Der bayerische Teenager Philipp Öttl überzeugte vor allem im letzten Saisondrittel, in dem er regelmäßig in die Top Ten seiner Kategorie vorstoßen konnte. Auf seinem Karriereweg an die Spitze der Motorrad-Weltmeisterschaft formuliert Öttl deshalb ein neues, ehrgeiziges Etappenziel und will 2014 unter die ersten zehn der Gesamtwertung fahren. Der 17-jährige Sohn des fünffachen Grand-Prix-Siegers Peter Öttl hatte 2012 den Red Bull Rookie´s Cup auf 125ccm-Zweitaktern bestritten, gleichzeitig aber auch auf einem Moto3-Viertakter in der spanischen Meisterschaft mitgemischt. Damit war er bestmöglich für die neuen Herausforderungen gerüstet.

Natürlich dauerte es trotzdem seine Zeit, bis sich Öttl an das Weltniveau seiner Gegner im Grand Prix-Sport anpassen konnte. Ebenso wie viele der Länder, in die er zum ersten Mal reiste, waren auch viele Strecken bis dato unbekannt für ihn. Auch die kompromisslose Fahrweise, bei der die Besten der Moto3-Klasse vom Freitagmorgen bis zum Abwinken des Rennens am Sonntagnachmittag so gut wie immer am Limit fuhren, war eine neue Erfahrung. In den Trainings fuhr Öttl deshalb zunächst im hinteren Mittelfeld und hatte oft auch in der Qualifikation noch Schwierigkeiten, aus den einzelnen Streckensektionen eine völlig fehlerfreie Runde aneinanderzuketten.

Dafür aber steigerte er sich in den Rennen und sorgte überall mit tollen Aufholjagden für Furore. Beim Grand Prix von Le Mans Mitte Mai stürmte er vom 28. Startplatz auf Rang 15 vor und feierte den ersten WM-Punkt der Saison. Nicht weniger begeisternd war sein Kampf beim Heimspiel auf dem Sachsenring im Juli, wo er als 17. startete, zeitweilig auf Position 15 und damit in den Punkterängen fuhr und erst im Endspurt zwei weitaus erfahrenere Piloten passieren lassen musste. Trotzdem deutete sich beim Deutschland-Grand Prix bereits der bevorstehende Durchbruch an: Öttl war nur 24,5 Sekunden hinter dem Sieger ins Ziel gekommen und hatte seinen Rückstand pro Runde auf weniger als eine Sekunde verkürzt.

Wenige Wochen nach der Sommerpause, beim Grand Prix in Misano, wurde dieser Durchbruch dann Wirklichkeit. In allen Trainings schnell, qualifizierte sich Öttl als 13. für die fünfte Startreihe. Im Rennen bog er nach glänzendem Start als Zwölfter in die erste Kurve ein, machte noch in der ersten Runde weitere Positionen gut und übernahm schon in der dritten Runde den neunten Rang, den er geschickt bis ins Ziel verteidigte. Nach der Ehrenrunde wurde Öttl von seinem Team in der Box für diesen ersten Top Ten-Rang in der Weltmeisterschaft wie der Sieger gefeiert.

Doch es sollte noch besser kommen. Gleich beim nächsten Grand Prix in Aragon belegte Öttl am ersten Trainingstag den siebten Rang, steigerte sich in der Qualifikation am Samstag um mehr als eine volle Sekunde und preschte als Vierter in die zweite Startreihe. War das schon eine Sensation, so trauten die Zuschauern ihren Augen nicht, als Öttl im Rennen wie selbstverständlich mit den spanischen Überfliegern Alex Rins, Maverick Vinales und Alex Marquez um die Wette fuhr. Mehrere Runden hielt er mit den Topstars mit und drehte dabei sogar die schnellste Rennrunde, bevor sich das Trio zentimeterweise absetzen konnte.

In der zweiten Rennhälfte wehrte sich Öttl dann lange gegen WM-Leader Luis Salom und den portugiesischen Mahindra-Werkspiloten Miguel Oliveira und machte auch dabei eine tolle Figur. Hartnäckig kämpfte der Bayer um den vierten oder fünften Platz mit, den er im Finale nur wegen eines kleinen Fehlers bei einer Attacke auf Oliveira verpasste. "Gigantisch", entfuhr es Peter Öttl, Philipps Manager und Data Recording-Spezialist des Teams, nach dem sechsten Platz seines Sohnes.

Doch der Erfolg kam nicht von ungefähr. Seit dem Deutschland-Grand Prix hatte Öttl im Training eine steil ansteigende Formkurve gezeigt. Schnellere Rundenzeiten am Freitag und Samstag ermöglichten es Cheftechniker Stefan Kirsch, für das Rennen am Sonntag die optimale Abstimmung auszutüfteln, anstatt die Federung Schritt für Schritt an den besser werdenden Speed des Fahrers anpassen zu müssen.

"Cheftechniker Stefan Kirsch ist ein extrem erfahrener Mann, die Zusammenarbeit funktioniert perfekt, und das bereits in der vierten Saison. Stefan hat einen ganz großen Anteil am Erfolg, denn gemeinsam mit Hersteller Kalex trifft er bei der Abstimmung die richtigen Entscheidungen", stellte Peter Öttl nach dem Rennen fest. "Unser Motorrad ist zudem verdammt schnell, wir waren bei zwölf Grand Prix sechsmal an der Spitze der Topspeed-Wertung. Getriebeabstimmung, Motor-Mapping, Aerodynamik und wie Philipp auf dem Motorrad sitzt: Das zusammen macht ihn unheimlich schnell. Sagenhaft ist auch, dass Philipp in allen Tests, Trainings und Rennen bisher nur einen Sturz hatte, und zwar nur einen kleinen Ausrutscher im Regen von Assen. Das ist phänomenal und beweist, dass er noch Reserven hat und wie viel Potenzial in ihm steckt."

Dass Öttls Erfolg in Aragon keine Eintagsfliege war, bestätigte die Gesamtbilanz der letzten sechs Rennen, bei denen er fünfmal in die Punkteränge fuhr. Nur beim Grand Prix von Australien musste er einen Ausfall wegen eines kleinen Defekts im Zündsystem hinnehmen, der seine Kalex-KTM bei der Startaufstellung lahmlegte. Bis auf dieses kleine Missgeschick waren die Leistungen Öttls so konstant und gut, dass er sich aus deutscher Sicht hinter Jonas Folger als klare Nummer zwei der Moto3-Klasse etablieren konnte. Und weil Folger 2014 die Klasse wechselt und in die Moto2-Kategorie aufsteigt, steht Öttl als neuer deutscher Kronprinz der Moto3-Klasse fest, auf den nicht nur die Augen von Hersteller Kalex, sondern auch der deutschsprachigen Medien gerichtet sein werden.

Mit Öttls ansteigender Leistungskurve verzahnt sich auch die Zusammenarbeit mit Hersteller Kalex immer tiefer. "Wenn der Fahrer im Training, beim Testen und im Rennen schnell ist, dann gibt er auch die Entwicklung vor. Philipp war im letzten Saisondrittel im Training sehr schnell und konnte dadurch seinen Teil zur Entwicklung und zur Abstimmung beitragen. Das wird in Zukunft immer wichtiger, man wird immer mehr auf ihn hören", so Peter Öttl weiter. "Er wird immer mehr Input geben können, und das hilft natürlich nicht nur uns, sondern auch Kalex bei der Weiterentwicklung der Maschine."

Philipp Öttl selbst teilt den Optimismus in seinem Team. "Beim Saisonfinale in Valencia erzielten wir mit Rang neun unser viertes Top-Ten-Resultat und haben die Saison gut abgeschlossen. Wir haben uns über das Jahr hinweg kontinuierlich gesteigert und zum Schluss wirklich das geschafft, was wir uns vorgenommen hatten, nämlich konstant in die Punkte zu fahren. Das ist sehr positiv. Ich hoffe dass wir nächstes Jahr so weitermachen können", erklärt Öttl. "Mein persönliches Ziel ist, mich weiter zu verbessern, wobei der Schwerpunkt eher im fahrerischen als im mechanischen Bereich liegen wird. Wir werden auch im nächsten Jahr wieder ein voll konkurrenzfähiges Motorrad haben. Doch ich muss daran arbeiten, etwas präziser zu fahren, mir genauere Anhaltspunkte an der Strecke zu suchen. Daran fehlt es mir noch."

Gemessen an den Resultaten des letzten Saisondrittels wäre Philipp Öttl Gesamt-Achter gewesen, weshalb er sich vorgenommen hat, 2014 in der Gesamtwertung auf jeden Fall unter die ersten zehn vorzustoßen. "Dieses Ziel ist realistisch, denn wir haben wirklich ein superstarkes Team. Dass sich Interwetten dazu entschieden hat, uns künftig als Hauptsponsor zu unterstützten, rundet unser Paket auf fantastische Weise ab. So gut aufgestellt zu sein, wird unser Vorteil sein!"