Luca, der Grand Prix von Deutschland auf dem Sachsenring steht an. Du wirst mit einer Honda in der Moto3 antreten. Was sind deine Ziele?
Luca Grünwald: Zuerst werde ich natürlich versuchen, in allen Bereichen über das gesamte Wochenende mein Bestes zu geben und fahrerisch eine ansprechende Leistung abzurufen. Ein konkretes Ziel oder eine Prognose abzugeben, erscheint mir unmöglich, da wir unseren genauen Standpunkt im Vergleich zur Konkurrenz in der WM nicht kennen. Gegen die hoch gerüsteten Werksteams werden wir vermutlich keine Chance haben. Wenn alles gut läuft, liegen die hinteren Punkteränge im Bereich des Möglichen. Mein persönliches Ziel ist in den freien Trainings eine kontinuierliche Verbesserung gegenüber der Konkurrenz und ein gutes Zeittraining am Samstag. Am Sonntag werden wir dann versuchen, ein starkes Rennen zu zeigen und eventuell einige Fixstarter hinter uns lassen. Vielleicht schaffe ich es, bei einigen Beobachtern einen starken Eindruck zu hinterlassen, um eventuell für die Zukunft einen Stammplatz in der Weltmeisterschaft zu bekommen.

Dieser Wildcard-Einsatz verlangte einiges an Extrabudget. Sind deine Ziele mit dem technischen Stand deiner Honda möglich?
Luca Grünwald: Das Team hat einige Kit-Teile und andere Modifikationen erworben. Ich schätze, bei den Gesamtkosten für dieses Wochenende liegt der Aufwand im höheren fünfstelligen Bereich. Spezielle Teile, wie zum Beispiel die Zündung, können später wieder verwendet oder sogar vermietet werden. Trotz dieser hohen Investitionen hat das Bike immer noch nicht die Konfiguration des Motorrades eines Permanentstarters. Das Team und ich besitzen allerdings durch einige Auftritte in der IDM und WM viele Daten und gute Streckenkenntnisse. Ich hoffe, wir können unsere Erfahrung aus der Zweitaktkategorie auf die neue Klasse entsprechend ummünzen und für einige Überraschungen beim Blick auf die Zeitenlisten sorgen.

Hättest du nach der unklaren Situation im Winter damit gerechnet, so kurzfristig noch einmal ins GP-Paddock zurückzukehren?
Luca Grünwald: Ehrlich gesagt, nein. Anstatt mich ausschließlich auf die körperliche und mentale Vorbereitung konzentrieren zu können, war ich zumeist mit organisatorischen Dingen beschäftigt. Meine Überlegungen gingen zu diesem Zeitpunkt in viele verschieden Richtungen. Die Superstock-600 Klasse im Rahmen der Superbike WM spielte in meinen Planungen eine große Rolle, allerdings fordern die Topteams einen entsprechend hohen Betrag für ein Motorrad. Kurzzeitig hatte ich versucht, ein eigenes kleines Team mit zwei bis drei Leuten auf die Beine zu stellen, was aber auch an den nicht vorhandenen finanziellen Mitteln scheiterte. Der Gedanke an die Grand Prix-Szene war zu dieser Phase kaum noch vorhanden.

Stand zu diesem Zeitpunkt auch ein Karriereende zur Debatte?
Luca Grünwald: Ich muss schon sagen, dass ich in diesen Momenten sehr frustriert war. Wie gesagt, ich hatte damals versucht, mir so viele Optionen wie möglich zu erarbeiten. Wenn dann alle Bemühungen mehr oder weniger im Sande verlaufen und man auch keine Sponsoren findet, kommen solche Gedanken automatisch. Ich war an einem Punkt gelandet, an dem ich gesagt habe, entweder ich komme in einem Team unter oder ich beende meine Laufbahn. Ich war und bin nicht in der Lage, tausende Euro aufzutreiben, schließlich muss ich auch noch ein Leben abseits des Sports bestreiten.

Dann bot sich die Option, im Freudenberg-Team eine Moto3-Honda zu pilotieren...
Luca Grünwald: Ich hatte zu einem sehr späten Zeitpunkt der Saisonvorbereitung durch Glück mit Michael telefoniert. Meine angespannte Lage hatte sich natürlich bis Bischofswerda herumgesprochen, so dass die Situation ein perfektes Spiegelbild zu 2011 wurde. Meine Lage war zwölf Monate zuvor nach dem Scheitern der Pläne mit Jorge Martinez fast ähnlich. Man muss sagen, dass solche Teamchefs wie der Michael in der heutigen Zeit absolute Unikate sind. In einem finanziell so riskanten Sport mit Menschen zu arbeiten, die kurzfristig noch solche Pakete schnüren, kann in einer Laufbahn der entscheidende Faktor sein.

Wäre der Schritt, mit Freudenberg in der WM zu starten, nicht eine logische Option?
Luca Grünwald: Die Fähigkeiten aller Angestellten, die Infrastruktur und die Arbeitsweise des Teams haben auf jeden Fall das Niveau für die Weltmeisterschaft. Die Frage ist aber, ob man solch einen Aufstieg überhaupt will und wo der Sinn liegen würde. Michael ist schon so lange im Geschäft und arbeitet lieber mit jungen Fahrern zusammen. Ich glaube, es bereitet ihm viel Freude, sein Wissen an junge Fahrer weiterzugeben und ihnen damit beim Start einer vielleicht internationalen Karriere zu helfen. Letztendlich stellt man in der IDM eines der Topteams, welches mit seinem Budget eine vernünftige Saison auf nationaler Ebene bieten kann. In der Weltmeisterschaft würde man ein Vielfaches an Geld brauchen, um gegen die hochgerüsteten Werksteams auch nur den Hauch einer Chance zu haben.