Pascal Wehrlein? Andre Lotterer? Oder doch wieder Daniel Abt? Die große Frage vor dem kommenden Rennen im chinesischen Sanya (Samstag ab 08:00 Uhr bei Eurosport und im ARD-Livestream): Welcher Fahrer holt den nächsten Sieg für Deutschland in der Formel E?

Zuletzt gelang dieses Kunststück Audi-Werksfahrer Abt bei seinem Heimrennen in Berlin im Mai 2018. In dieser Saison schrammten seine Landsmänner Wehrlein und Lotterer zuletzt hauchdünn am nächsten Sieg eines deutschen Fahrers in der Elektro-Rennserie vorbei.

Abt holte in den bisher 50 Rennen die einzigen beiden Siege (Mexiko und Berlin) für Deutschland. Was Nick Heidfeld, Maro Engel, Max Günther und Rene Rast - der nur ein Rennen fuhr - nicht gelang, soll das deutsche Trio in der laufenden Saison 2018/19 richten. Im Länder-Medaillenspiegel führt knapp die Schweiz mit 13 Siegen (12 Mal Sebastien Buemi, 1 Mal Edo Mortara) vor Brasilien mit 11 Siegen (9 Mal Lucas di Grassi, 2 Mal Nelson Piquet).

Deutschland belegt in der ewigen Länder-Wertung der Formel E nur den siebten Platz hinter der Schweiz (13 Siege), Brasilien (11), Frankreich (8), England (8), Belgien (3) und Schweden (3). Gelingt der Anschluss beim anstehenden sechsten Saisonrennen in Sanya?

Pascal Wehrlein stand in seiner Rookie-Saison nun schon zweimal knapp davor. In Santiago fuhr der Mahindra-Rookie mit Problemen beim Energie-Management auf Platz zwei. Im anschließenden Rennen in Mexiko musste sich Wehrlein erst wenige Meter vor der Zielflagge in einem dramatischen Finish Audis Lucas di Grassi geschlagen geben.

Im letzten Rennen in Hongkong folgte dann eine bittere Enttäuschung für Mahindra. In einem verregneten Qualifying fuhren Wehrlein und Teamkollege Jerome D'Ambrosio auf die letzten Plätze. Zu allem Überfluss beendete ein Dreifach-Crash mit Felipe Nasrs lädiertem Dragon in der zweiten Runde das Rennen beider Piloten.

"Wir müssen jetzt einfach da weitermachen, wo wir in Mexiko und Chile aufgehört haben", sagt Wehrlein vor der Premiere in Sanya. "Dann wird es auch nicht mehr lange dauern bis zum ersten Sieg. Wir treten als Team sehr stark auf, deshalb ist das nur eine Frage der Zeit." So klingt eine Kampfansage. An den Titel will der aktuell Gesamt-Neunte aber nicht denken: "Auf die Meisterschaft schaut man eher in den letzten Rennen. Aktuell will ich einfach jedes Rennen so gut wie möglich abschließen."

Auch zuletzt in Hongkong war ein Deutscher kurz davor, seinen ersten ePrix zu gewinnen. Andre Lotterer führte das Rennen bis kurz vor Schluss an, bevor Sam Bird im Virgin ihm den rechten Hinterreifen aufschlitzte. Das aber sei längst vergessen. "Ich habe das ziemlich schnell weggesteckt. Es bringt ja nichts, der Sache hinterher zu heulen", sagt der Techeetah-Pilot, der für die Simulator-Vorbereitung auf Sanya sogar seinen WEC-Einsatz in Sebring hat sausen lassen.

"Nach einem Wochenende wie in Hongkong ist man sehr heiß, aber ich kann jetzt nicht nur deshalb extra besser fahren, ich gebe immer mein Bestes", sagt Lotterer. Trotzdem gibt es für den dreifachen Le-Mans-Gewinner in Sanya nur ein Ziel. "Ich arbeite sehr hart an meinem ersten Sieg. Das ist immer mein Ziel, ich kann nichts Anderes anpeilen. Ich bin hier, um zu gewinnen." Sowohl Lotterer als auch Wehrlein hoffen auf Wiedergutmachung und ihren ersten Sieg in der Formel E.

Auch der bisher einzige deutsche Formel-E-Sieger, Daniel Abt, will die starke Pace seines Audi nutzen und bestenfalls in einen Sieg umwandeln. Letzte Saison gewann er an seinem 25. Geburtstag die 25 Punkte für den Sieg im zweiten Hongkong-Rennen, bevor er wegen eines formalen Fehlers in den Unterlagen nachträglich disqualifiziert wurde.

Drei Rennen später in Mexiko folgte die Revanche und Abts erster offizieller Sieg in der Elektro-Serie. Anschließend in Berlin feierte Audi angeführt von Abt dann mit Pole Position, Doppelsieg und der schnellsten Rennrunde die erste maximale Punkte-Ausbeute in der Formel-E-Geschichte. Das China-Trauma aus Hongkong könnte Abt nun in Sanya überwinden. "Wir hatten bisher eine sehr gemischte Saison. Wir sind nicht sehr gut gestartet, haben dann aber relativ schnell wieder Fuß gefasst", so Abt.

In den ersten beiden Saisonrennen lief für Audi tatsächlich nicht besonders viel zusammen. In den letzten drei Rennen fuhren die Deutschen dann aber bei jedem Rennen aufs Podium. Di Grassi staubte in Santiago sogar den Sieg von Wehrlein ab, Abt wartet noch auf seinen ersten Erfolg. Darauf liegt allerdings nicht der Fokus des Deutschen. "Der Plan ganz klar, in Sanya viele Punkte zu holen, um in beiden Meisterschaften nach vorne zu kommen", sagt Abt, der neben Jaguars Mitch Evans der einzige Fahrer im Feld ist, der bislang in allen Rennen der Saison in die Punkte gefahren ist.

Das Wichtigste sei jetzt, sich in eine Position zu bringen, in der er und das Team um die Meisterschaft kämpfen können. Konstanz sei im engen Feld der Serie jedoch nicht leicht. "Die Formel E ist so schnelllebig: In einem Rennen bist du der Hero, im nächsten dann ganz hinten", erklärt Abt.

Der bisherige Saisonverlauf gibt dem Kemptener Recht: In den ersten fünf Saisonrennen standen fünf unterschiedliche Sieger auf dem Podium. Die Meisterschaft ist eng wie nie: Nach Sanya können theoretisch elf unterschiedliche Fahrer die Gesamtwertung anführen, bevor es zum ersten Europa-Rennen in Rom am 13. April geht.