Er ist der Superstar der Formel E: Jean-Eric Vergne, Champion der vergangenen beiden Saisons. Ein Kunststück, das vor dem Franzosen keinem anderen Fahrer in der rund fünfjährigen Geschichte der Elektro-Rennserie gelungen war. Einen großen Anteil an seinem Erfolg hat das Team Techeetah, für das Vergne aktuell zu seiner vierten Saison antritt.

"Mit Techeetah wurde alles wieder gut", sagt Vergne in einer Video-Dokumentation der Formel E. "Ich hatte mein Vertrauen komplett verloren. Aber weil niemand etwas von mir erwartete, konnte ich konstant und sehr hart zusammen mit dem Team arbeiten."

Vergne schloss sich zur Saison 2016/17 dem Techeetah-Team an, das aus der Pleite-Mannschaft von Aguri hervorgegangen war. "Ich erinnere mich noch an die ersten Tests, als die Ingenieure den Motor auf dem Hotelzimmer zusammenschraubten, weil wir der Formel E nicht genug gezahlt hatten, um beim Test in Donington eine eigene Garage zu bekommen", blickt Vergne zurück.

Dabei kam der heute 29-Jährige bereits mit einigen E-Erfolgen zur Truppe von Teamchef Mark Preston. Bei seinem kurzfristigen Renndebüt im Dezember 2014 in Punta del Este startete Vergne auf Anhieb mit einer Pole Position für das damalige Andretti- und heutige BMW-Werksteam.

Jean-Eric Vergne beim Formel-E-Debüt 2014 in Punta del Este, Uruguay, Foto: Formel E
Jean-Eric Vergne beim Formel-E-Debüt 2014 in Punta del Este, Uruguay, Foto: Formel E

Zwei Wochen zuvor hatte ihn Toro Rosso nach drei Saisons auf die Straße gesetzt, während Teamkollege Daniil Kvyat zu Red Bull aufstieg. Das Nachwuchsteam von Franz Tost ersetzte die beiden durch Max Verstappen und Carlos Sainz Junior, während für Vergne kein Platz mehr war in der Formel 1.

Desillusioniert angesichts des Rauswurfs nutzte Vergne die Gelegenheit, sich kurz vor dem Jahreswechsel in der Formel E zu probieren. Mit Andretti beendete er die Saison nach zwei Podestplätzen und drei Pole Positions immerhin auf dem siebten Platz der Gesamtwertung. Zur Saison 2015/16 wechselte Vergne zu DS Virgin und schaffte es dank einer starken zweiten Saisonhälfte zumindest auf P9 in der Meisterschaft.

Doch selbst in dieser Zeit schien Vergne nicht glücklich mit seiner neuen sportlichen Heimat. Er wollte zurück in die Formel 1, versuchte es auf Umwegen als Simulatorfahrer bei Ferrari. Dafür soll er sogar auf die Möglichkeit verzichtet haben, 2015 mit Porsche bei den 24 Stunden von Le Mans anzutreten. Dort hätte er laut eigener Aussage auf einem Auto mit Nico Hülkenberg fahren können, der den Klassiker zusammen mit Nick Tandy und Earl Bamber sensationell gewann.

"In meinen ersten drei Jahren in der Formel E hatte ich ziemlich schlechte Laune", räumt Vergne ein und macht damit deutlich, wie sehr ihn das Aus in der Königsklasse des Formelsports belastete.

Jean-Eric Vergnes Karriere in der Formel E

StatistikAnzahl
Rennen59 (seit 2014)
Siege8
Podestplätze20
Pole Positions10
Punkte581
Titelgewinne2 (2018, 2019)

Die Sache mit dem Gemütszustand hing ihm allerdings schon zu aktiven F1-Zeiten an, wie er nun selbst zugibt: "Die Menschen haben mich als negativ gesehen, als jemanden, der nie glücklich war. Ich habe zu lange gebraucht, um zu verstehen, dass man auch mal lachen muss. Das habe ich drei Jahre lang nicht gemacht. Dann wurde ich als dieser launische Franzose abgestempelt. Und das war ich auch. Dann kam der Anruf - und tschüss. Das war wie eine Bombe, die alle deine Träume zerplatzen lässt."

Das Debüt in der Formel E dürfte für Vergne nicht zuletzt eine willkommene Einnahmequelle gewesen sein. Rennfahrer mit Formel-1-Vergangenheit verfügen grundsätzlich über einen hohen Marktwert.

Vergne konnte es offenbar gut gebrauchen: "Als ich die F1 verlassen habe, hatte ich kein Geld mehr. Ich ging dumm mit meinem Geld um und habe alles ausgegeben. Ich habe eh nicht so viel verdient, wie alle immer dachten, nur, weil ich Formel-1-Fahrer war. So viel war es nicht. Trotzdem habe ich mich gefühlt wie ein Millionär. Und ich habe alles ausgegeben."

Jean-Eric Vergne hat wieder Spaß am Rennfahren, Foto: LAT Images
Jean-Eric Vergne hat wieder Spaß am Rennfahren, Foto: LAT Images

Geld dürfte inzwischen kein Problem mehr sein. Vergne besitzt Anteile am Techeetah-Team - rückblickend schon jetzt eine sehr gute Investition. Er ist an weiteren Unternehmen beteiligt, unter anderem einem eigenen Team in der neuen Extreme E, der SUV-Rennserie von Formel-E-Gründer Alejandro Agag. Für dieses Projekt konnten Vergne und Co. sogar Design-Genie Adrian Newey gewinnen.

Mit einigem Abstand und den jüngsten Erfolgen scheint der Abgang aus der Formel 1 nun leichter verschmerzbar für Vergne, der bereits angekündigt hat, in der Formel E Geschichte schreiben zu wollen. "In meinen Jahren in der Formel 1 musste so essen, so schlafen, dies sagen, anderes nicht sagen. Du bist wie ein Roboter. Wenn du ins Auto steigst, macht es schon Spaß, aber du bist nicht mehr du selbst."

Formel E, 2020: Jean-Eric Vergnes Rückblick auf Chile-Rennen: (11:06 Min.)