Herr Marquardt, wie ordnen Sie den Sieg in Riad zum Werkseinstieg von BMW in der Formel E ein?
Jens Marquardt: Für uns ist das eine tolle Geschichte. Der erste und gleichzeitig ein historischer Sieg mit dem BMW iFE.18 beim ersten Rennen als Werksteam. Ich bin riesig stolz auf unsere gesamte Mannschaft: die Jungs zuhause in München, die den kompletten Antriebsstrang aufgebaut haben. Die Kollegen aus der Serie zusammen mit unserer Motorsportmannschaft und natürlich auch das Team Andretti: sie alle haben ein hartes Vorbereitungsjahr hinter sich.

Auch Rennsieger und BMW-Werksfahrer Antonio Felix da Costa hatte es in den vergangenen Jahren nicht leicht...
Jens Marquardt: Gratulation natürlich auch an Antonio, der einen super Job gemacht hat. Er hat eine tolle Runde im Qualifying hingelegt und das Rennen super nach Hause gefahren. Der Druck auf ihn war riesengroß am Schluss. Wir haben gesehen, dass Techeetah und auch Mahindra richtig stark sind. Da erwartet uns noch einiges in dieser Saison, aber den ersten Sieg kann uns keiner nehmen. Den nehmen wir gern mit, wissen aber auch, dass beim nächsten Rennen in Marrakesch neu gewürfelt wird. Wir sind die Rookies in der Formel E und müssen sicher noch ein bisschen dazulernen.

BMW Motorsport Direktor Jens Marquardt, Foto: LAT Images
BMW Motorsport Direktor Jens Marquardt, Foto: LAT Images

Vor der Saison hatte Ihnen Audi-Teamchef Allan McNish die Favoritenrolle zugewiesen. Die können Sie jetzt nicht mehr von der Hand weisen.
Jens Marquardt: Antonio hat das Rennen zwar nach Hause gebracht. Man hat aber auch gesehen, wie eng das Feld zusammenlag. Wir hatten Fahrer von drei unterschiedlichen Herstellern auf dem Podium. Mit Techeetah war auch einer meiner Favoriten dabei. Und wenn man sich die Rundenzeiten der Techeetahs anschaut, sieht man, dass Jean-Eric (Vergne) und auch der Andre (Lotterer) wieder richtig stark sind. Das Paket von Audi ist sicherlich auch deutlich besser als das, was wir hier gesehen haben. Wenn man von hinten startet, ist es immer schwierig. Deshalb würde ich sagen: 'Allan, ganz ruhig bleiben. Wir werden in Marrakesch sicherlich von euch etwas anderes sehen'. Es ehrt uns natürlich, wenn der Wettbewerber sagt, dass wir der Favorit sind. Aber gut, die Favoritenrolle schiebt man immer gern von sich selbst weg.

Der zweite BMW-Fahrer, Alexander Sims, kam von Startplatz zehn im Rennen nicht über Platz 18 hinaus. Was ging schief?
Jens Marquardt: Für Alex tut es mir echt leid. Er hatte zweimal Overpower-Events und dafür Durchfahrtsstrafen kassiert. Das ist schade, da müssen wir noch Arbeit reinstecken. Aber nach dem ersten Sieg sind alle motiviert bis in die Haarspitzen und das Momentum müssen wir mitnehmen.

Was bedeutet es für einen Hersteller wie BMW, bei der Rückkehr in den professionellen Formelsport gleich einen Erfolg zu feiern?
Jens Marquardt: Es zeigt wirklich, dass wir es immer wieder schaffen, in neue Projekte mit einer sehr konsequenten und sehr konzentrierten Vorbereitung einzusteigen und dann auch gleich abzuliefern. Wobei man sagen muss, dass Andretti auch ein sehr erfahrenes Team in der Formel E ist, das letzte Saison mit einem unterlegenen Paket komplett unter Wert geschlagen wurde. Wir haben aber immer an die Zusammenarbeit geglaubt. Auch an unsere Fahrer, nachdem manche die Fahrerpaarung kritisiert hatten. Es zeigt also, dass du mit einem guten Paket von Beginn an bei der Musik sein kannst. Es ist aber nicht gesetzt, dass das so weitergeht. Es wird auch das eine oder andere Rennen geben, bei dem wir uns strecken müssen.

Antonio Felix da Costa feiert seinen ersten Sieg in der Formel E seit Januar 2015, Foto: LAT Images
Antonio Felix da Costa feiert seinen ersten Sieg in der Formel E seit Januar 2015, Foto: LAT Images

Wie hat Ihnen denn das erste Formel-E-Rennen mit den neuen Gen2-Autos gefallen?
Jens Marquardt: Ich finde die Autos echt toll, die passen extrem gut zur Formel E. 'Spacey' und zukunftsorientiert, so wie die Formel E insgesamt ist. Das war tolles Racing, auch, wenn es das eine oder andere technische Thema sicherlich noch gibt. Den Attack Mode fand ich auch ganz witzig. Das ist eben eine neue Komponente, das ist neues Racing. Enge Rennen mit richtig guten Geschichten auf der Strecke - da ist einiges in die richtige Richtung gelaufen. Es kommt aber auch das Layout der Rennstrecke an. Hier war es mit diesem Kurvengeschlängel schwierig zu überholen. Dafür gab es im Prinzip nur die Geraden, aber da gab es auch gute Überholmanöver.

An der Umsetzung der neuen Attack Mode-Regel gab es in Riad viel Kritik. Ihre Meinung dazu?
Jens Marquardt: Da muss man sich jetzt nach dem ersten richtigen Rennen anschauen, wo man die Schleifen am besten hinlegt. Eine gewisse Art der Bestrafung dadurch, dass die Aktivierungszone abseits der Ideallinie liegt, muss es schon geben. Sonst wäre das nur eine Form von: 'Knopf drücken, Gib ihm Saures, ganz einfaches Überholen'. Grundsätzlich finde ich den Attack Mode gut, er passt zur Formel E. Bei den kommenden Strecken-Layouts muss man einfach schauen, wo man die Aktivierungszonen am besten platziert. Ich bin sicher, dass die FIA das mit allen Beteiligten so hinbekommt, dass es noch besser passt und zum gewünschten Ergebnis führt.

Formel E 2018 Riad: Video-Highlights vom 1. Rennen der Saison: (05:53 Min.)