Lange wurde in der Sportwagen-Szene darüber spekuliert, jetzt steht es offiziell fest: Das belgische Erfolgsteam WRT und Audi gehen zum Ende der Saison 2022 getrennte Wege. Das gab der Rennstall von Teamchef Vincent Vosse an diesem Dienstag nach dem 24-Stunden-Rennen Spa-Francorchamps via Pressemitteilung bekannt.

Mit welchem Hersteller WRT künftig zusammenarbeiten wird, wurde noch nicht verkündet. Seit geraumer Zeit halten sich Gerüchte über einen Deal mit BMW, die durch den WEC-Einstieg der Münchner zur Saison 2014 mit dem neuen LMDh-Auto weiteren Nährboden erhielten. Ursprünglich war vorgesehen, dass WRT die LMDh-Einsätze für Audi durchführen sollte, doch das Prototypen-Projekt der Ingolstädter wackelt bekannt extrem und gilt in der Szene bereits als tot.

Am Dienstagmittag, wenige Stunden nach der Trennung von Audi, gaben WRT und BMW M Motorsport eine neue Partnerschaft für die 24 Stunden von Le Mans und die WEC ab 2024 bekannt:

WRT künftig mit BMW M Motorsport

Bei BMW hat die frühere Audi-Führungskraft Andreas Roos, einer Vertrauter von WRT-Boss Vincent Vosse, inzwischen die motorsportliche Leitung übernommen. Vor der BMW-Bekanntgabe, nach dem LMDh-Debüt 2023 in der IMSA-Serie ab 2024 auch in die WEC einzusteigen, sagte Roos zu Motorsport-Magazin.com: "Natürlich ist WRT eines der Top-Teams, aber es gibt auch noch andere. WRT ist eines, aber nicht das einzige. Natürlich schaut man sich das an und spricht über Themen."

Gespräche mit Teams würden laut Roos allerdings erst Sinn machen, wenn die Entscheidung über das WEC/Le-Mans-Programm bei BMW M Motorsport bzw. dem BMW-Vorstand gefallen sei. Das ist inzwischen bekanntermaßen geschehen...

WRT: Neues Kapitel in WEC und GT3

WRT sprach von einer Trennung von Audi Sport customer racing im Bereich des GT3-Sports. Für den Autobauer setzte das belgische Top-Team seit 2010 den Audi R8 LMS GT3 in unterschiedlichen Ausbaustufen in zahlreichen Rennen und Rennserien ein. Laut WRT werde das Team zum Ende der Saison 2022 ein neues Kapitel seiner Motorsport-Geschichte aufschlagen und den Fokus auf der WEC sowie dem GT3-Sport behalten.

2021 gewann WRT beim WEC-Debüt in der LMP2-Klasse auf Anhieb die 24 Stunden von Le Mans und die LMP2-Weltmeisterschaft. In diesem Jahr startet WRT mit zwei Autos in der Sportwagen-WM, unter anderem mit dem dreifachen DTM-Champion und Audi-Werksfahrer Rene Rast am Steuer. Das WEC-Engagement galt einst als Fingerübung für das ursprünglich geplante LMDh-Projekt mit Audi.

Beim WEC-Finale Anfang November 2021 lag dem belgischen Rennstall nach Informationen von Motorsport-Magazin.com ein Vertrag als Audi-Einsatzteam für die Langstrecken-Weltmeisterschaft vor, der allerdings nie unterschrieben wurde. Dabei sollen auch finanzielle Gründe eine Rolle gespielt haben.

"Es ist ein ganz besonderer und emotionaler Moment für uns alle beim Team WRT und mich persönlich, wenn wir ankündigen, dass ein bedeutendes Kapitel der Geschichte unserer Organisation bald zu Ende geht und ein neues aufgeschlagen wird", sagte Vosse. "Das konnte anders sein, denn Audi ist die Marke, mit der wir seit der Gründung des Team WRT Ende 2009 verbunden waren, unserem einzigen Partner im GT3-Rennsport."

WRT und Audi: Eine Erfolgs-Geschichte

WRT und Audi - das war eine internationale Erfolgs-Story: Fast 50 Meisterschaftsgewinne im Verlauf eines Jahrzehnts, beginnend mit dem Triumph bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps im Jahr 2011, sprechen für sich. Ein weiterer Gesamtsieg beim Heimspiel in den belgischen Ardennen 2014, ein Gesamtsieg beim 24h-Rennen Nürburgring 2015 und weitere Erfolge in Bathurst, Dubai oder beim GT World Cup in Macau bilden die Erfolgsbilanz von WRT.

Vor allem in der GT World Challenge bzw. dem Vorgänger Blancpain GT Series räumte WRT auf allen Ebenen ab. Erst 2021 gelang mit Dries Vanthoor und Teammitbesitzer-Sohn Charles Weerts erneut der Gesamtsieg in der Fahrer- und Team-Meisterschaft der GT World Challenge Europe. Dieses Jahr startet Motorrad-Legende Valentino Rossi für die Mannschaft aus dem belgischen Baudours.

Der italienische Superstar belegte bei seiner 24h-Premiere mit seinen beiden Teamkollegen, Audi-Werksfahrer Nico Müller und Audi-Sportfahrer Frederic Vervisch von Position 35 gestartet, trotz etlicher Zwischenfälle Rang 17 im Audi R8 LMS GT3 Evo 2 und war damit zweitbestes WRT-Team hinter den Silber-Cup-Klassensiegern und Gesamtdreizehnten Benjamin Goethe, Thomas Neubauer und Jean-Baptiste Simmenauer. Nur 2020 hatte das belgische Audi-Team mit Rang 14 ein noch schlechteres Resultat in Spa eingefahren.

Dagegen ist die Erfolgsbilanz von WRT mit Audi in Spa mehr als beeindruckend: Sechs Jahre in Folge (2011 bis 2016) sowie 2021 standen insgesamt 16 Audi-WRT-Fahrer auf dem Siegerpodium: 2011 Gesamtsieg, 2012 P2, 2013 P3, 2014 Gesamtsieg und P3, 2015 P2, 2016 P3, 2021 P2. Erfolgreichster Audi-WRT-Pilot ist Christopher Mies, der dreimal in Folge auf dem begehrten Siegerpodium stand: 2012 P2, 2013 P3 und 2014 P2. Dieses Kunststück hat nur noch Frank Stippler mit den Plätzen drei (2013), drei (2014) und zwei (2015) geschafft, nachdem er zuvor 2012 mit dem Audi Sport Team Phoenix sogar erfolgreich war.

"Alle Dinge im Leben haben einen Anfang und ein Ende"

Obwohl es bei den Vertragsverhandlungen zwischen Audi und WRT bezüglich des LMDh-Projekts zahlreiche Meinungsverschiedenheiten, um es vorsichtig auszudrücken, gegeben haben soll, hatte Vosse nur warme Worte übrig für seinen langjährigen Hersteller-Partner: "Alle Dinge im Leben haben einen Anfang und ein Ende und unsere Wege werden sich nun trennen, aber die langjährigen Freundschaften werden bestehen. Wir alle können stolz darauf sein, was gemeinsam erreicht wurde, und wir alle werden die vielen guten Erinnerungen an diese großartige Zeit in Ehren halten."

"Nach 13 fantastischen Jahren gehen wir ab 2023 getrennte Wege, bleiben uns aber weiterhin freundschaftlich verbunden", sagt Chris Reinke, Leiter Audi Sport customer racing. "Das enge Verhältnis zu Vincent Vosse wie auch zu Yves und Pascal Weerts ist von tiefem Vertrauen, gemeinsamen sportlichen Werten und absolutem Erfolgsstreben geprägt. Ein herzliches Dankeschön an sie und ihr gesamtes Team, verbunden mit den besten Wünschen für die Zukunft."