Für Porsche könnte der Austragungsort des ersten Rennens der neuen Formel-E-Ära kaum passender sein: Mexiko-City, wo der Sportwagenbauer im vergangenen Jahr mit Pascal Wehrlein und Andre Lotterer einen dominanten Doppelsieg einfuhr, wie man es in der Geschichte der Elektro-Rennserie zuvor nur selten gesehen hatte.
Was dem damaligen Triumph folgte, was eher ernüchternd. Porsche schloss seine dritte Saison in der Formel E auf dem enttäuschenden siebten Gesamtplatz im Reigen der elf Teams ab. "Wir haben einen höheren Anspruch", bilanzierte Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach anschließend im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Ein Fortschritt war nach zwei vorangegangenen achten Plätzen in der Teamwertung nur im Detail zu erkennen.
Erster Prüfstein: Saisonstart in Mexiko
2023 bietet sich die nächste Chance für das ambitionierte Werksteam, bis zum Ende der Saison um die Weltmeisterschaft zu kämpfen. Die Einführung der brandneuen Gen3-Rennwagen markiert gleichzeitig eine Nullstellung des Wettbewerbes, jedoch versehen mit vielen Fragezeichen. Welches Team zu Beginn der neuen Ära den besten Job gemacht hat und das schnellste sowie vor allem zuverlässigste Auto präsentieren kann, zeigt sich beim bevorstehenden Saisonauftakt in Mexiko-City (Samstag, 14. Januar, 21:00 Uhr live auf ProSieben).
Bei den einzigen Kollektiv-Testfahrten Ende Dezember in Valencia präsentierten sich Porsche und die meisten anderen Teams besser als im Vorfeld erwartet. Zahlreiche Schwierigkeiten mit diversen Einheitsbauteilen - allen voran die Williams-Batterie - hatten bei vorangegangenen Privat-Testfahrten aller Hersteller das Schlimmste befürchten lassen. Die Sorgen bestätigten sich nur zum Teil, bleiben auf der Reise nach Mexiko allerdings an Bord.
Porsche-Leiter Modlinger: "Immer noch aufwendig und kompliziert"
"Es gab Sorgen, weil wir in der Testphase mit verschiedenen Problemen an den Einheitsbauteilen zu kämpfen hatten", sagte Porsche-Gesamtprojektleiter Florian Modlinger zu Motorsport-Magazin.com. "Es ist immer noch alles sehr aufwendig und kompliziert vorzubereiten, um die Zuverlässigkeit sicherzustellen. Das Vertrauen in die Teile hat sich in der Woche erhöht. Es bleiben kleine Restrisiken, was die Zuverlässigkeit betrifft."
Auf dem Circuit Ricardo Tormo vor den Toren Valencias präsentierten sich Wehrlein und sein neuer Teamkollege Antonio Felix da Costa durchaus überzeugend. Porsche spulte mit 465 Runden hinter Maserati (502 Runden) und DS Penske (488 Runden) die drittmeisten aller elf Teams ab. Größere Reparaturpausen blieben den Ingenieuren aus Weissach erspart, während anderen Rennställen wegen zwischenzeitlicher Batteriewechsel und anderer Probleme einiges an wertvoller Zeit verloren ging.
Formel E: Pascal Wehrlein und Antonio Felix da Costa im Vergleich
Statistik | Pascal Wehrlein | Antonio Felix da Costa |
---|---|---|
Rennen | 48 (seit 2019) | 96 (seit 2014) |
Siege | 1 | 7 |
Podestplätze | 3 | 16 |
Pole Positions | 3 | 8 |
Durchschn. Rennplatzierung | 10,8 | 10,2 |
Punkte | 222 | 574 |
Meisterschaften | 0 | 1 (2020) |
Klare Ansage bei Tests: Kein Risiko, keine Schäden
Die Standhaftigkeit dürfte der Schlüssel in den ersten Rennen der neuen Formel-E-Saison sein - an Performance darf es aber auch nicht mangeln. Welches Team hier die Nase vorne hat, lässt sich nach den Eindrücken aus Valencia nicht seriös einschätzen. Wie auch Porsche, waren die meisten Teams mit ihren Setups und der Software beschäftigt und versuchten dabei, die Grenzen nicht zu sehr auszuloten, um Schäden angesichts eines kollektiven Ersatzteilemangels zu vermeiden.
Modlinger: "Es war die ganz klare Ansage, kein Risiko zu gehen oder irgendein Teil zu beschädigen. Wir sind so gefahren, dass wir keine Schäden hatten. Das war diesmal die oberste Maxime in Valencia." Der Plan ging beinahe auf: Wenige Stunden nach diesen Aussagen am Freitag segelte Wehrlein kurz vor dem Testende mit hoher Geschwindigkeit weit ins Kiesbett. Die genauen Gründe für diesen Vorfall blieben unbekannt.
Den Blick auf die kollektiven Rundenzeiten bei den Testfahrten in Valencia kann man sich wohl getrost sparen. Nur der Vollständigkeit halber: Wehrlein fehlten nach vier Tagen gut sieben Zehntelsekunden zu Spitzenreiter Maximilian Günther (DS-Maserati). Teamkollege Felix da Costa ordnete sich mit einem Rückstand von 1,2 Sekunden im hinteren Teil des Klassements ein.
Ähnlich viel Zeit fehlten dem früheren Porsche-Fahrer Andre Lotterer und Jake Dennis, die 2023 für das neue Porsche-Kundenteam Andretti an den Start gehen und somit die gleiche Hardware nutzen. Die Synergien beider Teams mit dem höchst erfahrenen Lotterer als Schnittstelle könnten sich im weiteren Verlauf der Saison bezahlt machen.
'Papa' Wehrlein: "Wir stehen noch ganz am Anfang"
"Unser neues Auto hat sehr viel Potential. Doch wir stehen noch ganz am Anfang", sagte Wehrlein, der jüngst in einem seiner seltenen Instagram-Postings durchblicken ließ, in Bälde Vater zu werden. "Ich erwarte, dass wir im Verlauf der Saison große Schritte nach vorne machen werden." Die Formel-E-Bilanz des früheren DTM-Champions und Formel-E-Fahrers bleibt ausbaufähig: In 48 Rennen für Mahindra und Porsche errang Wehrlein einen Sieg, drei Podestplätze und drei Pole Positions. Der 28-Jährige bestach bislang vor allem mit überragenden Leistungen in den Qualifyings.
Mit dem neuen Teamkollegen Felix da Costa erwartet ihn jetzt nicht nur der Formel-E-Meister von 2020, sondern auch einer der erfahrensten und erfolgreichsten Piloten im Starterfeld. 96 ePrix hat der frühere BMW-Werkspilot, der von DS-Techeetah kommt, auf dem Buckel. Felix da Costa dürfte mit dem Wechsel zu Porsche eine gute Chance sehen, wieder langfristig mit einem großen Hersteller zusammenzuarbeiten, der sich in unterschiedlichen Kategorien engagiert.
"Es gibt nur ein Ziel: Rennen gewinnen"
Und der Hunger des Vorjahres-Achten auf weitere Erfolge in der Formel E ist ohnehin längst nicht gestillt. "Mit dieser Marke gibt es nur ein Ziel: Rennen gewinnen", wurde Felix da Costa in einer Porsche-Pressemitteilung zitiert. "Meiner Porsche-Premiere in Mexiko sehe ich gelassen entgegen. Wichtig ist, wie wir die Saison beenden, nicht, wie wir sie beginnen. Mit meinem neuen Auto bin ich glücklich. Ich denke, wir sind damit auf jeden Fall konkurrenzfähig."
Mit Wehrlein und Felix da Costa verfügt Porsche auf dem Papier über eine der stärksten Fahrerpaarungen in der Formel E. Ein besseres Abschneiden als in der Vergangenheit ist trotz aller Gen3-Unabwägbarkeiten absolute Pflicht für eine der erfolgreichsten Marken in der Geschichte des Motorsports.
Nicht zuletzt, weil sich im Laufe dieser Saison entscheiden dürfte, ob Porsche längerfristig in der Formel E bleibt, oder wie die deutschen Kollegen Audi, BMW und zuletzt Mercedes ebenfalls den Stecker ziehen wird. Porsches Formel-E-Engagement ist nach aktuellem Stand bis Ende 2024 befristet.
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