Das Wochenende in London sah über weite Strecken nach solider Schadensbegrenzung für Mitch Evans aus. Mit P5 im ersten Rennen am Samstag konnte der Neuseeländer den Vorsprung des WM-führenden Stoffel Vandoorne im Rahmen halten. Auch das Rennen am Sonntag wirkte bis kurz vor Schluss vielversprechend.

Evans arbeitete sich vom 14. Startplatz bis auf die vierte Position vor. Dabei konnte der Jaguar-Pilot sogar Mercedes-Mann Vandoorne hinter sich lassen. Doch mit weniger als drei Minuten auf der Uhr wendete sich das Blatt. Evans' Lenkrad wurde schwarz und der 28-Jährige rollte in die Auslaufzone von Turn 10.

"Ein oder zwei Runden vorher sind mir ein paar seltsame Dinge mit den Bremsen aufgefallen - so ein Verhalten habe ich noch nie erlebt. Wir haben versucht, einige Einstellungen zu ändern, aber das Team ist sozusagen blind, sie können nur Schlüsse aus meinen Beschreibungen ziehen", erklärte der fünffache Rennsieger auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com.

"Auf einmal hat der Inverter aufgegeben. Ich habe kurz gedacht, wir haben das Problem behoben - boom - dann war's das. Ich konnte nur noch langsam zurückfahren", führte Evans aus. Es war der erste Ausfall der Saison und das ausgerechnet in London. Schon im vergangenen Jahr brannte sich dieser E-Prix in Evans' Erinnerung ein. Damals, ebenfalls im Kampf um die WM, hinderte Evans ein Defekt an seinem Jaguar-Boliden am Start in der Metropole.

Der völlig niedergeschlagene Evans zur Gefühlslage des Teams: "Dem Team tut das sehr weh, jeder hat sich den Arsch aufgerissen. Nach all der Arbeit sind alle schwer enttäuscht, diese Pille ist hart zu schlucken. Das ist ein harter Tritt zwischen die Beine."

"Es ist wie letztes Jahr vor dem Start, fürs Team ist das einfach schmerzhaft. Aber die Zuverlässigkeit war in diesem Jahr eigentlich sehr gut. Dass es dann ausgerechnet in London nicht funktioniert, fühlt sich wie ein Déjà-vu an", so Evans.

Ist der WM-Titel noch in Reichweite?, Foto: LAT Images
Ist der WM-Titel noch in Reichweite?, Foto: LAT Images

Formel E 2022: Mitch Evans noch im Rennen um den Titel?

In der Weltmeisterschaft sieht es nun düster aus. Zwar sicherte sich Evans am Samstag den zweiten Tabellenplatz, doch zum WM-Führenden klafft nach dem Lauf am Sonntag eine in nur zwei Rennen schwer einholbare Lücke von 36 Zählern (Vandoorne: 185 Punkte; Evans: 149 Punkte; Mortara: 144 Punkte).

Doch aufgeben möchte Evans nach 6 Jahren Formel-E die Hoffnung auf den ersten Titel noch nicht: "Der Titel ist immer noch möglich, aber jetzt sind es nicht mehr 24 Punkte Rückstand, sondern über 30 Punkte. Das ist ein großer Abstand. Ich habe einfach kein Glück, aber ich werde weiterhin mein Bestes geben."

Um sein Bestes zu geben, hat Evans nur noch zwei E-Prix' Zeit. Das Saisonfinale in Seoul wird dabei alle Piloten vor eine große Herausforderung stellen, denn der Stadtkurs in Süd-Korea feiert 2022 sein Formel-E-Debüt. Dadurch können weder Teams noch Piloten auf Daten aus der Vergangenheit zurückgreifen. Doch selbst virtuell hat Evans noch nicht die Zeit gefunden, sich auf Seoul vorzubereiten.

"Ich habe die Strecke noch nicht im Simulator ausprobiert, das ist in dieser Woche mein Job. Das Team hat aber schon ein paar Daten von unserem Reservefahrer, der die Strecke bereits im Simulator getestet hat", sagte Evans.