Andy, schildern Sie uns doch bitte einmal kurz die wichtigsten Stationen Ihrer Motorsportkarriere.
Andy Roche: Ich habe 1983 mit Van Diemen und Ralph Firman begonnen. Danach war ich bei Pacific Racing, als sie anfingen, und dann kam Supernova. Mit diesem Team waren wir sehr erfolgreich. Vor etwa zehn Jahren gründeten wir, Paul Devlin, Declan Lohan und ich, dann Virtuosi Racing. Anfangs waren wir das Einsatzteam für Russian Time und nun starten wir unter unserem eigenen Namen. Der Rest ist Geschichte.

Wie viele Titel haben Sie in Ihrer gesamten Karriere gewonnen und wie viele mit Virtuosi?
Andy Roche: In meiner Karriere waren es schon einige Fahrermeisterschaften. Mit Virtuosi haben wir in der Teamwertung einmal die Meisterschaft gewonnen und lagen dreimal auf dem zweiten Rang. In der Fahrerwertung waren es ebenfalls drei zweite Plätze. Es ist also an der Zeit, dass wir die auch einmal gewinnen.

Foto: Dutch Photo Agency
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Hätte es Sie gereizt, auch mal als Fahrer anzutreten oder waren Sie schon immer lieber auf der anderen Seite der Boxenmauer?
Andy Roche: Das war ehrlich gesagt reiner Zufall. Ich bin Ralph Firman in einem Café in Attleborough, Norfolk, begegnet. Er war auf der Suche nach einem jungen Mann, der ihm bei seinem F2000-Projekt hilft. Ich kam mit ihm ins Gespräch und fing am nächsten Tag an. Von da an ging es Schlag auf Schlag. Ich habe als Laufbursche begonnen, habe Reifen gewechselt und Lastwagen gewaschen.

Und Sie sind nie selbst gefahren, nicht mal als Beifahrer?
Andy Roche: Doch! Einmal habe ich sogar ein F3000-Auto über den Kurs in Monaco gelenkt. Aber nur langsam von der Box zurück ins Fahrerlager, denn unser Fahrer war auf dem Podium. Das war ziemlich interessant. Aber schneller hätte es nicht sein müssen.

In der hart umkämpften Formel-2-Meisterschaft waren Sie mit Virtuosi zuletzt dreimal Vizemeister. Was überwiegt bei Ihnen: die Freude über die zweiten Plätze oder das Bedauern, dass es nicht ganz für den Sieg gereicht hat?
Andy Roche: Das Bedauern. Sowohl in der Fahrer- als auch in der Teamwertung haben wir die Meisterschaften immer nur um wenige Punkte verpasst. Hauptsächlich durch dumme Fehler: ein abgewürgter Motor in der Startaufstellung, solche Sachen. Kleinigkeiten. Wir haben immer hart daran gearbeitet, diese kleinen Fehler auszumerzen. Aber das ist schwer. Bei der Teammeisterschaft ganz besonders - da muss man mit zwei Fahrern möglichst fehlerfrei durchkommen. Beide müssen die ganze Saison über Punkte sammeln. In den letzten vier oder fünf Jahren hätten wir mehr erreichen können - das stimmt. Aber so ist es eben. Und im Grunde ist das auch der Reiz am Motorsport: Man will immer mehr!

Foto: Dutch Photo Agency
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Sie hatten es schon mit vielen Fahrern zu tun. Welcher Fahrertyp, würden Sie sagen, bedeutet für s Team die größte Herausforderung?
Andy Roche: Die Rookies. Besonders, wenn sie aus der Formel 3 in die Formel 2 kommen. Auch wenn sie in der F3 schon gewonnen haben, dauert es immer eine Weile, bis sie sich an die F2 gewöhnt haben - so anders ist es da. Das liegt auch an den Strecken, die für sie neu sind. Bisweilen darf man da nicht zu viel attackieren, sondern muss es auch mal ruhiger angehen. Das zu vermitteln, ist nicht so leicht. Aber die Lernkurven unserer Fahrer sind enorm. Das ist auch der Grund, warum wir mit der Formel 4 begonnen haben. Wir wollen die Fahrer schon früh in ihrer Karriere an unsere Methoden heranführen, damit sie später richtig durchstarten können, wenn sie zum ersten Mal in einem F2-Auto fahren. Ob das funktioniert, werden wir sehen.

Neben einem guten Team - was braucht ein Fahrer noch, um in der Formel 2 erfolgreich zu sein?
Andy Roche: Talent. Damit meine ich, dass man nicht nur schnell ist, sondern auch denken kann. Man muss strategisch handeln und sich die Reifen einteilen. Das Auto verändert seine Balance im Laufe des Rennens - darauf musst du dich einstellen. Und wenn man das geschafft hat, dann weiß man, dass man es kann. Als Fahrer in der Formel 2 genügt es nicht, ständig nach dem perfekten Auto suchen, man muss auch in der Lage sein, es zu finden!

Mit Jack Doohan haben Sie einen Rookie im F2-Team. Anfang Juli hat er in Silverstone seinen ersten Sieg gefeiert. Wie war das?
Andy Roche: Es war wirklich brillant. Eine fehlerfreie Vorstellung. In den Rennen davor, haben wir Jack vermittelt, dass er geduldig sein muss. Er hatte ein paar dumme Fehler gemacht und ein paar Nasen beschädigt. Wir haben ihm gesagt: Hab Geduld! Lass es auf dich zukommen! In Silverstone hatte er dann keinen einzigen Fehltritt. Es war absolut brillant. Er hat sich die Reifen bis zur letzten Runde gut eingeteilt. Und es war ein fantastischer Sieg für ihn. Sein Selbstvertrauen ist jetzt riesig.

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Danach gab es noch einen weiteren Sieg in Ungarn. Das auch das war sicher nicht sein letzter Sieg, oder was meinen Sie?
Andy Roche: Er hat auf jeden Fall das Tempo dazu. Es steht außer Frage, dass er sehr, sehr schnell ist. Inzwischen hat er ja auch zwei Pole Positions und vier schnellste Runden auf seinem Konto. Natürlich ist es für ihn als Rookie mit den neuen Strecken nicht leicht. Aber vier Podestplätze sind es ja bereits in dieser Saison und ich bin sicher, es können noch mehr werden in den verbleibenden zwei Rennwochenenden.

Wo hat sich Ihr Team in den letzten zehn Jahren verbessert?
Andy Roche: Wir verbessern uns ständig. Im Laufe der Jahre haben wir vieles verändert, aber nicht bei unseren Mitarbeitern: So gut wie alle sind von Anfang an dabei, seit zehn Jahren. Was neu hinzugekommen ist, sind Kooperationen wie die mit AVL RACETECH oder Dallara. Wir entwickeln einfach ständig alle Aspekte unserer Arbeit weiter. Dieses Jahr konzentrieren wir uns auf die mentale Seite. Wir haben einen Mentaltrainer dabei, der sich das Team anschaut - wie alles funktioniert, wie die Fahrer arbeiten, wie sie zusammenarbeiten und so weiter. Wir versuchen, uns ständig zu verbessern. Mit Jack haben wir einen Zweijahresplan und wolle 2023 richtig durchstarten.

Sie haben die technische Partnerschaft mit AVL RACETECH erwähnt. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Andy Roche: Ja, AVL Racetech hilft uns sehr. Die Zusammenarbeit gibt es jetzt schon seit fünf oder sechs Jahren. Angefangen hat es noch mit Russian Time, als wir das Team geleitet haben. Von da an haben wir die Partnerschaft weitergeführt. Wir haben eine wirklich gute Beziehung, die sich an den Wochenenden für uns auszahlt.

Ihr Ex-Fahrer Guanyu Zhou hatte beim Formel-1-Rennen in Silverstone einen schweren Unfall. Wie hast haben sie die Situation erlebt?
Andy Roche: Ich war gerade auf dem Heimweg, habe es also nicht live gesehen. Ich bekam einen Anruf und war natürlich ziemlich besorgt. Ich rief sofort seine Assistentin an, die mir sagte, dass es ihm gut geht. Der Halo hat an diesem Wochenende zwei Menschenleben gerettet, denn auch in der Formel 2 gab es einen ähnlich schweren Unfall.

Wie Sind Sie mit der Entwicklung in Sachen Sicherheit in der Formel 2 zufrieden? Die Fahrer sind hier ja noch etwas hitzköpfiger...
Andy Roche: Es gibt ständig etwas zu verbessern. Es wird immer einen Unfall geben, der aus dem Nichts auftaucht und eine Schwachstelle aufzeigt. Offensichtlich werden die Fahrzeuge wieder schwerer. Als Ingenieur mag ich das nicht, aber die Autos müssen sicher sein.

Foto: Dutch Photo Agency
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Wie ist es, wenn einer Ihrer Fahrer gewinnt? Beschreiben Sie uns doch bitte einmal Ihre Gefühle.
Andy Roche: Wenn sie die Linie überqueren und gewinnen, ja, das ist fantastisch. Man kann das nicht wirklich erklären. Es ist das Gefühl, dass sich alles gelohnt hat. Und umgekehrt, wenn du ein wirklich schlechtes Wochenende hattest, schüttelt man sich und blickt positiv auf das nächste Rennen. Nach einem Sieg ist es dasselbe: Eine Stunde später bist du schon auf dem Weg zum nächsten Rennen und wirst wieder alles geben. Aber das Gefühl, wenn dein Fahrer die Ziellinie als Sieger überquert: Ja, das ist fantastisch! Man ist unglaublich stolz auf alle, die ihren Job gut gemacht haben - von den Fahrern über die Mechaniker bis hin zu den Partnern und allen anderen.