So sieht die Zukunft der Formel E aus: Die Verantwortlichen der Elektro-Rennserie haben am heutigen Donnerstagabend in Monaco erstmals das brandneue Gen3-Auto der Weltöffentlichkeit präsentiert. Der neuentwickelte und deutlich leistungsstärkere Formel-Rennwagen folgt mit dem Beginn der Saison 2023 auf das aktuelle Gen2-Auto, das nach vier Jahren im Einsatz ausgedient hat.

Hersteller-, Team- und Medienvertreter erhielten in Monte-Carlo, wo die Formel E am kommenden Samstag ihr sechstes Saisonrennen austrägt, einen ersten Eindruck des Autos, das sich seit geraumer Zeit in Entwicklung befindet. Zuvor hatte die Formel E nur undeutlich sichtbare Grafiken des Gen3-Boliden veröffentlicht, um die Spannung anzuheizen. Die ersten PR-Bilder aus Monaco wirkten vor dem farbigen Hintergrund ebenfalls etwas 'wild'...

Formel E: Neues Gen3-Auto in voller Fahrt (00:40 Min.)

Formel-E-Gründer Alejandro Agag: "Mit jeder neuen Rennwagengeneration verschieben wir die Grenzen des Möglichen für elektrische Fahrzeuge - und der Gen3 ist unser bisher ambitioniertestes Projekt. Die Augen der Welt richten sich heute auf das Fürstentum und den Monaco E-Prix, und wir sind stolz darauf, ein Fahrzeug zu präsentieren, das in dieser historischen Heimstätte des Motorsports in zweijähriger Arbeit entstanden ist."

"Gen3 setzt sowohl technologisch als auch unter Umweltgesichtspunkten im Sport neue Maßstäbe", ergänzte der neue FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem. "Die FIA und die Entwicklungsteams der Formel E haben fantastische Arbeit geleistet, und ich danke ihnen für ihre großartige Arbeit bei diesem Projekt. Ich freue mich besonders darüber, dass sich schon heute so viele führende Hersteller für die nächste Ära der Meisterschaft registriert haben, und ich verspüre große Vorfreude auf das Gen3-Debüt auf der Rennstrecke in Saison 9."

Gen3-Auto wieder mehr klassischer Formel-Wagen

Optisch präsentiert sich das Gen3-Auto schlanker als das aktuelle Fahrzeug. Das soll Rad-an-Rad-Duellen auf den oftmals engen, temporären Stadtkursen entgegenkommen. Auf den aktuellen 'Batmobil-Look' folgt ein Rennwagen, der wieder mehr an klassische Formel-Autos erinnert. Die Formel E kehrt mit dem Gen3 zu nach oben hin offenen Radhäusern zurück, verzichtet aber weiterhin auf einen echten Heckflügel.

Downforce zählte ohnehin nie zu den Schlüsselelementen der Formel E, die ihre Rennen zumeist auf winkligen Stadtkursen austrägt und das Energie-Management in den Vordergrund stellen will. Beim Verzicht auf ausladende Aerodynamik-Komponenten wird Abtrieb vor allem über den Unterboden und den mächtigen Diffusor am Heck erzeugt. Nicht fehlen darf die einzigartige Optik, diesmal in Form ausladender Streben samt LED-Leuchten am Heck. Die Flaps am Frontflügel sind 'gefährlich' quer angestellt und per Streben direkt mit der Nase verbunden.

Foto: Formel E
Foto: Formel E

Formel E: Gen3-Auto mit 475 PS

Wichtiger als die Optik sind bei einem Rennwagen immer die inneren Werte. Und die können sich beim Gen3-Auto sehen lassen. Als maximale Leistung sind 350 kW angegeben, was umgerechnet 475 PS entspricht. Die aktuellen Gen2-Autos bringen es auf maximal 250 kW (339 PS). Die im Rennen freigegebene Leistung soll 300 kW (407 PS, aktuell: 200 kW) betragen, während im Qualifying sowie im Attack Mode und beim Fanboost die vollen 350 kW zur Verfügung stehen sollen.

Mehr Leistung, weniger Gewicht: Bei der Ausschreibung hatte die FIA ein Zielgewicht von 780 Kilogramm angegeben. Das wären 120 Kilogramm weniger als beim aktuellen Gen2-Auto, das stattliche 900 Kilo Mindestgewicht auf die Waage bringt. Dabei soll allein die neue Batterie - aktuell üppige 385 Kilo schwer - um 101 Kilo abspecken.

Die Entwicklung der weiterhin einheitlichen Batterie geht zurück an Williams Advanced Technologies, nachdem McLaren den Akku für das aktuelle Auto gebaut hatte. Mit Spark Technologies bleibt der bisherige Chassis-Partner an Bord. Auf Michelin, das seit 2014 die Allwetterreifen für die Formel E geliefert hatte, folgt Hankook. Das Konzept von Reifen, die sowohl im Trockenen als auch im Nassen zum Einsatz kommen, bleibt aus Gründen der Nachhaltigkeit und Kostenreduzierung bestehen.

Foto: Envision
Foto: Envision

Formel E: Frontmotor statt Hydraulik-Bremsen beim Gen3-Auto

Die Formel E wäre nicht die Formel E, wenn sie nicht auch beim Gen3-Auto neuartige Wege beschreiten würde. So haben die Entwickler zum ersten Mal bei einem Formel-Rennwagen komplett auf hydraulische Bremsen an der Hinterachse verzichtet. Die Negativ-Beschleunigung übernimmt stattdessen erstmals ein zweiter Elektro-Motor an der Vorderachse. Dieser Einheitsmotor darf allerdings nur zur Rückgewinnung von Energie genutzt werden.

Zusammen mit dem weiterhin frei entwickelbaren Elektro-Motor an der Hinterachse können die Gen3-Autos bis zu 600 kW (250 kW vorne, 350 kW hinten) im Rennen zurückgewinnen. Darauf sind die Macher der Formel E besonders stolz: 40 Prozent der Energie können mittels Rekuperation über die Bremsen zurückgewonnen werden. Das effiziente Fahren soll weiter ein Kernstück der Formel E bleiben.

Nachhaltigkeit soll weiter eine bedeutsame Rolle in der Formel E spielen, so auch beim Gen3-Auto. Wie die Verantwortlichen mitteilten, soll der Bolide Netto-Null-Standard erreichen und damit den Status der Serie als erste zertifizierte Netto-Null-Sportart der Welt unterstützen. Beschädigte Karbon-Teile sollen ein zweites Leben in der Luft- und Raumfahrt erhalten, dazu sollen 26 Prozent der Hankook-Reifen aus nachhaltigen Stoffen bestehen.

Formel E mit Gen3: Diese Hersteller sind dabei

Sieben Hersteller haben sich bei der FIA für die Gen3-Ära der Formel E eingeschrieben: Porsche (Deutschland), DS Automobiles (Frankreich), Jaguar (Großbritannien), Mahindra Racing (Indien), Neueinsteiger Maserati (Italien), NIO 333 (Großbritannien und China) sowie Nissan (Japan).

Nicht mehr werksseitig dabei ist Mercedes, das als dritter deutscher Hersteller nach Audi und BMW (Ende 2021 ausgestiegen) den Stecker zieht. Auch Penske als langjähriger Partner des US-Rennstalls Dragon/Penske wird für 2023 ebenfalls nicht mehr als Hersteller aufgeführt. Es wird erwartet, dass das Team von Jay Penske nach der Abgabe des Hersteller-Status künftig mit Kundenautos in der Formel E antritt.

Wie viele Teams tatsächlich in der Saison 2023 an den Start gehen, ist noch nicht bekannt. Zahlreiche eingeschriebene Hersteller bieten ihre selbstentwickelten Antriebsstränge unterschiedlichen Kundenteams zum Kauf an. Bislang bestätigt sind nur die Deals zwischen Jaguar und dem Team Envision (ehemals Virgin), das in der laufenden Saison ein letztes Mal die Kundenmotoren von Audi nutzt, sowie zwischen Venturi (aktuell mit Mercedes-Motor) und Maserati, das Motoren von Stellantis-Konzernschwester DS Automobiles mitbringt.

Formel E: Blick in die langfristige Zukunft

Während die Formel E mit der Präsentation des Gen3-Autos einen Vorgeschmack auf die unmittelbare Zukunft der Rennserie gegeben hat, schreiten bereits Planungen für die langfristige Zukunft voran. Am Freitag in Monaco treffen bei einem Roundtable-Event Führungspersönlichkeiten von Herstellern und aus dem Automobilsektor zusammen. Der Fokus dieser Gespräche soll auf potenziellen Innovationen und Technologie-Fahrplänen über Gen3 hinaus in Richtung Gen4 liegen.

Foto: Jaguar
Foto: Jaguar