzige drastische Maßnahme der Rennleitung. Valentino Rossi kassierte fürs Bummeln im Qualifying einen Strafpunkt, Jakub Kornfeil musste wegen eines technischen Verstoßes von ganz hinten starten und Hiroki Ono und Jorge Martin wurden um je drei Startplätze nach hinten versetzt, wiederum für Bummeln auf der Ideallinie. Auch Alex Rins musste feststellen, dass von der Rennleitung in Misano generell hart durchgegriffen wurde. Nachdem er mit einem wahnwitzigen Manöver Dominique Aegerter abgeschossen hatte und selbst im Kies gelandet war, nahm er mit mehreren Runden Rückstand das Rennen wieder auf und mischte in der Spitzengruppe mit, überholte dort zum Teil sogar riskant, obwohl er mit dem Kampf ums Punkte nichts mehr zu tun hatte - bis ihn die Rennleitung mittels schwarzer Flagge und somit Disqualifikation endgültig aus dem Rennen holte. Anders als bei Überschreiten der Streckenbegrenzung stellt sich hier auch gar keine Frage zur Diskussion. Was Rins da fabrizierte, war unnötig und gefährlich und gehörte bestraft.

Natürlich findet es kein Fahrer schön, bestraft zu werden, und es ist auch nicht optimal, wenn durch Strafen wie in der Moto3 möglicherweise der Ausgang eines Rennens beeinflusst wird. Andererseits aber muss die Rennleitung an einem bestimmten Punkt eine klare Linie ziehen. Die Streckenbegrenzung ist eindeutig markiert. Aus Sicherheitsaspekten sind viele Auslaufzonen mittlerweile asphaltiert, wo früher Kiesbetten waren, und können somit theoretisch und eben im Notfall benutzt werden. Sich dadurch aber eine bessere Linie zu verschaffen, führt die komplette Streckenbegrenzung ad absurdum.

Ob das Problem mit der Streckenbegrenzung beim nächsten Rennen in Aragon erneut auftreten wird, ist noch schwer zu sagen. Dort zierte rutschiges Kunstgras die Auslaufzonen bis letztes Jahr, als bei Regen mehrere Fahrer, unter anderem Valentino Rossi, auf diesem stürzten und eine Asphaltierung der Auslaufzonen forderten. Dementsprechend brachte es bis 2014 in Aragon keinen Vorteil, die Track Limits zu überfahren. Wie es nun damit aussieht, bleibt also abzuwarten. Die Rennleitung hat jedenfalls in Misano ihre Linie mehr als deutlich gemacht.