Dieses Interview erschien in Ausgabe 87 unseres Print-Magazins. Am Ende des Jahres veröffentlichen wir traditionell einen kleinen Teil unserer Print-Artikel kostenfrei auf der Website. Viel Spaß beim Lesen!

Hinter dem Haupt Racing Team steckt geballte Erfahrung: Teambesitzer und Unternehmer Hubert Haupt startete als Rennfahrer in allen drei Jahrzehnten der DTM, zuletzt 2021 noch einmal als Gaststarter. HRT-Geschäftsführer Uli Fritz saß sieben Jahre lang im HWA-Vorstand und eroberte als Teamchef mehrere DTM-Titel mit Mercedes-Benz. Das Motorsport-Magazin traf die Verantwortlichen des Rennstalls zum Doppelinterview beim DTM-Event in Spielberg.

MSM: Herr Haupt, Sie kennen die Alte und die Neue DTM als Fahrer, seit 2021 auch als HRT-Teambesitzer unter dem GT3-Reglement. Wie betrachten Sie die jüngste Entwicklung der DTM?
Hubert Haupt: Wenn wir uns zurückerinnern, war die DTM vor zwei Jahren gedanklich tot. Dann kam sie mit den GT3-Autos und viele haben gesagt, dass das nicht funktionieren würde. Und dann musste die DTM 2021 kämpfen, um 16 oder 17 Autos an den Start zu bringen. Ein Jahr später blicken wir auf ein Starterfeld von bis zu 29 Fahrzeugen, das finde ich sensationell. Auch die DTM Classic entwickelt sich immer besser mit Autos, die die Fans aus früheren Zeiten kennen und mögen. Dazu die DTM Trophy, wo ich sagen muss, dass das Gesamtpaket wirklich gut ist.

Zu Class-1-Zeiten gingen in der DTM ausnahmslos Werksfahrer an den Start. Jetzt sehen wir einige Piloten im Feld, von denen wir behaupten, dass sie es damals nicht in die DTM geschafft hätten. Herr Fritz, wie sehen Sie das als ehemaliger Mercedes-DTM-Teamchef und heutiger HRT-Geschäftsführer?
Uli Fritz: Ich kenne beide Seiten und gebe Ihnen Recht. Allerdings sprechen wir heute von einem anderen Produkt und auch von anderen Fahrzeugen. Und junge Fahrer wie Leon Köhler oder Theo Oeverhaus konnten bei ihren Gaststarts direkt mithalten. Es braucht nicht mehr diese Vorlaufzeit wie zu Class-1-Zeiten. Das absolute Alleinstellungsmerkmal der DTM im Vergleich zum ADAC GT Masters oder dem GT World Challenge Sprint Cup ist, dass die Jungs ein Auto für sich alleine haben und alles um sie herum zentriert wird, wie es im Formelsport auch der Fall ist. Deshalb herrscht großes Interesse. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist die prominente TV-Übertragung - und das wiederum ist auch interessant für Sponsoren.

Apropos Interesse, Herr Haupt: Sehen wir Sie künftig noch einmal im DTM-Auto nach Ihren Gaststarts im vergangenen Jahr auf dem Nürburgring und in Hockenheim?
Hubert Haupt: Ich glaube, einen Gaststart tue ich mir nicht mehr an. Ich bin in den 90er-Jahren DTM gefahren, dann 2001 und 20 Jahre später noch einmal. Natürlich ist es schön, wenn man so eine Geschichte erzählen kann. In der heutigen DTM muss man viel testen, die Reifen verstehen und die Musik spielt sich innerhalb nur einer Sekunde ab. Wenn man nicht jedes Wochenende im Auto sitzt, hat man ein Defizit. Das zeichnet die starken GT-Fahrer heute aus, die fahren jedes Wochenende.

Ich finde einen Vergleich zu früheren DTM-Zeiten schwierig. Damals gab es Testfahrten, dann acht Rennwochenenden, und das war's dann auch. Deshalb können meiner Meinung nach heute auch nicht ganz so namhafte Fahrer in der DTM antreten, weil sie viel Fahrpraxis haben und für eine Überraschung sorgen können, wenn sie plötzlich vorne mitfahren. Das ist der Vorteil dieses Formats und der aktuellen Autos.

Wo hat die DTM Ihrer Ansicht nach noch Luft nach oben?
Hubert Haupt: Das ist immer ein heikles Thema, aber die Balance of Performance finde ich teilweise immer noch mühsam. Es kann nicht sein, dass im zweiten Jahr in der DTM zwischen den Rennen immer noch so viel hin und her gespielt wird. Das Thema ist sicherlich auch den Teams und Herstellern geschuldet, die ihren Teil zu diesen Spielchen beitragen. Es stört mich etwas, dass man in der DTM nicht immer vorhersehen kann, dass alle Marken gleichberechtigt sind. Die Strafen und Track Limits sind Themen, die wir auch in der Formel 1 oder der GT World Challenge erleben. Vor zehn Jahren gab es so etwas wie Track Limits überhaupt nicht. Da wird teilweise überreagiert. Ansonsten ist die DTM eine top Plattform mit einem guten Fernsehformat und sehr guter PR.

Herr Fritz, wie blicken Sie auf die Balance of Performance in der DTM?
Uli Fritz: Die BoP ist das Damoklesschwert des erschwinglichen Motorsports. Wenn wir uns an frühere Jahre erinnern, hatten wir auch Diskussionen über breitere Heckflügel und Gewichtsvorteile. Das war im Endeffekt nichts anderes als eine Balance of Performance. Damals konnte man das vielleicht etwas eleganter verkaufen, aber das waren Autos, die nach einem bestimmten Reglement gebaut waren. Heute ist es komplett anders mit den GT3-Autos und ihren unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten.

Es ist völlig klar, dass deshalb eine BoP notwendig ist. Die SRO jedoch erhält jährlich Daten von hunderten Rennen auf unterschiedlichsten Rennstrecken weltweit und hunderten Fahrern. Die können ganz gut einschätzen, was ein Auto auf welcher Strecke kann oder auch nicht. In der DTM ist es schwieriger. Wir fahren auf jeder Strecke nur ein Rennwochenende, haben andere Reifen und die Teams sind hochprofessionell...

Das bedeutet konkret?
Uli Fritz: Wenn wir in Hockenheim testen, lässt garantiert niemand die Katze aus dem Sack. Das macht es nicht leicht für die AVL. Ob dieser Ansatz der richtige ist, muss jeder selbst für sich entscheiden. Ich denke, dass wir aktuell noch viel zu volatil unterwegs sind.

Hubert Haupt und Uli Fritz standen uns zu sämtlichen Themen Rede und Antwort, Foto: HRT
Hubert Haupt und Uli Fritz standen uns zu sämtlichen Themen Rede und Antwort, Foto: HRT

Zumindest aus deutscher Sicht hat die DTM im GT3-Sport auch wegen ihrer Historie die Führungsposition eingenommen. Warum engagiert sich HRT zusätzlich in der GT World Challenge?
Hubert Haupt: Wenn ein Team zu klein ist, bekommt es nicht die richtigen Mechaniker oder Ingenieure. Dieses Problem hat jedes Team. Ein Team braucht eine Struktur. Und wenn es darüber verfügt, um professionellen Motorsport betreiben zu können, braucht es entweder ein hohes Budget, um sich diese Basis leisten zu können, oder es startet in mehreren Rennserien. Wir als HRT haben entschieden, mit Unterstützung von Mercedes-AMG auf professioneller Ebene in der DTM und beim 24h-Rennen Nürburgring zu fahren. Unser Einsatz im GT World Challenge Endurance Cup ist reiner Kundensport. Für Fahrer, die Spaß haben wollen und das entsprechende Budget mitbringen, ist das ein perfektes Format.

Uli Fritz: Man darf auch nicht vergessen, dass man nur achtmal im Jahr lernt, wenn man in nur einer Serie fährt. Der Motorsport lebt aber davon, dass du dich immer weiter verbesserst, immer weiter lernst und immer wieder neue Erkenntnisse erlangst. Natürlich fließen die Erkenntnisse von der Nordschleife auch in unser DTM-Programm ein und die aus der DTM in die GT World Challenge. Wir gehen mit dem gleich starken Engagement in alle Rennen rein und das erwartet der Gentlemen-Fahrer auch von uns.

Im Motorsport zeichnet sich seit längerer Zeit der Trend ab, dass private Teams mit eigenem Budget bei den Herstellern gern gesehen sind. Herr Haupt, bei ihrem Vermögen müsste HRT dann ja bestens aufgestellt sein, oder?
Hubert Haupt: Früher waren die Hersteller mit ganz anderen Budgets unterwegs. Irgendwann kamen - wie in allen Unternehmen - die Sparprogramme auf den Tisch. Und wo streicht man am liebsten? Natürlich im Motorsport. Wenn wir früher von Budgets mit 40 bis 50 Millionen Euro pro Jahr sprachen, geben die Hersteller heute vielleicht noch zwei bis maximal drei Millionen Euro im Gesamtpaket dazu. Den Rest müssen sich die Teams über Sponsoren oder selbst organisieren. Deshalb verdient man heute mit einem Rennteam kein Geld mehr. Es ist ganz viel Enthusiasmus dabei, aber trotzdem braucht man die Werke und die Sponsoren. Das Niveau der Einnahmen ist heute ganz anders als es früher der Fall war.

HRT hat als junges Team gleich in seiner ersten DTM-Saison mit Maximilian Götz den Meister gestellt. Hinzukommen Engagements auf der Nordschleife und in der GT World Challenge. Ab 2024 sollen GT3-Autos bei den 24 Stunden von Le Mans an den Start gehen. Was planen Sie für die Zukunft?
Hubert Haupt: HRT ist heute so professionell und gut aufgestellt, dass wir für jeden Hersteller interessant sind. Wir sind aber markentreu und arbeiten mit Mercedes-AMG zusammen. Natürlich sind die WEC und Le Mans ein super-spannendes Add-On zu einer GT World Challenge oder DTM. Heute wissen wir noch nicht, wie das Reglement aussehen wird und wie viele Teams oder Hersteller teilnehmen dürfen. Als Team wäre man aber nicht ehrlich, wenn man nicht diesen Wunschgedanken hat, irgendwann einmal in Le Mans anzutreten.

Im Hintergrund laufen die Arbeiten für die neue Rennserie DTM Electric ab 2024. Wäre das ein interessantes Einsatzgebiet für HRT?
Hubert Haupt: Man kommt um das Elektro-Thema ja gar nicht mehr herum. Die Zukunft der Automobilentwicklung ist elektrisch. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass die DTM in fünf Jahren immer noch mit reinen Verbrennungsmotoren fährt. Es wird irgendwann einen Punkt geben, an dem man die DTM Electric hinzunimmt und es wird irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem sie den Verbrenner ersetzen wird. Wenn es ein funktionierendes Konzept und ein finanzierbares Auto gibt, kann man mit einer DTM Electric vielleicht wieder Sponsoren finden, die heute aufgrund von Image-Gründen Abstand vom Verbrenner-Motorsport nehmen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es Unternehmen gibt, die dafür sehr offen wären.

Uli Fritz: Dahinter steckt ja auch ein wenig der aus der Formel E bekannte Pioniergeist. Es gab im Jahr 2014 einige - und da habe ich dazugehört - die sich gefragt haben, was das eigentlich soll. Und am Ende waren dann alle dabei...

Die DTM-Electric soll ab 2024 an den Start gehen und eine Alternative zur , Foto: Motorsport-Magazin.com
Die DTM-Electric soll ab 2024 an den Start gehen und eine Alternative zur , Foto: Motorsport-Magazin.com

Inklusive Ihnen, damals als Teamchef bei HWA Racelab in der Formel-E-Saison 2018/19, bevor Mercedes-Benz als Hersteller übernahm.
Uli Fritz: Korrekt. Und es war tatsächlich so, dass wir in Vorbereitung auf unsere erste Saison plötzlich mit ganz anderen Partnern und Sponsoren gesprochen haben. Und in den vergangenen fünf Jahren ist massiv viel passiert in diesem Bereich. Heute haben wir noch gute und loyale Partner, die man als 'Car-Afficionados' bezeichnen könnte. Es gibt aber auch welche, die das Thema als schwierig erachten. Hier können sich Möglichkeiten ergeben, wenn etwa E-Fuels ein größeres Thema im Motorsport werden. Und wir wollen nicht vergessen: Das Pferd war auch mal ein Fortbewegungsmittel und heute ist es ein 'Sportgerät'. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch das Auto mit einem Verbrennungsmotor im Sport eine Chance hat, solange es ökonomisch sowie ökologisch sinnvoll dargestellt werden kann.

Herr Haupt, Sie als alter Racer: Elektro-Motorsport, ja oder nein?
Hubert Haupt: Für mich als alten Racer ist das natürlich eine schwierige Frage. Ich habe 35 Jahre lang Motorsport mit lauten Verbrennungsmotoren gemacht. Für uns als ältere Generation ist das eine deutlich größere Umstellung als für die Jugendlichen. Die wachsen heute mit Teslas und modernen Elektro-Motoren auf und wissen gar nicht mehr, wie es vor 20 Jahren war. In einem Jahrzehnt ist es vermutlich normal, dass man nur noch über nachhaltige - wenn man sie denn so nennen will - E-Motoren spricht. Für mich persönlich gibt's nichts Geileres als einen 12-Zylinder-Motor mit einem richtig guten Sound.

Uli Fritz: Am Ende brauchst du doch für alles, was du tust, eine Herausforderung. Das habe ich auch in der Formel E gelernt, als ich zum ersten Mal ein Rennen gesehen habe und ehrlicherweise meine Zweifel hatte. Sobald du dich aber damit beschäftigst, hat es genau den gleichen Reiz wie jeder andere Motorsport auch. Es geht um Technik, darum, alles zu optimieren und ein Team zu formen. Egal, ob da ein Verbrennungs- oder ein Elektro-Motor unter der Haube steckt.

Vor der DTM-Saison gab es etwas Wirbel, als der amtierende Champion Maximilian Götz Ihr Team in Richtung Winward-Mercedes verließ. Für ihn und Vincent Abril stießen der starke, aber in der Öffentlichkeit eher unbekannte AMG-Fahrer Luca Stolz sowie der Inder Arjun Maini zu HRT. Sind Sie rückblickend mit dieser Lösung zufrieden?
Uli Fritz: Das haben wir genauso gewollt. Luca lernt noch in seinem ersten DTM-Jahr, aber über seine Leistungen kann man sich nicht beschweren. Ganz im Gegenteil, auf seiner steilen Lernkurve lässt sich aufbauen und er wird weitere Fortschritte machen. Arjun hat schon vergangenes Jahr gezeigt, dass er in der DTM zurechtkommt. In dieser Saison ebenfalls, es ist nur oft leider nicht zusammengekommen.

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